Die „Höegh Esperanza“ wandelt vor Wilhelmshaven LNG in Gas um – und leitet dabei Chlor ins Wasser ab. Eine potentielle Gefahr für das Ökosystem.
  • Die „Höegh Esperanza“ wandelt vor Wilhelmshaven LNG in Gas um – und leitet dabei Chlor ins Wasser ab. Eine potentielle Gefahr für das Ökosystem.
  • Foto: imago/Jochen Tack

LNG-Schiff darf Wattenmeer mit Biozid vergiften

Seit Dezember 2022 versorgt die „Höegh Esperanza“ vor Wilhelmshaven liegend Deutschland mit Flüssiggas. Zur Reinigung benutzt Betreiber Uniper Chlor, das als Schadstoff wieder in der Nordsee landet. Nicht schlimm, sagt ein Gutachten – obwohl dabei auch kleine Lebewesen sterben.

Bringen LNG-Schiffe die Artenvielfalt im Wattenmeer in Gefahr? Ja, sagen Umweltschützer:innen. Denn für den Vorgang, der das gekühlte Flüssiggas wieder gasförmig macht, wird Meerwasser verwendet – inklusive Algen, Muscheln oder weiterer kleiner Lebewesen. Dieser Mix könnte sich in den Rohren der Schiffe absetzen und diese verstopfen. Damit genau das nicht passiert, werden diese mit Chlor gereinigt und gemeinsam mit dem Wasser zurück ins Meer gepumpt.

Sorge im Wattenmeer: Bedrohen LNG-Schiffe die Artenvielfalt?

Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), der Umweltbehörde des Bundeslandes zugeordnet, sieht in der Chlor-Verwendung kein Problem. Bis ins Jahr 2043 hinein darf Uniper das Biozid ins Meer ableiten, wie die „taz“ recherchiert hat. Dass das LNG-Schiff vor Wilhelmshaven betrieben wird, sei dem NLWKN zufolge „dauerhaft gewässerökologisch unbedenklich“.

Deutlich anders bewertet dies das Alfred-Wegener-Institut aus Bremerhaven. Matthias Brenner, der dort als Meeresbiologe arbeitet, bewertet das Wilhelmshavener Terminal in der „taz“ als Quelle für „Schadstoffe beziehungsweise andere problematische Substanzen“. Und wie diese sich langfristig auswirken, werde nur selten erforscht.

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Zumal die LNG-Schiffe nicht die einzigen Faktoren seien: Schließlich seien im Wasser bereits andere Schadstoffe vorhanden, die mit dem eingeleiteten Chlor einen neuen „Cocktail“ eingingen, erklärt Brenner. Diese „kumulativen Effekte“ könnten „das Ökosystem Nordsee eben sehr wohl schädigen“.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat bereits im Januar gegen die Genehmigung dieses Prozesses Widerspruch eingelegt. „Die Nutzung von tonnenweise Chlor als Biozid ist eine Katastrophe für die Artenvielfalt der Jade sowie die örtlichen Muschelfischer und zeigt auch deutlich auf, was die Versäumnisse von Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Infrastrukturprojekten bedeuten“, sagte Constantin Zerger, bei der DUH für Energie und Klimaschutz zuständig, damals.

Uniper: Chlor-Rückstände zersetzen sich schnell im Meer

Terminal-Betreiber Uniper gab gegenüber der „taz“ zu, dass auf dem Schiff Chlor als Biozid zum Einsatz kommt. Dessen Rückstände würden sich allerdings schnell zersetzen und Grenzwerte damit nicht überschritten. Zuvor hatte das NDR-Magazin „Panorama 3“ bereits aufgedeckt, dass die Gutachten, auf deren Basis die Zustimmung für die Chlor-Verwendung erteilt wurde, von Uniper selbst finanziert worden sind. Kritik an der möglicherweise fehlenden Neutralität und am Ergebnis des Gutachtens wies das Ministerium dem NDR gegenüber als „aus unserer Sicht nicht belegbar“ zurück.

Dabei geht es sogar ganz ohne Chlor: Die Betreiberfirma TES rüstet das LNG-Terminalschiff „Excelsior“, das ab Herbst ebenfalls vor Wilhelmshaven liegt, auf ein Ultraschallverfahren um. (fbo)

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