• Foto: imago images/ZUMA Wire

Corona weltweit: Krasser als im Frühjahr! Wo die Infektionszahlen gerade explodieren

In Deutschland werden die Corona-Maßnahmen weiter gelockert, das Leben kehrt auf Straßen und in Restaurants zurück, vielerorts sind Veranstaltungen mit einigen hundert Besuchern wieder erlaubt, auch Bordelle dürfen wieder öffnen. Zuletzt gab es zwar einen leichten Anstieg an Neuinfektionen, dennoch scheint das Virus hierzulande im Griff zu sein. Ganz anders dagegen die Lage in Frankreich, Spanien und Co.: Mehrere Länder verzeichnen derzeit krass explodierende Neuinfektionsraten. Die MOPO erklärt, wo das Virus gerade besonders heftig wütet – und warum.

Die Sommerferien neigen sich langsam dem Ende zu – und trotz deutlich höherer Infektionszahlen in Deutschland als noch im Frühsommer scheint Deutschland von der vielbeschworenen zweiten Corona-Welle verschont geblieben zu sein. Die Folge: Warnungen werden inzwischen nicht mehr nur von Corona-Skeptikern in den Wind geschlagen, es herrscht vielerorts die Meinung, die Pandemie sei im Grunde überstanden.

Spanien, Frankreich und Israel verzeichnen explodierende Corona-Zahlen

Wie gefährlich es sein kann, zu früh zur Normalität zurückzukehren, zeigen internationale Entwicklungen. Insbesondere Spanien und Frankreich kämpfen seit Wochen gegen explodierende Corona-Zahlen an, auch in Israel ist die Lage erneut extrem angespannt.

Das könnte Sie auch interessieren: Ferien lassen Infektionszahlen in Urlaubsländern explodieren

Regionale Lockdowns und Reisewarnungen sind die Folge. Die Regierungen der betroffenen Länder sehen vor allem die Bürger in der Verantwortung und appellieren in Brandreden an die Menschen, sich weiterhin an die Corona-Regeln zu halten. Experten vermuten hinter den erneut steigenden Zahlen aber auch andere Ursachen. Eine Spurensuche. 

Spanien: Experten vermuten, dass nicht alle Infektionsherde aufgedeckt wurden

Spanien ist inzwischen das am stärksten von der Corona-Pandemie betroffene Land in Europa, im weltweiten Vergleich liegt das südeuropäische Land mit mehr als einer halben Million bestätigter Corona-Fälle auf dem neunten Platz. Allein am vergangenen Freitag kletterte die Zahl der täglichen Neuinfektionen auf den Rekordwert von 12.183. Es handele sich um den höchsten Anstieg binnen eines Tages seit Beginn der Pandemie, schrieb die Zeitung „El País“.

Das Gesundheitssystem steht erneut vor dem Kollaps. Dabei galt die Pandemie hier bereits als besiegt, der Tourismus wurde pünktlich zur Urlaubssaison wieder hochgefahren – möglicherweise einer der Gründe für den erneut unkontrollierten Anstieg an Neuinfektionen? Experten vermuten, dass in Spanien nicht alle Infektionsherde aufgedeckt worden sind, bevor der Lockdown aufgehoben und das Land für Reisen freigegeben wurde. In Deutschland werde intensiv getestet, um die Verbreitung des Virus besser zu verstehen, in Spanien sei nicht in dem Umfang getestet worden, sagte der Kölner Virologe Rolf Kaiser vor einigen Tagen dem WDR.

Pedro Sanchez

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez sieht die Sorglosigkeit vieler Menschen als Grund für den erneuten Anstieg der Corona-Infizierten.

Foto:

imago images/Agencia EFE

Zudem kritisieren Experten das in Spanien schlecht ausgebaute System zur Kontrolle der Pandemie: „Viele Regionen haben über Wochen versäumt, das Früherkennungssystem auszubauen und die Koordination zwischen den für die medizinische Grundversorgung zuständigen Gesundheitsämtern und den epidemiologischen Fachdiensten zu verbessern“, kritisiert Hernández-Aguado, der Regionalregierungen bei der Pandemie-Bekämpfung berät, laut  „Zeit“.

Die Folge: Das Virus konnte sich relativ unentdeckt erneut verbreiten, inzwischen haben das Robert-Koch-Institut und das deutsche Auswärtige Amt das ganze Land zum Risikogebiet erklärt, Infektionsherde finden sich überall, vor allem in der Region um die Hauptstadt Madrid wütet das Virus.

Ministerpräsident Pedro Sánchez sieht vor allem die Sorglosigkeit der Menschen als Hauptgrund für den rasanten Anstieg: „Die Gründe sind klar. Die Mobilität, das Nachtleben. Die Menschen sind nachlässiger geworden“, sagte er in einem Radio-Interview. Für diese Einschätzung spricht auch, dass das Durchschnittsalter, und damit auch die Sterblichkeitsrate, der Infizierten gesunken ist, in vielen Fällen verlaufe die Infektion sogar asymptomatisch.

Spaniens Regierung hat erneut Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergriffen, so sollen beispielsweise private Feiern auf ein Maximum von zehn Gästen begrenzt werden. Einen erneuten Lockdown zieht Sánchez zumindest momentan nicht in Betracht.

Frankreich: Rekordwert an Neuinfektionen – Appell an die Bürger

Auch in Frankreich spitzt sich die Corona-Lage in den vergangenen Wochen wieder zu, die Regierung sprach von einem „exponentiellen Wachstum“. Am vergangenen Donnerstag und Freitag wurden jeweils fast 10.000 Neuinfektionen registriert – Rekordwerte, die die Zahlen der ersten Welle zu Beginn der Pandemie sogar übersteigen. Die Gesamtzahl der Fälle stieg auf über 400.000. „Das Virus zirkuliert mehr und mehr in Frankreich“, warnte Premier Jean Castex am Freitagabend seine Landsleute. Die künftige Situation hänge „von Ihnen ab, von uns.“

Louvre

Paris gehört zu den neuausgerufenen Risikogebieten.

Foto:

picture alliance/dpa

Insgesamt 42 Départements gelten mittlerweile als Risikogebiete. Das heißt, dass die Behörden vor Ort die Möglichkeit haben, Maßnahmen zu ergreifen, die das öffentliche Leben einschränken. Zu diesen Gebieten zählen etwa der Großraum Paris und weite Teile der Mittelmeerküste. Die Bundesregierung hat für diese und weitere Regionen eine Reisewarnung ausgesprochen.

Zwar lässt sich der massive Anstieg an Corona-Fällen zum Teil mit der weitaus höheren Zahl an Tests erklären – innerhalb einer Woche wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörde mehr als eine Million Corona-Tests vorgenommen – allerdings nicht nur. Beispielsweise in Deutschland werden trotz massiver Ausweitung der Tests nicht annähernd derart hohe Zahlen erreicht. Die Gründe für den erneuten Anstieg der Fallzahlen sehen Virologen ähnlich wie in Spanien in unentdeckten Infektionsherden.

Charité-Virologe Christian Drosten sprach im NDR-Podcast davon, dass eine unentdeckte Rest-Infektionsmasse übrig geblieben sei, bei Ende des Lockdowns habe das Virus sich dann wieder verbreitet. Auch hier sei zu wenig und zu spät getestet worden, kritisieren Pandemie-Experten.

Allerdings ist die Sterblichkeitsrate in Zusammenhang mit einer Corona-Infektion, ähnlich wie in Spanien, auch in Frankreich massiv zurückgegangen, 80 Prozent der Infizierten weisen laut Behörden gar keine Symptome auf. Ein neuer landesweiter Lockdown wird auch hier derzeit noch ausgeschlossen, vielmehr wolle die Regierung innerhalb der ausgewiesenen Risikogebiete gezielt Maßnahmen ergreifen, erklärte Präsident Macron. Allerdings lägen für den Notfall auch Pläne für einen neuen nationalen Lockdown bereit, wie Premierminister Jean Castex laut „Spiegel Online“ vor Kurzem erklärte.

Israel: Rasche Lockerungen – Virus breitet sich wieder rasant aus

Israel galt als eines der Länder, das besonders vorbildlich auf die Corona-Pandemie reagiert hatte. Die Regierung verhängte früh einen Lockdown und bekam die Infektionszahlen so schnell in den Griff. Die raschen Lockerungen führten allerdings dazu, dass sich das Virus bereits seit Mai wieder rasant verbreitete. Das Gesundheitsministerium teilte am Freitag mit, am Vortag seien 4146 neue Fälle registriert worden. Damit wurde den vierten Tag in Folge der jeweils höchste Ein-Tages-Wert im Land seit Beginn der Pandemie verzeichnet. Die Gesamtzahl der Infizierten im Land erhöhte sich damit auf knapp 150.000.

„Im Moment breitet es (das Virus) sich vor allem in arabischen und ultraorthdoxen Orten aus“, erklärte Israels Premier Benjamin Netanyahu vergangene Woche. Diese Gruppen leben vor allem in dicht bevölkerten Städten und engen Wohnvierteln. 

Ultraorthodoxe in Israel

Während eines Morgengebets halten ultraorthodoxe Juden in Israel den nötigen Mindestabstand ein. Besonders in den strenggläubigen Teilen der Städte stiegen die Corona-Zahlen zuletzt besonders stark an. 

Foto:

picture alliance/dpa

Die Regierung hatte als Reaktion auf die steigenden Zahlen eigentlich strenge Lockdowns angekündigt, die auf Druck strengreligiöser Kreise allerdings nicht umgesetzt wurden. „Ihr wisst, wie wichtig mir der ultra-orthodoxe Sektor ist“, so Netanyahu in einer Facebook-Ansprache. Für seine Politik gerät er in den vergangenen Tagen massiv unter Druck, es kommt vermehrt zu Demonstrationen, die seinen Rücktritt fordern. Laut „tagesschau“ habe ein bekannter Rabbiner zuletzt Religionsschüler dazu aufgerufen, sich nicht mehr auf das Virus testen zu lassen – ein Rat, den der nationale Corona-Beauftragte, Ronni Gamzu, scharf kritisierte. In einem dramatischen Appell wandte er sich an die Bevölkerung. „Schluss mit Hochzeiten. Schluss mit Massenansammlungen. Hört auf, die Regeln in Restaurants zu brechen oder an anderen Orten. Ganz Israel befindet sich im Krieg“, so Gamzu.

Die Lage im Land ist ernst, im Gegensatz zur Situation in Europa steigt in Israel die Rate der Menschen, die in Zusammenhang mit einer Corona-Infektion sterben, an – zuletzt wurde die Marke von 1000 Toten überschritten – bei einer Einwohnerzahl von nur etwas über neun Millionen. Deshalb soll es nun laut Medienberichten doch einen erneuten Lockdown geben: Die Menschen dürfen sich dann nicht weiter als 500 Meter von ihrem Zuhause entfernen. Schule und Kindergärten sollen geschlossen werden, ebenso wie Restaurants und Geschäfte. Gebete sollen nur im Freien erlaubt werden. Der komplette Flugverkehr soll eingestellt werden.

Großbritannien: Johnson ruft Engländer zur Rückkehr an ihre Arbeitsplätze auf

Auch in Großbritannien ist die Zahl der Neuinfektionen wieder deutlich angestiegen. In den vergangenen Tagen gab es jeweils fast 3000 bestätigte neue Fälle pro Tag, wie aus aktuellen Zahlen der Regierung hervorgeht. Das ist der höchste Stand seit Ende Mai.

Experten sehen die Zahlen mit Sorge und warnen vor einer zweiten Welle. „Die Menschen haben sich zu sehr entspannt“, sagte der britische Epidemiologe und Gesundheitsberater Jonathan Van-Tam der BBC. Auch der Chef des staatlichen Forschungs- und Innovationsinstituts UKRI, Mark Walport, schlug Alarm: „Man muss sagen, wir fangen an, die Kontrolle über das Virus zu verlieren“, sagte er der BBC.

Boris Johnson ist seit einem Jahr Premierminister von Großbritannien.

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson (Archivbild)

Foto:

dpa

Entgegen der zuletzt von Premierminister Boris Johnson forcierten Kampagne, die Briten sollten in ihre Büros zurückkehren, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, riet der ehemalige Regierungsberater Walport, wenn möglich weiter zuhause zu arbeiten. Da Schüler zurück in den Schulen und Studenten in den Universitäten seien, sei es umso wichtiger, in anderen Bereichen die Kontakte zu reduzieren.

Derzeit stecken sich vor allem junge Menschen mit dem Virus an – das erklärt auch den bislang niedrigen Anstieg der Todesfälle. „Töte nicht deine Oma, indem du dir das Coronavirus einfängst und sie ansteckst“, warnte Gesundheitsminister Matt Hancock gegenüber der BBC und appellierte an die Briten, Abstands- und Hygieneregeln weiter einzuhalten und sich nicht in größeren Gruppen zu versammeln.

Zuletzt hatte die Regierung die steigende Zahl der Infektionen häufig mit der hohen Anzahl an Tests erklärt, die mittlerweile durchgeführt werden. Zuletzt waren es mehr als 175.000 pro Tag. So können mehr Infektionen tatsächlich als solche erkannt werden als noch im Frühjahr. Allerdings gab es auch immer wieder Corona-Ausbrüche, etwa bei illegalen Partys, Fußballspielen oder in einer Schule.

Auf die vergangenen sieben Tage gerechnet hat die Zahl der Fälle in Großbritannien die kritische Schwelle von 20 Fällen pro 100.000 Einwohner überstiegen. Für Einreisende aus Regionen mit einer höheren Infektionsrate verhängt die britische Regierung eine zweiwöchige Quarantäne.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp