Bluttat von Alsterdorf: Neue Details zum Amoklauf und über den Täter
Die Trauer und das Entsetzen nach der Amoktat von Alsterdorf sind weiter groß, sieben Mitglieder der Zeugen Jehovas starben. Ihr Sprecher Michael Tsifidaris liefert neue Erkenntnisse zu dem Fall und zum Täter, der einst selbst der Gemeinde angehörte, die er wohl versucht hat, auszulöschen.
Vor eineinhalb Jahren habe der spätere Attentäter Philipp F. (35) seinen Austritt als Gemeindemitglied erklärt, sagte Tsifidaris der MOPO und anderen Journalisten. „Es war eine persönliche Entscheidung.“ Ob dies schriftlich oder mündlich geschah, wisse er nicht. So ein Austritt wirke sich aber auf die persönlichen Beziehungen zu Gemeindemitgliedern und auch Freunden aus.
Der Gottesdienst wurde auch per Live-Stream verfolgt
Der Amoklauf geschah laut Tsifidaris nach dem regulären Gottesdienst, der immer um 19 Uhr starte. Zu diesem hätten sich am Donnerstagabend – neben den 36 anwesenden Gästen – 25 Menschen digital zugeschaltet. Um 20.45 Uhr sei die Veranstaltung beendet worden, auch der Live-Stream werde danach in der Regel ausgeschaltet.
Dass Zugeschaltete die Tat mitansahen, davon geht der Sprecher bisher nicht aus. Die Anwesenden seien nach dem Gottesdienst in Gesprächen gewesen. Einige waren schon dabei, aufzubrechen.
Darunter befand sich vermutlich auch eine Frau, die vor dem Gebäude an der Straße Deelböge in ihr Auto stieg, auf das Philipp F. zielte. Zehn Einschusslöcher zählten Beamten später, die Frau erlitt leichte Verletzungen. Es gilt in Kreisen der Zeugen Jehovas als wahrscheinlich, dass F. die Frau als Mitglied erkannte und daher das Feuer auf sie eröffnete.
Innerhalb der Gemeinde soll es Differenzen über die Idee und Realisierung des Buches des Mannes gegeben haben, das er Ende 2022 mit dem Titel „Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan“ veröffentlichte. In Internetforen schreiben Zeugen Jehovas, dass das zum Rauswurf von Philipp F. geführt habe. Für die Sicherheitsbehörden ist der genaue Umstand noch unklar; man prüfe, ob er die Gemeinde freiwillig verlassen hat oder sie verlassen musste. In jedem Fall sei man nicht im Guten auseinander gegangen, so Thomas Radszuweit, Leiter des Staatsschutzes.
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Am Ende bleibt die Trauer. Jedes Gemeindemitglied sei betroffen, sagt Tsifidaris, egal, ob er oder sie anwesend war oder nicht. Viele seien in einem Schockzustand und stark traumatisiert. „Sie bekommen jetzt den bestmöglichen seelsorgerischen Beistand. Wir danken der Stadt und den Behörden, die uns hier durch ihre sehr professionellen Dienste zur Seite stehen.“
Bei der Amoktat sind sieben Menschen erschossen worden, acht weitere wurden teils schwer verletzt; alle wiesen multiple Schusswunden auf. Vier Verletzte schweben laut Angaben der Polizei am Samstagmittag noch immer in Lebensgefahr. Innensenator Andy Grote (SPD): „Wir hoffen, dass alle überleben.“ Philipp F. richtete sich nach der Tat selbst.