Tischlermeisterin Johanna Röh
  • Tischlermeisterin Johanna Röh hat eine Petition zur Reform des Mutterschutzes auf den Weg gebracht.
  • Foto: picture alliance/dpa/Friso Gentsch

Kinder als Job-Risiko? Tischlerin aus dem Norden plant Revolution

Wie lässt sich eine Schwangerschaft mit der Berufstätigkeit vereinbaren? Für Angestellte ist das geregelt – aber Selbstständige stehen in dieser Situation allein. Eine Tischlermeisterin aus der Nähe von Osnabrück geht nun mit einer Petition an den Bundestag gegen diesen Missstand vor. Die politische Resonanz: Positiv, aber vorsichtig.

In der Werkstatt von Johanna Röh riecht es nach Holz. Ein alter Schrank steht im Halbdunkel. Auf einer Maschine liegt die Seitenwand einer Kommode, auf der ein Ornament angebracht wurde. „Viele Schreiner würden so einen Auftrag gar nicht annehmen, weil sie sagen, dass das nicht geht“, sagt die Tischlermeisterin und Restauratorin aus Alfhausen bei Osnabrück. Seit 2016 ist die 35-Jährige selbstständig. Im vergangenen Mai kam ihre Tochter Mela zur Welt. „Als schwangere Unternehmerin passe ich nicht ins System“, hat sie festgestellt. Mit einer Petition an den Bundestag will sie zusammen mit zwei anderen Unternehmerinnen eine umfassende Reform des Mutterschutzes anstoßen.

Selbstständige erhalten nur bedingt Mutterschaftsgeld

Mutterschutz und Elternzeit ist für Angestellte kein Problem. Bei Selbstständigen ist die Situation komplizierter. Laut Bundesfamilienministerium erhalten privat krankenversicherte Selbstständige kein Mutterschaftsgeld. Sie müssen eine privaten Krankentagegeldversicherung abschließen, und dort gilt es Wartezeiten zu beachten. Die Schwangerschaft muss also gut geplant sein.

Wer als Selbstständige freiwillig bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, erhält während der Mutterschutzfristen Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankentagegeldes von der Krankenkasse. Allerdings muss der Krankentagegeldanspruch mit abgesichert werden. Wer darauf verzichtet, hat auch keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld. Gleich, ob privat oder gesetzlich versichert – als Unternehmerin müsse sie Zusatzversicherungen abschließen, kritisiert Röh.

Kinderwunsch: Wettbewerbsnachteil für Selbstständige

Krankengeld habe sie nicht bekommen, weil die Berechnung des Krankengeldes noch in die Gründungsphase ihres Unternehmens gefallen sei, als die Einnahmen noch gering und die Investitionen hoch gewesen seien, erklärt Röh.„Als Selbstständige ist es ein krasser Wettbewerbsnachteil, wenn ich als Frau auch noch Familie möchte“, sagt die Handwerkerin. Als Selbstständige habe sie keine Leistungen bekommen, das habe ihre Familie sehr viel gekostet. „Es war zwischendurch nicht ganz klar, ob ich den Betrieb halten kann.“

Das könnte Sie auch interessieren: Diese Hamburgerin betreibt zwei Secondhand-Läden für den guten Zweck

Es sei wichtig, dass eine Schwangerschaft nicht zu einer Chancenungleichheit auf dem Arbeitsmarkt führe, sagt Röh. „Eigentlich müsste es ein System geben wie in der Landwirtschaft, dass uns Betriebshelferinnen und Betriebshelfer zur Verfügung gestellt werden“, fordert die Tischlermeisterin. „Wenn ich den Betrieb schließen muss, weil ich schwanger werde, habe ich ja die doppelten Kosten – die eigenen und die vom Betrieb.“ Wenn ihr eine Arbeitskraft zur Seite gestellt worden wäre, hätte ihr das sehr viel geholfen. Finanziert werden könnte das, wie in der Landwirtschaft, über die Sozialkassen.

Petition an Bundestag um Mutterschutz zu reformieren

Inzwischen liegt die Petition dem Bundestag vor. Die Forderung: Selbstständige Schwangere müssen den gleichen gesetzlichen Mutterschutz genießen wie Angestellte. Bundesfamilienministerin Lisa Paus immerhin sieht Regelungsbedarf. „Gleichbehandlung zwischen Selbstständigen und Angestellten ist nicht ganz einfach. Aber es muss auch Selbstständigen möglich sein, ohne zu hohe Hürden eine Familie gründen zu können“, hatte die Grünen-Politikerin bereits im Dezember den Funke-Zeitungen gesagt. „Daher sollten wir auch die Freistellung für Selbstständige ermöglichen.“

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sieht ebenfalls Regelungsbedarf bei dem Mutterschutz für Selbstständige. picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
Bundesfamilienministerin Lisa Paus
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sieht ebenfalls Regelungsbedarf bei dem Mutterschutz für Selbstständige.

Die drei Initiatorinnen der Petition fordern, vor allem für Gründerinnen, Chefinnen in investitionsintensiven Branchen und Selbstständige in körperlich arbeitenden Berufszweigen Instrumente zu schaffen, die schwangerschaftsbedingte Betriebsschließungen verhindern. Unter anderem wollen sie voll bezahlten gesetzlichen Mutterschutz. Aktuell erhalte eine Selbstständige maximal 13 Euro am Tag.

Reform ist politisch sehr komplex und langwierig

Für selbstständige Unternehmerinnen sei das noch nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein, zumal es derzeit mit dem Krankengeld verrechnet werde. Auch das Betriebsvermögen dürfe zum Beispiel nicht angetastet werden, heißt es in dem Papier. „Notfalltöpfe“ könnten selbstständige Schwangere vor Insolvenz retten, heißt es in der Petition.

Das könnte Sie auch interessieren: Schont Umwelt und Geldbeutel! Diese Hamburgerinnen kleiden werdene Mütter ein

Inzwischen habe sich der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages mit dem Papier beschäftigt, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Osnabrück-Land, Anke Hennig. „Alle demokratischen Parteien haben positiv darauf reagiert“, erklärt die Politikerin. Der parlamentarische Prozess sei damit gestartet worden. Aber das Vorhaben sei komplex – es falle in die Zuständigkeit mehrerer Ministerien. „Es muss Hand und Fuß haben und darf nicht einfach übers Knie gebrochen werden“, betont Hennig. Solche parlamentarischen Abläufe dauerten lang.

Mutterschutz für Selbstständige ist gesellschaftliches Anliegen

Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) unterstütze die Petition, sagte Verbandssprecherin Michaela Steinhauer. Derzeit bestehe eine Ungleichheit zwischen abhängig beschäftigten und selbstständigen Handwerkerinnen. Dafür brauche es dringend politische Lösungsansätze. Eine Möglichkeit seien Betriebshelfer nach Vorbild der Landwirtschaft, wie von Röh und ihren Unterstützerinnen gefordert.

Das könnte Sie auch interessieren: Unfaire Corona-Prämie: Hamburgerin kämpft in Berlin für Gerechtigkeit

„Eine solche Vertretungsmöglichkeit sollte dann aber als gesamtgesellschaftliche Leistung aus Steuermitteln finanziert werden und nicht über Beiträge“, fordert Steinhauer. „Es muss sich etwas ändern“, sagt Röh. Auch ihre Auszubildende stehe möglicherweise irgendwann vor derselben Frage: Familie oder berufliche Selbstständigkeit. „Das ist ein gesellschaftliches Anliegen, nicht ein rein privates.“

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp