Nach Amoklauf in Hamburg: „Grote ist eindeutig der falsche Mann“
Am 9. März erschoss Philipp F. in Hamburger Räumen der Zeugen Jehovas sieben Menschen – darunter ein ungeborenes Kind. Gab es Versäumnisse? Welche Konsequenzen sind zu ziehen? Oppositionspolitiker haben eine klare Forderung.
Zwei Wochen nach der Amoktat in den Räumen der Zeugen Jehovas in Alsterdorf reißt die Debatte über ein schärferes Waffenrecht und mögliche Versäumnisse im Vorfeld des Verbrechens nicht ab. Oppositionspolitiker forderten am Mittwoch die Rücktritte von Polizeipräsident Ralf Martin Meyer und Innensenator Andy Grote (SPD).
Hamburg: Grote fordert verschärftes Waffenrecht
Extremismusforscher Peter Neumann sagte dem „Spiegel“, das Buch des Täters sei „kein Manifest“. Es finde sich „kein Hinweis darauf, dass Philipp F. ein Attentat begehen will“. Grote forderte bei einem Symposium der Deutschen Polizeigewerkschaft eine Verschärfung des Waffenrechts.
„Wir müssen viel intensiver prüfen: Ist dieser Mensch geeignet, eine Waffe zu besitzen?“, sagte der Senator. „Wir müssen uns schon bei der Erteilung der Waffenerlaubnis ein psychologisches Zeugnis vorlegen lassen.“ Aus diesem müsse hervorgehen, dass der Mensch psychisch geeignet sei, eine Waffe zu besitzen.
Das könnte Sie auch interessieren: Tödliches Versagen: Hamburgs Polizei und der Amoklauf
Am 9. März hatte Philipp F. in Hamburg sieben Menschen – darunter ein ungeborenes Kind – mit Schüssen aus einer halbautomatischen Pistole getötet und sich danach selbst umgebracht. Neun Menschen wurden verletzt. Der Sportschütze hatte ein Buch veröffentlicht, in dem er wirre religiöse Thesen auch im Zusammenhang mit dem Holocaust äußert. Die Zeugen Jehovas wollen am Samstag der Opfer der Amoktat gedenken. Die Gedenkfeier findet nach Angaben eines Sprechers in der Alsterdorfer Sporthalle statt.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will das Waffenrecht verschärfen. Ihr Vorhaben sieht unter anderem ein Verbot von kriegswaffenähnlichen, halbautomatischen Langwaffen für Privatleute vor. Wer eine Erlaubnis zum Besitz einer Waffe beantragt, soll künftig seine psychische Gesundheit nachweisen müssen. Das ist bisher nur für Menschen bis 25 Jahre vorgeschrieben.
Hamburg: Polizei will Waffenbesitzer besser kontrollieren
Als Konsequenz aus der Tat will die Polizei in der Hansestadt Waffenbesitzer künftig besser überprüfen. Ein Fünf-Punkte-Plan solle das Risiko solcher Taten minimieren, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer dem „Hamburger Abendblatt“.
„Dafür optimieren und professionalisieren wir mittels Unterstützung durch die Kompetenzen im Landeskriminalamt die Arbeitsabläufe in der Waffenbehörde“, sagte Meyer. Zudem wolle die Polizei der Bedrohung durch mutmaßlich psychisch erkrankte Personen mit einer intensiveren Gefährdungsanalyse durch Psychologen begegnen.
Das könnte Sie auch interessieren: Amoklauf in Hamburg: Täter war religiöser Fanatiker, aber kein Rassist
Die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft forderte im Zusammenhang mit dem vom Hamburger Amokschützen verfassten Buch den Rücktritt des Polizeipräsidenten. Meyer hatte auf der Pressekonferenz am 14. März erklärt, das Buch „Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan“ sei von der Waffenbehörde nicht entdeckt worden, Experten hätten bestätigt, dass es nicht zu finden gewesen sei. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken räumte der Senat nun jedoch ein, dass das Machwerk den Behörden doch bekannt gewesen sei, diese aber nichts unternommen hätten.
Beamte der Waffenbehörde hatten bei dem Sportschützen keine Auffälligkeiten festgestellt. An der Überprüfung von Waffenbesitzern generell und dem Amokschützen im Speziellen war in Folge vielfach Kritik laut geworden.
Deniz Celik: Meyer und Grote tragen Verantwortung
„Angesichts des anonymen Schreibens mit dem Hinweis auf den Hass des späteren Amokschützen auf die Zeugen Jehovas hätten bei dem Buchtitel dann nun wirklich alle Alarmglocken schrillen müssen“, sagte der Linken-Innenexperte Deniz Celik. Dass dies nicht geschehen sei, sei ein Versagen der Waffenbehörde, für das Meyer und Innensenator Andy Grote (SPD) die politische Verantwortung trügen und Konsequenzen ziehen müssten.
In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Linken erklärte der Senat, dass im Rahmen der Recherche Ende Januar bei der Suche in einer Suchmaschine bei Eingabe des Namens des Täters und des Begriffs „Buch“ keine Treffer erzielt worden seien. „Bei einer weiteren Recherche auf der Webseite des Täters wurde – wie inzwischen rekonstruiert werden konnte – unter ‚Publications‘ das Buch des Täters ‚Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan‘ gefunden.“ Allein den Titel habe die Waffenbehörde aber nicht als ausreichenden Hinweis bewertet, der Zweifel an der waffenrechtlichen Eignung und damit weitere Maßnahmen der Behörde hätten begründen können.
Das könnte Sie auch interessieren: Fehleinschätzung und Falsch-Info der Polizei Hamburg: Neue Wende im Amokfall
CDU-Fraktionschef Dennis Thering forderte derweil den Rücktritt des Innensenators: „Natürlich muss jetzt sichergestellt werden, dass sich solche Pannen mit tragischen Folgen nicht wiederholen, aber Innensenator Grote ist dafür eindeutig der falsche Mann. Er ist für das Amt des Innensenators nicht geeignet, wie er bereits mehrmals unter Beweis gestellt hat“, sagte er der Zeitung „Welt“.
Die Polizei hat Gutachten über das Buch des Amokschützen von Hamburg in Auftrag gegeben. „Es gibt zwei Gutachten zu dem Buch“, teilte eine Sprecherin der Polizei mit. Zu den Inhalten äußerte sie sich zunächst nicht. Man werde die Gutachten, da sie Gegenstand der Ermittlungen seien, aber nicht offiziell vorstellen. Der „Spiegel“ hatte zuvor aus einem Gutachten des Extremismusforschers Neumann zitiert. Demnach handelte Philipp F. mutmaßlich aus religiösen Gründen. Neumann sagte dem Nachrichtenmagazin, „Hass auf christliche Religionsgemeinschaften ist das plausibelste Motiv für die Tat von Philipp F.“