Magath schwärmt von St. Pauli-Profi, der „eigentlich gar nicht schießen“ kann
Wer auf Marcel Hartel als Siegtorschützen im Zweitliga-Topspiel getippt hätte, dem wäre ein satter Wettgewinn sicher gewesen. Der Mittelfeldmann des FC St. Pauli ist nicht als sonderlich torgefährlich und schon gar nicht schussgewaltig bekannt. Seine Spezialität ist das Kilometerfressen, worin er ligaspitze ist. Sein Treffer zum 1:0-Sieg beim 1. FC Heidenheim ist aber zweifellos in die exklusive Kategorie „Traumtor“ einzuordnen.
Jubel, Trubel, Heiterkeit. Nach dem Abpfiff in der Voith-Arena und inmitten der Feierlichkeiten der Kiezkicker mit ihren mitgereisten Fans im Stadion und in der Kabine sprudelten die Worte nur so aus Hartel heraus. Nur einmal geriet er ins Stocken und sagte sekundenlang nichts. Auf die Frage der MOPO, wann er zuletzt in seiner Karriere so schönes Tor wie das zum zehnten Sieg in Serie der Braun-Weißen geschossen habe, musste der 27-Jährige überlegen.
Marcel Hartel glänzt mit Traumtor gegen Heidenheim
„Boah!“, entfuhr es Hartel. „Ich glaube, noch nie. Also noch nie ist jetzt übertrieben … (Pause) … aber es ist schon lange, lange her.“ Strahlendes Lächeln.
Für Trainer Fabian Hürzeler war der Kunstschuss, bei dem Hartel den Ball nach einer Drehung aus der Luft unhaltbar in den linken oberen Winkel des Heidenheimer Tores gewuchtet hatte, ein kleines Wunder. „Cello kann eigentlich gar nicht schießen“, scherzte der Erfolgscoach. „Darum muss das einfach das Tor des Monats werden.“ Seine persönliche Bewertung des siegbringenden Treffers: „Note eins mit Sternchen.“
Felix Magath und Fabian Hürzeler sehen Hartel-Treffer als „Tor des Monats“
Auch Felix Magath, der sich das Spiel im Stadion ansah, war begeistert: „Es war ein sehr schönes Tor, welches auch Tor des Monats werden dürfte.“ Solche Worte hört man von der notorisch nüchternen Trainerlegende selten.
Hartels Treffer war die perfekte Kombination Wucht, Technik, Präzision und Timing. Ersteres ist man von Hartel nicht gewohnt. Manchen seiner Distanzschüsse möchte man eine Scheibe Vollkornbrot hinterherwerfen, um ihnen auf den letzten Metern bis zum Tor noch Kraft zu geben. Diesmal passte einfach alles. „Ein Super-Schuss“, urteilte er selbst treffend.
Kumpel Leart Paqarda sah das etwas anders. „Ausschlaggebend für den Sieg war mein Wahnsinnseinwurf auf Cello, der musste den Ball nur noch reinschieben“, meinte der Linksverteidiger. Ein Scherz, natürlich, der unterstreicht, wie gut die Stimmung und wie groß die Lockerheit derzeit ist.
Leart Paqarada: Hartel „musste den Ball nur noch reinschieben“
Hartels Traumtor war eines mit Vorgeschichte. „Am Donnerstag hatten wir Torschusstraining und da ist einer genauso reingeflogen“, berichtete der junge Familienvater nach der intensiven Partie bei der besten Heimmannschaft der Liga gut gelaunt. „Ich war selbst verwundert, anscheinend hat mein Fuß den abgespeichert. Daher hatte ich einfach das Selbstvertrauen. Ich bin glücklich, dass es auch mal im Spiel geklappt hat und ich der Mannschaft mit dem Tor zum Sieg verhelfen konnte.“
Es war Hartels viertes Saisontor – und es wurde auch mal wieder Zeit. Nummer drei hatte der gebürtige Kölner beim 3:0-Derbysieg gegen den HSV erzielt, am 12. Spieltag, Mitte Oktober. Lange her. Das Warten hat sich gelohnt.
Hartel rennt bei Rekord-Sieg fast 14 Kilometer
Hartel ist vielleicht das perfekte Beispiel dafür, dass den Kiezkickern derzeit einfach alles zu gelingen scheint. Nach dem zehnten Sieg in Serie, mit dem St. Pauli den Zweitligarekord des Karlsruher SC aus der Saison 1986/87 einstellte ist das Selbstvertrauen im Maximalbereich und auf der Stimmungs-Skala von eins bis zehn sind die „Boys in Brown“ mittlerweile bei zwölf angekommen.
„Das ist der absolute Wahnsinn!“, schwärmte Hartel angesichts der Super-Serie. „Ich meine, wir waren nach der Hinrunde einen Punkt vor dem Tabellenletzten. Jetzt sind wir vier Punkte hinter Platz drei. Das ist ein Traum. Einfach unfassbar.“
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Das gilt übrigens auch für seine Laufwerte. Auf dem Rasen der Voith-Arena riss Hartel sagenhafte 13,84 Kilometer ab. „Wenn ich eins besser kann als Torschießen“, meinte er mit einem breiten Grinsen, „ist es laufen.“