„Endlich Klartext“: Warum in der neuen Staffel keine AfD-Politiker zu Wort kommen
Köln –
Abdelkarim (38) ist als deutsch-marokkanischer Comedian für seinen gerne auch mal bissigen Humor bekannt. Egal ob es um die Kölner Silvesternacht oder die AfD geht: Abdelkarim hat kein Problem damit der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten.
Fest steht: Bei Abdelkarim gibt es immer etwas zu lachen, auch wenn Zuschauern das Lachen dabei sogar manchmal im Halse stecken bleibt. Nun schlägt der Komiker in seiner RTLZwei-Sendung „Endlich Klartext“ ungewohnt ernste Töne an.
Immer dienstags um 22.15 Uhr bringt Abdelkarim Politiker und Menschen, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen zusammen.
Im Interview mit unserer Redaktion erklärt er auch, warum er glaubt, dass AfD-Wähler „verarscht“ werden.
Wie bist du als Comedian darauf gekommen eine so ernste Sendung wie „Endlich Klartext“ bei RTLZwei zu moderieren?
Abdelkarim: Das RTLZwei-Produktionsteam und ich wollten eine Polit-Sendung zu ernsten Themen, die aber auch für Leute geeignet ist, die jetzt nicht jeden Tag alle Zeitungen lesen. So geht es den allermeisten Menschen, die ich kenne. Wir wollten dabei echte Menschen aus dem wahren Leben treffen und mit ihnen über Probleme sprechen, die sie betreffen. Und im Optimalfall wird das Ganze mit konkreten Lösungsvorschlägen der Politiker garniert.
Inwiefern kannst du dich mit dem RTLZwei-Format und den Zuschauern identifizieren?
Ich bin genauso. Auch wenn der Wille oft da ist, schaffe ich es einfach nicht, alle Zeitungen zu lesen. Doch ich nehme mir oft vor, mehr zu lesen. Es fängt dabei immer mit der gleichen Devise an: „Ab morgen!“ Das klappt dann mal besser und vor allem schlechter. Ich schaffe es nie, das Level zu erreichen, das Politiker und Fachleute haben – oder auch den Wissensstand der betroffenen Leute zu erreichen, die wir bei „Endlich Klartext“ besuchen. Der Alltag dieser Menschen dreht sich ganz oft um das Problem, das sie haben. Zum Beispiel um Armut oder die Pflege kranker Angehöriger. Da kann ich als Unbeteiligter noch so viel lesen und mich schlau machen, das schaffe ich nie, mich da einzufühlen.
Fehlt dir an der RTLZwei-Show der Humor oder konntest du bei den Dreharbeiten trotz der ernsten Themen ab und zu lachen?
Nein, überhaupt nicht. Das ist zwar keine Comedy-Sendung, bei uns steht die Sache im Vordergrund. Aber bei aller Ernsthaftigkeit gab es auch mal lustige Momente. Auch ausgehend von den Betroffenen und Politikern. Es war keine Trauerstimmung.
Welche Menschen sind dir in der Sendung begegnet?
Wir befassen uns in der Sendung nicht mit irgendwelchen exotischen Einzelschicksalen. Uns war wichtig, Probleme anzusprechen, die wirklich exemplarisch für Missstände stehen, die in ganz Deutschland vorkommen. Da gehört die Pflege Angehöriger natürlich dazu. Die Hartz-IV-Empfänger und andere Betroffene sollen die Gelegenheit nutzen und wirklich mal einen Ansprechpartner aus der Politik festnageln. Frei nach dem Motto: „Hör mal zu, nett gemeinte Ideen, die ihr dahabt, aber ich habe DIESES konkrete Problem. Wie könnt ihr mir helfen?“
Ist es zwischen Politikern und Betroffenen bei so einer Konfrontation mal zu handfestem Streit gekommen?
Wenn Betroffene und Politiker streiten und Argumente austauschen, dann wird es auch schnell mal ein bisschen lauter. Aber es war immer eine Diskussion mit Niveau und auf einem angemessenen Level. Gegen Streit an sich ist ja erst einmal nichts einzuwenden.
Wer hat dich bei „Endlich Klartext“ am Meisten beeindruckt?
Ich fand die Betroffenen alle bewundernswert. Die haben heftige Probleme. Die Politiker und ich sind nur echt kurz in die Lebenswirklichkeit der Menschen eingetaucht und trotzdem fanden wir ihren Alltag nicht ohne. Die haben da Einiges zu stemmen und zu regeln. Das ist schon sehr bewundernswert.
Immer wieder ist Hart-IV und Armut Thema: Könntest du von 432 Euro im Monat leben?
Bei Luise Jahnke, einer Betroffenen aus meiner Sendung, war das schon krass zu hören. 145 Euro, das ist der Hartz-IV Nahrungsmittel-Anteil. Das sind 4,77 Euro am Tag. Das ist schon sehr wenig. Gesellschaftsteilnahme ist damit fast unmöglich. In Deutschland muss zum Glück keiner verhungern. Trotzdem gibt es ja Menschen, die zwar nicht verhungern, aber für die es sehr schwer ist, am Leben teilzuhaben. Luise hat auf dem Wochenmarkt viele leckere Sachen gesehen und weiß immer ganz genau: Das kann ich mir nicht leisten. Das ist hart.
Denkst du, dass der Hartz-IV-Satz erhöht werden muss?
Natürlich finde ich, dass 4,77 Euro am Tag für Lebensmittel auf jeden Fall zu wenig sind. Ich bin aber kein Fachmann, der das entscheiden kann. Ich habe den größten Respekt vor den Menschen, die es schaffen, davon zu leben. Ich habe aber auch einen Riesen-Respekt vor den Politikern, die irgendeine Lösung für alle finden müssen. Das ist ein sehr heikles Problem. Nur die Summe betrachtet, macht der Hartz-IV-Satz ein menschenwürdiges Dasein aber unmöglich. Ich hoffe sehr auf eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung.
Wirst du bei „Endlich Klartext“ auch mit AfD-Politikern über diese Problematik sprechen?
In der ersten Staffel haben wir mit einem AfD-Politiker gesprochen. In der jetzigen zweiten Staffel haben wir aber einen Schwerpunkt: Sozialthemen. Und wir konnten nur Politiker aus Parteien nehmen, die auch wirklich ein Programm zu Sozialthemen anbieten. Das ist bei der AfD leider nicht der Fall.
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Vor zwei Jahren hast du die AfD als Rassisten-Partei bezeichnet, wie siehst du die Partei heute?
Ich finde, man muss mit allen Menschen sprechen. Man muss Rassisten mit Argumenten klar machen, dass sie auf dem komplett falschen Weg sind. Die AfD ist verfassungsfeindlich und die Inhalte, die sie propagieren, haben mit den Grundrechten in Deutschland überhaupt nichts zu tun.
Bei vielen AfD-Politikern merkt man, dass das Sprechen überhaupt keinen Sinn hat. Die wollen nur noch die Gesellschaft anzünden und aufhetzen. Aber: Vor allem mit AfD-Wählern kann man gar nicht oft genug sprechen. Ich bin mir leider Gottes sehr sicher, dass die meisten AfD-Wähler sich auf gut Deutsch von der Partei verarschen lassen. Die AfD liefert einen Cocktail aus Angstmache und Aufhetzen. Ich gehe auch optimistisch davon aus, dass die meisten AfD-Wähler keine Rassisten sind, aber was diese These angeht, gehen mir langsam die Argumente aus.
Die Betroffenen in deiner Sendung sind oft von der Politik genervt: Was nervt Dich an Politikern regelmäßig?
Demokratie ist oft sehr langsam, aber das gehört eben einfach dazu. Abwägen, Kompromisse finden, das braucht schon viel Zeit und Geduld. Was mich manchmal nervt, sind einige Politiker in Talkshows und die Art, wie sie sich dort präsentieren. Wenn Politiker einfach nur ihre Parolen und Sichtweisen raushauen. Das liegt nicht an den Talkshows, es gibt auch gute Formate. Aber bei den Politikern, habe ich dann oft den Eindruck, dass sie jetzt eine Stunde Zeit haben und einfach nur unbedingt zeigen wollen, dass sie jetzt recht haben. Einen Satz, den man in Talkshows von Politikern nie hört: „Da haben Sie Recht, so habe ich das noch nie gesehen.“ Das wäre mal eine Abwechslung.
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Erlebst du die Menschen in deinem Umfeld nach der umstrittenen Ministerpräsidentenwahl in Thüringen politikverdrossener?
Nein. Ich höre Menschen eigentlich ständig über Politik reden. Und das In der Trinkhalle, in der Straßenbahn, im Freundeskreis. Und das sind dann keine Stammtischparolen, sondern ernsthafte Gespräche über die Politik und die Gesellschaft. Ich kann also keine aufkommende Politikverdrossenheit bestätigen. Ich höre öfter Leute über Politik sprechen, als über Fußball oder das Dschungelcamp. Dass sich Menschen über die Thüringen-Tragödie aufregen, ist klar. Das war ja wirklich sehr tragisch. Ich meine ein bisschen Geschichtsverständnis traue ich demokratischen Politikern ja schon zu. Da müssen sich die Politiker Vorwürfe gefallen lassen.
Abdelkarims Sendung: „Endlich Klartext– Der große RTLZWEI Sozial-Check“ läuft immer dienstags um 22.15 Uhr und auf TVNOW.
Der Comedian ist aktuell mit seinem Programm: „Staatsfreund Nr.1“ in Deutschland auf Tour. Abdelkarim tritt unter anderem noch in Düsseldorf (18.03.) und Dortmund (03.04.) auf.