Aufnahme von Fridays for Future-Sprecherin Annika Rittmann
  • „Fridays for Future“-Sprecherin Annika Rittmann. (Archivbild)
  • Foto: IMAGO/Eibner

„Elitär und selbstgerecht“: Grüne und „Fridays for Future“ attackieren Klima-Kleber

Für die nächsten Tage planen Klimaaktivisten wieder Störaktionen, diesmal in Berlin. Aber nützt radikaler Protest der Klimasache? „Fridays for Future“ und die Grünen haben dazu eine klare Haltung.

Vor der nächsten Protestwelle der Klimagruppe „Letzte Generation“ nächste Woche geht die Bewegung „Fridays for Future“ klar auf Distanz. „Die Klimakrise braucht gesamtgesellschaftliche Lösungen, und die finden und erstreiten wir nur gemeinsam und nicht, indem wir Menschen im Alltag gegeneinander aufbringen“, sagte Sprecherin Annika Rittmann aus Hamburg. Auch von den Grünen im Bundestag kam deutliche Kritik.

Grünen-Politikerin: Den harten Alltag nicht zusätzlich erschweren

„Mit ihrem elitären und selbstgerechten Protest bewirkt die „Letzte Generation“ das Gegenteil dessen, was wir in der aktuellen Lage bräuchten, nämlich eine breite Bewegung in der Gesellschaft, für konsequente Klimaschutzpolitik“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin Irene Mihalic. Man solle Menschen „nicht verprellen durch Aktionen, die den ohnehin harten Alltag noch zusätzlich erschweren“.

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Die „Letzte Generation“ blockiert seit Anfang 2022 immer wieder in deutschen Städten den Verkehr und erntet dafür die Wut der Autofahrer. Für kommende Woche hat sie massive Störungen in Berlin angekündigt. Sie fordert unter anderem Tempo 100 auf Autobahnen und ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket für Bus und Bahn. Schon diese Woche plant die Klimagruppe „Extinction Rebellion“, abgekürzt XR, ebenfalls Proteste mit zivilem Ungehorsam in der Hauptstadt.

Umfragen zeigen, dass viele Bürger diese Protestformen ablehnen. Im November sagten vier von fünf Befragten in einer Civey-Studie, dass Aktionen wie Straßenblockaden dem Anliegen Klimaschutz eher schaden als nützen.

Protestforscher: „Sie haben keinen wirklichen Druck aufgebaut“

„Fridays for Future“ setze aus gutem Grund seit jeher auf andere Protestformen, sagte Sprecherin Rittmann. Von Blockaden der „Letzten Generation“ in Hamburg seien zuletzt insbesondere Pendler und Pendlerinnen betroffen gewesen, „die es sich weder leisten können, in der Hamburger Innenstadt zu wohnen, noch durch den mangelnden Ausbau den ÖPNV nehmen können. Ähnliches ist in Berlin zu befürchten.“

„Fridays for Future“ ist inspiriert vom „Schulstreik“ der Schwedin Greta Thunberg und organisiert immer wieder große Demonstrationen. Die Gruppe „Letzte Generation“ ist viel kleiner, erzielt aber viel Aufmerksamkeit. Oft kleben sich die Aktivisten fest, nicht nur auf Straßen, sondern auch in Museen oder Sportstadien.

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Ob Störaktionen und Blockaden der Klimasache wirklich schaden, ist aus Sicht des Berliner Protestforschers Dieter Rucht vorläufig schwer zu beurteilen. Die Demonstrationen von „Fridays for Future“ seien zwar häufig wohlwollend zur Kenntnis genommen worden. „Aber sie haben keinen wirklichen Druck aufgebaut“, sagte Rucht. Wenn es konkret werde und an den Geldbeutel gehe, wie jetzt beim Tausch von Heizungen, würden Menschen zögerlich. Eine Gegenbewegung wie die Gelbwesten sei aber auch nicht zu erwarten, die gehe auf spezifisch französische Bedingungen zurück.

Störmanöver der „Letzten Generation“ könnten auch „Fridays for Future“ nützen

Ruchts Einschätzung zur Wirkung der „Letzten Generation“: „Auf kurze Sicht verhärtet sie den Diskurs eher. Langfristig schärft sie die Positionen und zwingt dazu, sich zu bekennen. Ich vermute, dass dies zusammen mit den absehbaren Auswirkungen der Klimaproblematik die Stimmung eher zugunsten schärferer Klimamaßnahmen beeinflusst.“

Die Studie Pace der Universität Erfurt legt nahe, dass die Störmanöver der „Letzten Generation“ letztlich auch „Fridays for Future“ nützen könnten. „Fridays for Future wurde als weniger radikal bewertet und mehr unterstützt als die Letzte Generation“, schreiben die Pace-Forscher zu ihrer jüngsten Befragung mit rund 1000 Personen.

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Dabei fanden 51 Prozent den „globalen Klimastreik“ von „Fridays for Future“ am 3. März „radikal“. 64 Prozent unterstützten die Aktion trotzdem. Dass die „Letzte Generation“ am 5. März das Grundgesetz-Denkmal in Berlin mit schwarzer Farbe überschüttete, nannten 79 Prozent „radikal“. Nur 24 Prozent unterstützten dies.

Die „Letzte Generation“ war für eine Reaktion auf die Kritik zunächst nicht zu erreichen. In einer automatischen E-Mail-Antwort hieß es: „Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir bis zum 12.04. eine Pause einlegen, um Kraft für die anstehende Protestphase zu tanken.“

„Extinction Rebellion“: „Wir versuchen, die Menschen abzuholen.“

„Extinction Rebellion“ ist eine organisatorisch getrennte Gruppe, die aber ebenfalls Protestformen des zivilen Ungehorsams nutzt und ähnliche Ziele verfolgt, etwa einen per Los bestimmten Klima- oder Gesellschaftsrat. Sprecher Florian Zander sagte: „Ziviler Ungehorsam soll Aufmerksamkeit auf ein Thema lenken. Und es ist viel Aufmerksamkeit erregt worden.“

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XR wolle mit „ironischen, bildstarken, performativen“ Aktionen in Berlin von Donnerstag bis Sonntag vor allem auf das Artensterben hinweisen, sagte Zander. „Wir versuchen, die Menschen abzuholen.“ Nötig sei Protestvielfalt, und dafür gebe es auch Verständnis. Das „störende Element“ solle zum Nachdenken anregen. Das dürfte zum Tragen kommen, wenn am Samstag im Osterrückreiseverkehr Aktivisten mit Fahrrädern auf der Berliner Stadtautobahn demonstrieren.

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