Stehplatz-Verbot fürs Millerntor?: Wegen Corona: St. Pauli in der Zuschauer-Klemme
Die DFL hat Fakten geschaffen. Am 18. September startet die neue Saison in der 1. und 2. Bundesliga. Für diesen Spätstart hatte auch der FC St. Pauli gestimmt. Die brennendste Frage für die Fans: Dürfen dann wieder Zuschauer ins Stadion – und wenn ja, wie viele?
Der Kiezklub arbeitet an einem Zuschauer-Konzept und bindet dabei seine Anhänger ein. Es gibt viele offene Fragen, Hindernisse, aber auch Grundsatzdebatten. Ein großes Problem und heißes Eisen: die vielen Stehplätze im Millerntorstadion!
Wegen Corona: FC St. Pauli in der Zuschauer-Klemme
Mit Hochdruck ist beim FC St. Pauli eine Arbeitsgruppe am Werk, um den zuständigen Behörden der Hansestadt in den kommenden Wochen ein Hygiene- und Sicherheitskonzept für die Durchführung von Heimspielen vorlegen zu können.
„Es werden aktuell verschiedene Szenarien erarbeitet“, erklärt Martin Urban, Geschäftsleiter Operations beim Kiezklub. Das Konzept müsse „dynamisch anpassbar sein, um abhängig von der aktuellen Entwicklung des Infektionsgeschehens reagieren zu können.“
FC St. Pauli arbeitet an Konzept für Heimspiele mit Zuschauern
Schon jetzt steht fest: eine zufriedenstellende Lösung wird es nicht geben können angesichts eines Stadions, das quasi immer ausverkauft ist. „Wir alle wünschen uns ein volles Millerntor“, sagt Urban. „Alles andere sind nur Kompromisse auf dem Weg dorthin.“
Die Sache ist hochkomplex und hochkompliziert.
Zum einen ist da die wirtschaftliche Frage: Zuschauer im Stadion bedeuten Einnahmen. Allerdings nur ab einer bestimmten Anzahl, denn die Durchführung eines Spieltages mit Publikum kostet Geld (Security, Reinigungskräfte, Catering).
Millerntor: Ab welcher Zuschauerzahl macht St. Pauli kein Minus?
Was genaue Zahlen angeht, hält man sich beim Kiezklub bedeckt, um nicht in den Verdacht zu geraten, Forderungen an die Politik zu stellen, die jedoch die Vereine aufgefordert hat, darzulegen, ab welcher Zuschauerzahl der Betrieb des Stadions kein Minusgeschäft mehr ist.
Für das 29546 Plätze bietende Millerntor dürften dafür 10000 bis 12500 Zuschauer nötig sein, also rund ein Drittel.
Trotz unsicherer Corona-Lage haben gerade erst nahezu alle der 15500 Dauer- und Jahreskarten-Kunden ihre Tickets für die Saison 2020/21 verlängert.
Hamburg muss Zuschauerkonzept von St. Pauli und HSV absegnen
Doch selbst wenn Hamburg dem Kiezklub und dem HSV – wie derzeit von RB Leipzig geplant und von der Stadt unter Vorbehalt abgesegnet – eine 50-prozentige Stadionauslastung genehmigen würde, wäre das noch keine einfache Lösung, alle Fans mit Dauer- und Jahreskarten unterzubringen, denn die meisten könnten gar nicht auf ihren angestammten Plätzen die Spiele verfolgen.
St. Paulis Problem: Die vielen Stehplätze. Rund 17000 sind es am Millerntor, fast 60 Prozent. Nach MOPO-Informationen haben sich DFL und Politik grundsätzlich darauf verständigt, dass keine Zuschauer in Stehplatzbereichen erlaubt sind, weil dort die Abstandsregelungen nur schwer einzuhalten bzw. zu kontrollieren seien. Auch soll es bis auf weiteres keine Gästefans in den Stadien geben.
DFL-Verbot für Stehplätze? Für St. Pauli ein Albtraum
Fast alle aktuellen Hygienekonzepte für Sportveranstaltungen mit Zuschauern basieren auf Sitzordnungen und Modellen mit Abständen von Sitzplätzen.
Für das Millerntor hieße das: Keine Fans im Stehbereich Südtribüne, wo die Ultras für Stimmung sorgen, keine Zuschauer im Stehbereich Nord. Und auf der Gegengerade fielen sogar 10000 Stehplätze weg und blieben nur 3000 Sitzplätze, von denen wegen der Abstandsregelungen allenfalls die Hälfte genutzt werden könnten.
FC St. Pauli: Teil-Zulassung von Zuschauern ein drohendes Minusgeschäft
Damit wäre man bei der Grundsatzfrage, die bei St. Pauli diskutiert wird: Ist eine Teil-Zulassung von Zuschauern angesichts dieser Widrigkeiten überhaupt gewollt?
Die Anhänger sind bei St. Pauli in die Planungen involviert. Man befinde sich „in einem stetigen Austausch mit unseren Fans und der DFL“, so Urban.
Nach MOPO-Informationen gibt es beim Kiezklub und auch bei anderen Vereinen durchaus unterschiedliche Auffassungen zur Teil-Zulassung von Zuschauern.
Millerntor: 17000 Stehplätze wären betroffen
Die einen stehen auf dem Ganz-oder-gar-nicht-Standpunkt: Entweder ein volles Stadion oder Geisterspiele, keine Umverteilung von Fans, kein Los-Verfahren. Union Berlin will gar allen Fans einen Corona-Test bezahlen, damit die Alte Försterei wieder voll werden kann. Die andere Fraktion ist der Meinung: Lieber wenige Fans als gar kein Support.
Sollten Stehplätze tatsächlich bis auf weiteres verboten werden, stünden am Millerntor ohnehin nur noch rund 13000 Sitzplätze zur Verfügung, von denen maximal die Hälfte genutzt werden dürften. Es sei denn, der Verein wandelt Stehplätze in Sitzplätze um, was mit Kosten verbunden wäre.
Verzichtet St. Pauli freiwillig auf Spiele mit Zuschauern?
Maximal 6500 Zuschauer bei Heimspielen am Millerntor scheinen nach aktuellem Stand realistisch. Es wäre ein Minusgeschäft – und ein nicht einmal zu einem Viertel gefülltes Millerntor ein ziemlich trostloser Ort.
Nicht ausgeschlossen, dass St. Pauli unter diesen Umständen sogar freiwillig bis auf weiteres auf Zuschauer verzichtet.
Hamburger Senat will erst Ende August über Lockerungen entscheiden
Der Hamburger Senat will frühestens zwei Wochen nach Ende der Sommerferien (5. August) über mögliche Lockerungen und Ausnahmegenehmigungen entscheiden – auf Basis der dann vorliegenden Infektionszahlen.