Trauer auf St. Pauli: Legendärer „Crazy Horst“-Wirt ist tot
Seine Kneipe „Crazy Horst“ auf St. Pauli ist legendär, ebenso seine heisere Stimme und sein großes Herz. Jetzt ist Kneipenwirt Horst Schleich im Alter von 78 Jahren für immer verstummt. Wie seine Freundin Sarah Matberg bekanntgab, ist „unser lieber Horsti vorgestern für immer eingeschlafen.“ In seiner Kneipe traf sich jahrzehntelang eine bunte Mischung aus Promis, Prostituierten, SM-Szene, Politikern und neugierigen Jedermännern.
Es ist eine kleine Welt in der großen: Auf 40 Quadratmetern der Hein-Hoyer-Straße 62 treffen sich seit 40 Jahren Kiezianer, oft spät nach durchzechter Nacht oder einem Besuch im Swingerclub. Legendär sind vor allem die Feste morgens ab vier Uhr, wenn früher andere Kneipen noch Sperrstunde hatten und alle Nachteulen hier Asyl suchten.
Mit Domenica Niehoff, der wohl berühmtesten Prostituierten Deutschlands, verband ihn eine jahrelange Freundschaft, sie wohnte lange über der Kneipe. Zu Gast waren in all den Jahren aber auch prominente Schauspieler wie Ulrich Tukur, der hier Schifferklavier spielte („ein guter Freund“), Eva Mattes, Drafi Deutscher („hat sich benommen wie ein Arsch“) und sogar Bratt Pitt („dreckige Jogginghose und derber Geruch“). Der war so beeindruckt von dem großherzigen freundlichen „Schnacker“, dass er ihn später an seinem Geburtstag in der Kneipe anrief und gratulierte. Getrunken wurde am liebsten Horstis eigene Kreation „VoTi“ – Vodka und Kaffeelikör.
„Crazy Horst“: Ulrich Tukur und Bratt Pitt waren hier zu Gast
Seine Gesundheit war seit einigen Jahren nicht mehr die beste, 2019 hatte Horst Schleich, der aus einem Dorf in der Nähe von Kassel stammt, einen Herzinfarkt und zog sich zunehmend zurück, stand kaum noch hinterm Tresen. „Ich liege mehr auf meinem Wasserbett, aber ich mach weiter, bis ich hier mit den Füßen zuerst rausgeschleppt werde“, sagte Schleich 2020 bei einem Interview mit der MOPO. In die Kneipe ging er zu dem Zeitpunkt nur noch, wenn gute Freunde sich ankündigten.
Schleich ist offenbar in seinem geliebten Wasserbett ohne Schmerzen sanft entschlafen. „Ich habe ihn gestern friedlich und schön in seinem Bettchen eingekuschelt gefunden“, schreibt Freundin Sarah Matberg auf Facebook. Schleich war nicht verheiratet – er hatte eine Tochter, aber zu der bestand von Geburt an kein Kontakt.
Horst Schleich gründete in Hamburg auch das legendäre Molotow
Der gebürtige Hesse war Sohn eines Oberamtsmanns bei der Bahn und in den 60er Jahren nach Hamburg gekommen, seine Tante lebte in Wandsbek und er konnte hier dem strengen Regiment seiner Mutter entfliehen. In der Heimat habe es viel zu oft geheißen „dies tut man nicht, das tut man nicht“, erzählte Schleich der MOPO. Das nötige Geld für den Start in Hamburg hatte er schnell. Denn Schleich entpuppte sich als guter Verkäufer, zunächst für Getränkeautomaten, später Waschmaschinen. Bis er endlich seinen Traum von der eigenen Kneipe wahr machen konnte. Schleich gründete etwa auch das legendäre Molotow.
Seine heisere Stimme hatte Schleich noch nicht immer, er war zwar selbst kein Raucher, aber durch das ständige Gequarze in der Kneipe litt er passiv und es bildete sich ein Krebs. Schleich musste sich die Stimmbänder entfernen lassen und das Sprechen ganz neu lernen. Zurück blieb die heisere Stimme. Die schwere Zeit war auch der Grund, warum er sich vom Molotow trennte.
Horst Schleich: Ein gefühlsbetonter Esoteriker, der sich um die Menschen kümmerte
Der Mann, der sich selbst als Esoteriker bezeichnete und ein sehr gefühlsbetonter Mensch war („die Kinderlocke, die meine Mutter mir mit vier Jahren abgeschnitten hat, die habe ich noch immer“), konnte einfach immer gut mit Menschen umgehen und war ein toller Zuhörer. Er schnackte jeden Streithahn aus einer Wut heraus, wie er selbst einmal erzählte. „Am Ende lagen die sich weinend in den Armen“. Das war wohl das Geheimnis seines Erfolges als Kneipenwirt, den alle schätzten. Er gab den Menschen ein gutes Gefühl und kümmerte sich.
Das könnte Sie auch interessieren: Hamburger Rotlichtgröße: Der schöne Klaus vom Kiez ist tot
Horst Schleich soll laut seiner Freundin bald auch eine Trauerfeier bekommen. Auf der können dann „alle gemeinsam in Erinnerungen schwelgen, trauern und uns gegenseitig Trost spenden“. Aktuell kümmere sich die Familie um alles nötige und bitte darum, etwas Geduld zu haben. „Matbergs Appell: „Lasst uns unseren Horsti gebührend verabschieden und seiner gedenken!“