Unterschätzt, gesetzt!: Mit Rico Benatelli ist der FC St. Pauli besser
In der Hinserie war er der Verschmähte, in diesem Jahr ist Rico Benatelli der Gesetzte – und obendrein ein Erfolgsfaktor für den FC St. Pauli. Auch beim Liga-Neustart nach der Corona-Pause stand der Mittelfeldmann in der ersten Elf. Beleg seines neuen Stellenwertes bei den Kiezkickern und vor allem bei Cheftrainer Jos Luhukay.
Zum siebten Mal in Serie hatte der defensive Mittelfeldspieler beim 1:0-Heimsieg gegen den 1. FC Nürnberg im gähnend leeren Millerntor in der Startelf gestanden. Und zum fünften Mal in Serie sind die Braun-Weißen unbesiegt vom Platz gegangen.
Benatellis Bilanz in seinen sieben Spielen von Beginn an kann sich mehr als sehen lassen: Drei Siege, drei Unentschieden, nur eine Niederlage in Kiel (1:2), „und die“, gibt er zu, „ärgert mich immer noch“. Obwohl die Partie beim Nordrivalen, die St. Pauli aufgrund eines verschossenen Elfmeters in der Nachspielzeit verloren hatte, schon drei Monate zurück liegt.
FC St. Pauli ist mit Rico Benatelli erfolgreicher
„Es hat mich gefreut, dass ich in der Startelf stand“, sagt der 28-Jährige, der in den ersten 16 Saisonspielen überhaupt nicht zum Zuge gekommen war, nur einmal überhaupt im Kader gestanden und phasenweise in einer zweiten Trainingsgruppe, getrennt vom Kern des Kaders, trainiert hatte. Ohne eine Erklärung des Trainers, wie Benatelli berichtete.
Abgehakt. „Meine Anfangszeit war nicht so schön“, macht der Abräumer, der als defensiver Sechser agiert, keinen Hehl aus der Vergangenheit. „Es ist schön, dass sich das Blatt gewendet hat.“
Jos Luhukay setzt auf den Mittelfeld-Routinier
Gut für Benatelli – gut für St. Pauli!
Ohne den Strategen hatten die Kiezkicker in 17 Spielen 18 Punkte geholt (Schnitt 1,05), in den neun Spielen, in denen er eingesetzt worden ist, 15 Zähler (Schnitt 1,67).
Der Mann ist zweifellos ein Faktor, macht Defizite im Bereich Schnelligkeit mit Ballsicherheit, Ruhe, Übersicht und Präzision im Passspiel wett. Benatelli ist ein Stabilisator.
Corona: In der Pause trainierte Benatelli in der Luhukay-Gruppe
Luhukay weiß (mittlerweile), was er an dem Routinier hat. „Der Trainer respektiert meine Leistung. Das Verhältnis zum Trainer ist sehr gut“, erklärt Benatelli auf MOPO-Nachfrage. Er fühlt sich wertgeschätzt.
Möglicherweise hat die Corona-Pause den Draht zwischen Spieler und Coach noch verbessert und das Vertrauen gestärkt. Als St. Pauli bis vor kurzem noch in Klein-Gruppen trainiert hatte, gehörte Benatelli dem vom Chefcoach am Millerntor betreuten Quintett an. „Wir haben viel Zeit verbracht.“
Rico Benatelli vermisst die Fans am Millerntor
Seinen Status als Stammspieler hat er sich jedoch hart erarbeitet, auf dem Rasen. „Es ist ein tolles Gefühl, dass ich mich nie aufgegeben, immer an mich geglaubt und meine Chance genutzt habe“, offenbart Benatelli. „Das macht mich stolz.“ Sofort fügt er an, dass das jedoch kein Grund sei, sich „darauf auszuruhen.“ Er will weiter Gas geben, spielen, Punkte sammeln.
So gut es sportlich für St. Pauli und ihn selbst gerade läuft: Spiele und auch Siege ohne Zuschauer sind nicht das Wahre. „Ich hatte vorher noch kein Geisterspiel erlebt“, berichtet Benatelli. Das Spiel gegen Nürnberg im leeren Millerntorstadion sei „eine komische Situation“ gewesen. „Mit 30000 Fans im Rücken ist es immer eine besondere Atmosphäre, die gefehlt hat.“
Geisterspiel am Millerntor eine „komische Situation“
Trotz der Null-Stimmung und den vielen Corona-Maßnahmen sei die Freude darüber, wieder „spielen zu dürfen“, wie Benatelli es formuliert, „einfach riesig“ gewesen. „Dann nimmt man das in Kauf“
Bedenken oder Sorgen, dass auf dem Rasen eine höhere Ansteckungsgefahr herrsche, wenn sich Spieler im Zweikampf begegnen oder bei Eckbällen auf Tuchfühlung gehen, habe er „eigentlich nicht“ gehabt, sagt Benatelli. „Im Spiel ist man total fokussiert, und man hat ein gutes Gefühl, weil man regelmäßig getestet wird.“
Coronavirus: Benatelli hat keine Angst vor Ansteckung im Spiel
Der ruhige Rechtsfuß ist überzeugt, dass sich die Spieler an die neuen Maßnahmen, Gegebenheiten und auch Widrigkeiten gewöhnen werden. „In den kommenden Wochen wird das keine Rolle spielen.“
Nur an die leeren Stadien kann und will er sich nicht gewöhnen, schon gar nicht an ein Geister-Millerntor. „Ich hoffe, in naher Zukunft wieder mit unseren Fans einen Sieg feiern zu können.“