„Bestimmt ganz schön prickelnd“: Ex-St. Pauli-Boss legt sich mit UEFA und DFL an
Der frühere DFL-Geschäftsführer und St. Pauli-Boss Andreas Rettig erwartet durch den neuen Verteilungsschlüssel der TV-Erlöse eine Zementierung der Verhältnisse – und warnt die Fußballbranche vor dem Bedeutungsverlust. Er teilt gegen die DFL und die UEFA aus.
Rettig hat die Hoffnung aufgegeben. Ein deutscher Meister, der nicht Bayern München, Borussia Dortmund oder RB Leipzig heißt? „Das werde ich, bevor ich in Rente gehe, nicht mehr erleben. Und das bedauere ich“, sagte der frühere DFL-Geschäftsführer.
Verantwortlich für seinen abhanden gekommenen Glauben an eine Sensation macht der 57-Jährige nicht zuletzt das Gebaren seines früheren Arbeitgebers. Die DFL sei „nur noch ein Vermarktungsverband“, erklärte Rettig.
Ex-St. Pauli-Boss Rettig: „Die Fraktion Weiter so hat sich durchgesetzt“
Die DFL unter der Führung seines einstigen Co-Geschäftsführers Christian Seifert handelte zuletzt herausragend dotierte TV-Verträge aus. Das stört Rettig nicht – sehr wohl aber, wie das Geld in der 1. und 2. Bundesliga verteilt wird.
„Die Fraktion Weiter so hat sich durchgesetzt. Es ist kein Schritt nach vorne, sondern ein Schritt zur Seite über die vier Jahre“, kommentierte Rettig den Beschluss der virtuellen Mitgliederversammlung vom Montag. Diese Verteilung helfe „tendenziell den international ausgerichteten Klubs“.
Rettig: „Für die kleineren Klubs gäbe es nur ein Beruhigungszückerle“
Es gebe für die kleineren Klubs „ein Beruhigungszückerle in den ersten beiden Jahren, das danach wieder einkassiert wird“, erklärte der ehemalige Manager der Bundesligisten SC Freiburg, 1. FC Köln, FC Augsburg und FC St. Pauli.
Rettig weiter: „In den Jahren drei und vier wird es weniger werden im Vergleich zu den wirtschaftlich starken Klubs.“ Dann sinkt der Anteil der wichtigsten Säule „Gleichverteilung“ von 53 auf 50 Prozent.
„Ungleiche Verteilung wird zu einer sich weiter öffnenden Schere führen. Die Vereine, die diese Lücke ausgleichen wollen, werden in die Arme von Investoren getrieben, wenn sie sportlichen Erfolg haben wollen“, prophezeit Rettig: „Sie müssen letztlich genau diese Lücke ausgleichen, die immer größer wird. Das ist durch gutes Management, gute Trainerleistung und gute Nachwuchsarbeit kaum noch zu schaffen.“
Der Solidaritätsbegriff hat sich leider verschoben
Die Klubs hatten monatelang um die Verteilung der Medieneinnahmen gestritten. Zuletzt folgte auf das Positionspapier der „Kleinen 14“ (vier Bundesligisten und zehn Zweitligisten) die Retourkutsche der „Großen 15“ (14 Bundesligisten und Zweitligist HSV) mit dem von Branchenführer Bayern München initiierten Gipfeltreffen.
„Leider hat sich auch der Solidaritätsbegriff verschoben. Früher war der FC Bayern solidarisch mit Bochum und Bielefeld, heute mit Manchester United und Juventus Turin“, äußerte Rettig. Der Leidtragende sei am Ende die Liga: „Wenn das Spannungsmoment leidet, leidet die Gesamtattraktivität, und dann wird sich das bei den zukünftigen Medienerlösen bemerkbar machen.“
Rettig: „Aus den goldenen Steaks werden eher platinbeschichtete“
Weiter warf Rettig dem Profifußball fehlenden Willen zur Reform vor. Deswegen glaubt er auch nicht an nachhaltige Veränderungen durch die von der DFL ins Leben gerufene Taskforce Zukunft Profifußball.
„Das wird keinen großen Erkenntnisgewinn bringen“, sagte Rettig: „Mir fehlt der Glaube, dass diejenigen, denen über Jahre die goldenen Steaks wichtig waren, jetzt aus eigener Kraft eine Kehrtwende hinbekommen. Aus den goldenen Steaks werden eher platinbeschichtete.“
Rettig sieht generell die „gesellschaftliche Akzeptanz“ des Profifußballs in Gefahr: „Seit vielen Jahren stellen wir eine emotionale Entfremdung fest. Durch Corona, die Aktivitäten, Verteilerbeschlüsse, Unstimmigkeiten beim DFB, Korruption bei der FIFA und vieles mehr. Der Fußball steht richtig im Feuer, was das Thema Glaubwürdigkeit angeht.“
Rettig spöttisch: „Ich freue mich über die Teilnahme von RB Leipzig bei der nächsten Copa Libertadores“
Dazu beigetragen hat wohl auch die Einladung der UEFA an den kommenden WM-Gastgeber Katar, außer Konkurrenz an den europäischen Qualifikationsspielen zur Endrunde 2022 teilzunehmen.
„Man sieht, dass sich in der heutigen Zeit mit Kapitaleinsatz jede Grenze verschieben lässt. Mich überrascht überhaupt nichts mehr“, sagte Rettig.
Rettig fügte spöttisch mit Blick auf den zum Red-Bull-Konzern gehörenden Bundesligisten RB Leipzig an, er freue sich „heute bereits auf die Teilnahme von RasenBall bei der nächsten Copa Libertadores. Das wird bestimmt ganz schön prickelnd.“
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Am Dienstagabend hatte die UEFA das Emirat offiziell eingeladen, in der Qualifikationsgruppe A teilzunehmen. Dort tritt das arabische Land gegen Europameister Portugal, Serbien, Irland, Luxemburg und Aserbaidschan an. Als Ausrichter des Turniers muss sich Katar sportlich nicht qualifizieren. (sid)