Prinz Harry startet „Kreuzzug“ gegen Presse
Was er von der britischen „Yellow Press“ hält, daraus macht Prinz Harry schon lange keinen Hehl mehr. Seit er aus dem Palast ausgezogen ist, lässt der Royal keine Gelegenheit aus, gegen den Boulevard zu wettern. Im Juni will Harry in einem Verfahren gegen den „Daily Mirror“ sogar selbst vor Gericht erscheinen und als Zeuge aussagen – als erster ranghoher Royal seit dem 19. Jahrhundert
Selten sind sich königlicher Glanz und royaler Morast so nahe wie dieser Tage: Nur wenige Tage nach der pompösen Krönung von Vater König Charles III. zieht Prinz Harry gegen die britische Boulevardpresse vor Gericht. Es geht um abgehörte Telefonate und illegal erhaltene Informationen, mit denen die Zeitung „Daily Mirror“ Dutzende Artikel über Harry gefüllt haben soll. Der 38-Jährige klagt, die Berichte hätten seine Beziehungen zerstört, er leide an Paranoia. Am 10. Mai beginnt der Prozess gegen den Verlag Mirror Group Newspapers (MGN). Die Klage des Prinzen wurde stellvertretend für mehrere ähnliche Vorwürfe von Prominenten ausgewählt. Insgesamt sollen zunächst vier oder fünf Fälle verhandelt werden.
Zum Auftakt dürfte der Prinz nicht dabei sein, nachdem er erst kürzlich nach einem Blitzbesuch anlässlich der Krönung zu seiner Familie in die USA zurückkehrte. Doch im Juni will Harry selbst vor Gericht als Zeuge aussagen – als erster ranghoher Royal seit dem 19. Jahrhundert. Von einem „neuen Kapitel in Prinz Harrys unerbittlichem Kampf gegen die britische Boulevardpresse“ schrieb die Zeitschrift „New Statesman“.
Mehrere Zeitungen vor Gericht
Beim „Mirror“ soll es nicht bleiben. Harry hat auch Zeitungen aus dem Imperium von Medienmogul Rupert Murdoch verklagt: die „Sun“ sowie „News of the World“, die bereits vor Jahren wegen eines Abhörskandals eingestellt wurde. Es sei ein „endloser Kreuzzug“, kommentierte „New Statesman“. Wie wichtig ihm die Verfahren sind, machte Harry deutlich, als er Ende März überraschend bei einer Anhörung zu seiner Klage gegen den Verlag der „Daily Mail“ in London erschien.
Im ersten Prozess geht es nun um gut 140 Artikel in „Daily Mirror“, „Sunday Mirror“ und „Sunday People“ aus der Zeit von 1996 bis 2010, bei denen die Zeitungen illegal an Infos gekommen sein sollen. Oft im Fokus: Ex-„Mirror“-Herausgeber und Harry-Intimfeind Piers Morgan, heute umstrittener Moderator und Kolumnist, der häufig gegen den Prinzen und dessen Ehefrau Herzogin Meghan stichelt.
Dass der „Mirror“ einst Telefone von Prominenten abgehört hat, ist bekannt. Dutzende Millionen Pfund Schadenersatz musste der Verlag bereits bezahlen. Doch der Prinz, so argumentiert AGM, habe eine Frist verpasst, mehrere Fälle seien verjährt. Zudem seien viele Artikel legal zustande gekommen: Bekannte des Prinzen hätten die Stories zu Geld gemacht oder Höflinge hinterrücks getratscht. Als der „Mirror“ einen Bericht, der damals 17-Jährige sei an Pfeifferschem Drüsenfieber erkrankt, mit „Harry ist an der Kusskrankheit erkrankt“ betitelte, sei die wahre Quelle der damalige Pressechef von Vater Charles gewesen – der mit „Mirror“-Chef Morgan befreundet war.
Dicke Luft im Buckingham Palace
Für Harry ist der Feldzug gegen die berüchtigte „Yellow Press“ eine zutiefst persönliche Angelegenheit. In seiner Biografie und in vielen Interviews seit seinem Auszug in die USA hat er keine Gelegenheit ausgelassen, dem Boulevard eine erhebliche Mitschuld am kalten und teils unmenschlichen Klima im Palast zu geben, über das Ehefrau Meghan öffentlich geklagt hat. Harry verachtet die „Yellow Press“, daraus macht er keinen Hehl. Er gibt ihr die Schuld am Unfalltod seiner Mutter Diana 1997, die in Paris von Paparazzi verfolgt wurde.
Doch es ist nicht nur die Presse. Harry prangert eine unheilige Allianz zwischen Boulevard und Königshaus an. So warf der Fünfte der Thronfolge etwa seiner Stiefmutter Königin Camilla vor, sie habe Informationen durchgestochen, um sich auf seine Kosten in ein gutes Licht zu stellen. Die Anschuldigungen haben Harrys Verhältnis zu Vater Charles sowie Bruder Prinz William erheblich verschlechtert.
Zuletzt wurde im Zuge einer anderen Klage Harrys bekannt, dass William 2020 von Murdochs Verlag „eine sehr große Geldsumme“ erhalten hat, um eine Klage des neuen Thronfolgers abzuwehren. Von einer geheimen Absprache zwischen Palast und Presse ist die Rede.
Angst um das eigene Ansehen
„Der Grund dafür war, eine Situation zu vermeiden, in der ein Mitglied der Royal Family im Zeugenstand sitzen und konkrete Details der privaten und hochsensiblen Voicemails erzählen müsste“, die von einem Reporter der „News of the World“ abgehört worden waren, heißt es in dem Schriftsatz. Die „Institution“ sei unglaublich nervös gewesen und habe um jeden Preis einen neuen Reputationsschaden vermeiden wollen. Explizit wird auf den „Tampongate“-Skandal verwiesen: 1993 wurde ein Telefongespräch zwischen Charles, noch mit Diana verheiratet, und Camilla publik, in dem der Thronfolger scherzte, er wolle als Tampon in der Hose seiner damaligen Geliebten leben.
Das könnte Sie auch interessieren: Harry befeuert Royal-Zoff: „Ich will eine Familie, keine Institution“
„Falls Harry gegen Mirror Group Newspapers gewinnt, könnte dies weite Folgen für die britische Medienbranche haben“, betonte die Zeitung „Guardian“ jüngst. Denn MGN gehört zum Herausgeber Reach, der wiederum viele andere Boulevardtitel betreibt. „Journalisten dieser Ausgaben werden das Gerichtsverfahren nervös verfolgen, da jede hohe Zahlung an Harry die ohnehin wackeligen Finanzen des Unternehmens treffen würde, was bereits zu Entlassungen geführt hat.“
Das könnte Sie auch interessieren: König Charles: So feierte Hamburg seine Krönung
Als sicher gilt, dass sich die Presse, aber auch der Palast in dem Prozess auf neue Details gefasst machen müssen. „Selbst wenn der Herzog von Sussex der Mirror Group kein rechtswidriges Verhalten nachweisen kann, wird er wahrscheinlich eine Art Sieg erringen“, so der „New Statesman“. Harry sei mindestens der moralische Sieger.(dpa)