Der ESC zum Nachlesen: Herzschlagfinale und ein Ende mit Schrecken
Mit Lord of the Lost waren diesmal zwar keine Casting-Sternchen am Start, sondern eine gestandene Rock-Band aus St. Pauli. Das Ergebnis beim Eurovision Song Contest ist trotzdem desaströs.
Liebe Eurovisionisten: Der Live-Ticker verabschiedet sich. Auch wenn das Ergebnis aus deutscher Sicht alles andere als erfreulich war, war es doch ein unterhaltsamer Abend. Stoßen Sie an auf Blut und Glitzer, auf Tätowierungen, Einhörner und natürlich auf Cha-cha-cha!
Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende…
01.15 Uhr: Die Top Ten im Überblick:
1. Schweden 583 Punkte
2. Finnland 526 Punkte
3. Israel 362 Punkte
4. Italien 350 Punkte
5. Norwegen 268 Punkte
6. Ukraine 243 Punkte
7. Belgien 182 Punkte
8. Estland 168 Punkte
9. Australien 151 Punkte
10. Tschechien 129 Punkte
…
24. Serbien 30 Punkte
25. Großbritannien 24 Punkte
26. Deutschland 18 Punkte
01:08 Uhr: Der Sieg sei Loreen natürlich trotzdem gegönnt. Damit geht sie in die ESC-Annalen ein: Außer ihr hat nur der Ire Johnny Logan zweimal beim Eurovision Song Contest gewonnen.
01:06 Uhr: Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht: Aber ich fühle mich gerade etwas wie ein begossener Pudel. Dieses Ergebnis haben Lord of the Lost nun wirklich nicht verdient.
Lord of the Lost: Bittere Niederlage in Liverpool
01:02 Uhr: Herzschlagfinale in Liverpool: Mit Schweden und Finnland sind zwei völlig unterschiedliche Künstler:innen ganz vorn gelandet. Am Ende reicht es dann für das Doppel. Loreen fährt den zweiten ESC-Titel ein.
Wäre nach dem deutschen Publikum gegangen, wäre das Ergebnis übrigens ein anderes gewesen: 12 Fan-Punkte gingen nach Finnland, Schweden bekam nur einen einzigen Punkt.
00.58 Uhr: Wird es doch noch einmal eng für Loreen? Finnland hat gerade unglaublich viele Punkte vom Publikum bekommen und steht derzeit auf Platz 1. Auch Israel kann noch gewinnen. Das Publikum hat einen klaren Favoriten: „Cha-cha-cha!“
00.50 Uhr: Wir bekommen 15 Punkte dazu – insgesamt. Das ist bitter, ganz bitter und bedeutet den letzten Platz.
00.48 Uhr: Nun müssen die Fans liefern: Bislang ist Deutschland auf dem letzten Platz. Das ändert sich aber hoffentlich gleich.
Loreen ganz klare Favoritin der Jurys – Deutschland abgeschlagen
00.10 Uhr: Die Jury der Ukraine vergibt 12 Punkte an Schweden, Deutschland geht leer aus.
Italien ignoriert LotL ebenfalls und belohnt das Einhorn: 12 Punkte nach Israel.
Lettland versorgt Estland mit 12 Punkten, Deutschland: 0.
Niederlande: 12 für Loreen, nüscht für Lord of the Lost.
Malta: Die nächsten 12 für Loreen (ich sag jetzt einfach Bescheid, wenn Deutschland Punkte bekommt).
Moldau: 12 nach Schweden.
Irland: 12 nach Schweden.
San Marino: 12 nach Italien.
Aserbaidschan: 12 nach Israel (ich formuliere das nochmal anders: Ich sage Bescheid, FALLS Deutschland mal irgendwann Jury-Punkte bekommt).
Österreich: 12 nach Italien.
Frankreich: 12 nach Israel.
Finnland: 12 nach Schweden.
Belgien: 12 nach Österreich.
Deutschland: 12 nach Schweden (außer uns haben übrigens nur die Kroaten noch GAR KEINE Jury-Punkte).
Portugal: 12 nach Australien. (jetzt sind wir die Einzigen ohne Jury-Punkte)
Kroatien: 12 nach Italien.
Estland: 12 nach Schweden.
Armenien: 12 nach Israel.
Polen: 12 nach Israel.
Rumänien: 12 nach Italien. (Schweden weiter deutlich vorn mit 194 Punkten. Italien hat 109, Israel 108. Danach folgen Estland mit 78 und Finnland mit 75 Punkten)
Island: DIE ERSTEN PUNKTE FÜR DEUTSCHLAND! Ok, es sind nur zwei. Aber immerhin. Zwölf für Australien.
Serbien: 12 für Slowenien.
Zypern: 12 nach Schweden.
Norwegen: 12 nach Finnland.
Schweiz: 12 nach Tschechien.
Australien: 12 nach Belgien.
Dänemark: 12 nach Schweden.
Spanien: 12 nach Schweden (Ach ja: Deutschland weiter auf dem letzten Platz mit zwei isländischen Punkten).
Israel: 12 nach Schweden.
Schweden: 12 nach Finnland. Cha! Cha-Cha-Cha-Cha!
Georgien: 12 nach Belgien.
Tschechien: EIN PUNKT! FÜR UNS! 12 in die Ukraine.
Slowenien: 12 nach Italien.
Griechenland: 12 nach Belgien.
Albanien: 12 nach Schweden.
Litauen: 12 nach Schweden.
Großbritannien: 12 für Schweden.
340 Punkte. Damit dürfte Loreen der Sieg kaum noch zu nehmen sein. Was Lord of the Lost angeht: Mein Optimismus ist weiter ungebrochen.
Warten auf die Ergebnisse – und Raketen gegen die Ukraine
00.07 Uhr: Zum restlichen Ablauf: Jetzt kommen gleich erstmal die Ergebnisse der Jurys. Danach die der Fans aus aller Welt (buchstäblich: In diesem Jahr durften erstmals auch Fans aus Ländern abstimmen, die nicht am ESC teilnehmen). Und dann wird noch ungefähr 38 Mal verzögert, bis endlich endlich endlich die Krönung stattfindet.
00.00 Uhr: Geisterstunde! Wer noch nicht abgestimmt hat, sollte das jetzt hurtig nachholen: Kurz nach dem dritten Schnelldurchlauf ist dann nämlich Schluss mit lustig. Und in einer Stunde wissen wir dann endlich, ob Loreen das Double holt – oder ob der Pokal vielleicht sogar nach Hamburg kommt…
23.50 Uhr: Zeit für das „Liverpool Songbook“. Eine Hommage an die Bands, die aus dieser Stadt kommen. Den Anfang macht Mahmood aus Italien mit „Imagine“ von John Lennon, dann geht’s in die 80er: Netta aus Israel performt „You Spin Me Round“ von Dead or Alive.
Atomic Kittens „You Can Make Me Whole Again“ kommt vom turmlangen Isländer Dadi Freyr. Die Schwedin Cornelia Jakobs nimmt sich Mel Cs „I Turn To You“ an – warum sie sich dafür in einem Wasserbecken räkeln muss, bleibt aber ihr Geheimnis. Die Liverpoolerin Sonia wurde 1993 beim ESC Zweite und kommt 30 Jahre später noch einmal auf die Bühne: „Better The Devil You Know“.
Duncan Laurence aus den Niederlanden darf sich der Fußball-Hymne schlechthin annehmen: „You’ll Never Walk Alone“ von Gary & The Pacemakers. Ich persönlich bevorzuge eine etwas dreckigere Version, aber das erforderliche Pathos bekommt er gut hin. Hat ja auch einen großen Chor hinter sich.
23.45 Uhr: Der ESC versteht sich als unpolitische Veranstaltung. Doch der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist immer präsent. Manchmal auf brutale Weise: Kurz bevor das ukrainische Duo Tvorchi in Liverpool auf die Bühne ging, beschossen die Russen die Heimatstadt der Musiker, Ternopil in der Westukraine. Das berichtet die dpa unter Berufung auf den Vorsitzenden des Gebietsrates. Über Schäden oder Opfer ist bisher nichts bekannt.
Ruf! Mich! An!
23.40 Uhr: Die Anruf-Punkte sind ja bekannterdings nur die Hälfte der Geschichte. Die andere Hälfte übernimmt eine Jury. Für Deutschland übernehmen diese Aufgabe Katja Ebstein (bekannt aus dem Deichkind-Klassiker „Remmidemmi“ – und etwas früher für „Wunder gibt es immer wieder“), Anica Russo (bekannt für… äh… also… egal), Arne Ghosh (ein Hamburger im Hintergrund des Musikbusiness: Management, Labelarbeit, Sachen), Alina Süggeler (die Frau, die von schlecht vorbereiteten Interviewern gern als Frida Gold angesprochen wird) und Kai Tölke (Radiomann, Head of Music bei Bremen Vier).
23.25 Uhr: Nicht, dass Sie denken, dass der Drops hier gleich gelutscht wäre: Wer gewonnen hat, wird in ziemlich genau anderthalb Stunden um 00.55 Uhr bekannt gegeben. Also vielleicht noch einen Kaffee zwischen die Kaltgetränke sortieren?
23.20 Uhr: Die Leitungen sind offen – nach den Bier- jetzt auch die Telefonleitungen. Bis zu 20 Mal darf man anrufen, wenn man denn so gar nix anderes zu tun hat.
Einhörner, Ex-Freunde – und Weirdness aus Kroatien
23.14 Uhr: So, nu aber: Mae Muller beschließt den bunten Reigen von 26 Finalist:innen mit einem Song, über den sich irgendein Ex von ihr nicht freuen dürfte. „I Wrote A Song“: Song schreiben statt zu Hause sitzen und heulen – wer’s kann. Bubblegum-bunt und mit Ohrwurm-Potenzial („Flowers“von Miley ist trotzdem der bessere Track zum Thema). Das Publikum vor Ort ist anderer Meinung und applaudiert, als ob sie schon gewonnen hätte.
23.10 Uhr: Noch eine Rutsche Weirdness kurz vor Schluss: Let 3 haben einen anscheinend Putin- und Lukaschenko-kritischen Song geschrieben, tragen irgendwas Uniform-artiges und haben ganz augenscheinlich viel Freude daran, für Fragezeichen über den Köpfen des Publikums zu sorgen. Macht man anscheined so in Kroatien.
23.07 Uhr: Joker Out aus Slowenien profitieren mit ihrem eingängigen Indierock-Track, der leider einen selten abgeschmackten Titel hat (das aus tausenderlei Klo-Schmierereien, Freundschaftsbuch-Einträgen und Selbstoptimierungspostern bekannte „Carpe Diem“) vom späten Startplatz. Für sich genommen hätte das vielleicht sogar Top-Ten-Potenzial. Doch die Konkurrenz ist groß.
23.04 Uhr: Zuhause in Israel ist Noa Kirel längst ein Star. Jetzt will sie mit einem Choreografie-lastigen Einhorn den ESC aufmischen. Mal schauen, wo sich das singende und tanzende „Unicorn“ einsortiert.
Ganz starker Auftritt von Lord of the Lost
22.59 Uhr: Monika Linkytė aus Litauen zeigt Stimmakrobatik zu einem Chorus, der irgendwie an den „König der Löwen“ erinnert. „Stay“ dürfte eine solide Platzierung einfahren.
22.51 Uhr: Pünktlich wie die Maurer kommen Lord of the Lost auf die Bühne: „Blood & Glitter“, Blut und Glitzer für alle! Riesenapplaus von den ersten Takten an – ich wage die Prognose, dass wir uns dieses Mal keine Sorgen um eine wenig schmeichelhafte Platzierung machen müssen.
Eine ganz andere Frage treibt mich um: Wird Chris eigentlich in das Lack-Kostüm einlaminiert? Und wie kommt er da nachher wieder raus?
Starker Auftritt, der hoffentlich entsprechend honoriert wird.
22.50 Uhr: Noch eine Königin: Alessandra aus Norwegen besingt die „Queen of Kings“. Der Song klingt, als hätte er ursprünglich mal in Richtung Metal abbiegen wollen – aber dann hat jemand die Beatmaschine angeschmissen.
22.48 Uhr: Tvorchi besingen das „Heart of Steel“. Das ukrainische Duo hat sich dafür von den Soldaten inspirieren lassen, die ihr Heimatland gegen die russische Invasion verteidigen – speziell von denen, die wochenlang im Stahlwerk Azovstal eingekesselt waren.
Ein Australier aus der Nähe von Hamburg – und ein Sektenhippie
22.45 Uhr: Mondsichel-Frisuren, Geflöte und ein Outfit wie aus dem Handbuch für angehende Sektenanführer: Pasha Parfeni klopft Ethnic-Dance raus, der niemandem weh tut, aber auch nix mit dem Rennen um Platz eins zu tun haben dürfte.
22.37 Uhr: Wenn ich jemals so viele Schnürsenkel übrig haben sollte wie Brunette, geh ich auch zum ESC. Noch weniger als eine Viertelstunde bis zu Lord of the Lost – wollte ich nur kurz erwähnt haben. Wer ein neues Getränk braucht: Hopp-hopp!
22.35 Uhr: Dass Gustaph aus Belgien Boy George mag, hätte Peter Urban gar nicht extra erwähnen müssen: Das sieht und hört man. Solide, klingt aber, als hätte man das schon 483 Mal gehört.
22.27 Uhr: Aus Buchholz in die große weite Welt: Voyager-Frontmann Danny Estrin ist kurz hinter Hamburch groß geworden. Jetzt steht er für Australien auf der ESC-Bühne und klopft feinstes 80er-Jahre-Feeling (Keyboard-Gitarre inklusive) raus. Ein „Promise“ irgendwo zwischen Drohung und Liebesschwur.
22.23 Uhr: Vesna aus Tschechien zielen hoch: „My Sisters‘ Crown“ hat zwar eine ziemlich schräge Zopf-Choreografie – bleibt aber klanglich hängen. Die vorsichtig verschleierte (um nicht gegen die Regeln zu verstoßen) Botschaft für ukrainischen Widerstand gegen russische Aggression kommt dazu sehr gut an.
Die bekloppten Finnen kommen!
22.18 Uhr: Ganz, ganz ganz anders und trotzdem fast genauso hoch gehandelt wie Loreen: Käärija aus Finnland mit „Cha Cha Cha“ – einem Monster von Saufsong, bei dem selbst die bestgehegte schlechte Laune dahinschmilzt wie ein Vanilleeis in der Sauna. Auf das Hulk-Bolero-Jäckchen in Lackoptik, die Euro(visions)-Paletten und die Human-Centipede-Tanzeinlage ist der Finne vermutlich gegen 5 Uhr morgens in einer Kneipe gekommen.
Die Rückkehr der ESC-Königin
22.15 Uhr: Apropos Outfits: In dem von Alika hätte ich mich vermutlich nach ungefähr 30 Sekunden versehentlich stranguliert. Dass sie ihr großes Bauprojekt „Bridges“ unfallfrei abschließt, gibt zusätzliche Bonuspunkte in der B-Note. Der selbstspielende Flügel – für den Fünfjährigen in mir pure Zauberei. Der Erwachsene nickt anerkennend über so viel Ehrlichkeit.
22.07 Uhr: Ich habe mir von mehreren Menschen diverser Geschlechter versichern lassen, dass Marco Mengoni ein sehr hübscher Mann ist. Und auch als mittelalter Hetero-Mann muss man zugeben: Jap, stimmt. „Due vite“, zwei Leben bräuchte ich jedenfalls auch mindestens, um einen Kronleuchter mit so viel Nonchalance als Oberteil zu tragen. Der Song hat so viel Schmelz und Drama, dass ich auch kurz davor bin, in große Gesten auszubrechen.
22.03 Uhr: Auch kein dankbarer Startplatz, so direkt nach DER Favoritin Albina & Familja Kelmendi aus Albanien geben sich trotzdem alle Mühe. Und das meine ich genau so, wie man diese Formulierung in einem Arbeitszeugnis verstehen würde.
22.00 Uhr: Die Rückkehr der ESC-Königin: Loreen startet zum zweiten Mal nach 2012. Nach „Euphoria“ heißt ihr Titel jetzt „Tattoo“ – und ist der Schwedin genauso auf den Leib geschrieben wie eine gute Tätowierung. Wer heute gewinnen will, muss an ihr vorbei. Und das wird schwierig. Wenn man denn irgendwas meckern möchte, dann an der Farbe: Hornhaut-umbra ist nicht schmeichelhaft, schon gar nicht, wenn das Ganze hauteng ist.
Lieber weird in Spanien als barfuß auf Zypern
21.52 Uhr: Oh la paloma blanca… Ach nee, anders: Blanca Paloma haut mit „Eaea“ mal einen raus. Eine gute Portion ESC-Weirdness trifft auf andalusische Traditionen und Beats. Oh, und auf Fadengardinen. Die gab’s anscheinend beim Liverpooler Obi im Angebot.
21.46 Uhr: Andrew Lambrou startet für Zypern – barfuß. Wahrscheinlich war nach der Bezahlung der Produzentenhorde, die diesen Plastikpopsong geschrieben hat, kein Geld für Schuhwerk mehr übrig. Vielleicht waren aber auch die Bühnen-Wasserfälle und die Pyros der Kostentreiber. Wie auch immer: „Woooooo-hoooo-hooo“ allein reicht nicht für einen Treppchenplatz. Mit den vorderen Plätzen dürfte der akkurat rasierte und trainierte Feuer-Wassermann nix zu tun haben.
21.43 Uhr: Achtung, Top–Ten-Alarm: La Zarra klingt nicht nur divenhaft, sie liefert mit „Évidemment“ (Himmel, schon wieder konzentrieren beim Schreiben) auch den ersten Song mit Hymnen-Charakter des Abends ab. Dass unter ihrem Glitzerkleid eine Kleinstadt ein Volksfest feiern könnte – geschenkt. So einen Fascinator hätte ich aber auch gern.
Polen versucht es „Solo“, Serbien „will nur noch schlafen“
21.39 Uhr: Der serbische Titel „Ich will nur noch schlafen“ („Samo mi se spava“) ist ja eigentlich eine Steilvorlage für gehässige Kommentare – genau wie die Bühnendeko und die Zombie-Tanzkompagnie. Aber ehrlich gesagt funktioniert das Bass-Gewummer gar nicht so schlecht. Gerade im direkten Vergleich zu Blanka.
21.33 Uhr: Apropos Nachbarn: Wir haben ja noch mehr! Blanka aus Polen präsentiert einen Dance-Song, der an Belanglosigkeit kaum zu überbieten ist. „Solo“ könnte auch eine gute Punkt-Perspektive sein. Wenn ich Euro-Dance hören will, dreh ich „Barbie Girl“ laut.
Für unsere Nachbarn ist der ESC schon gelaufen
21.30 Uhr: Aus Sicht unserer deutschsprachigen Nachbarn ist der ESC schon gelaufen: Remo Forrers Antikriegs-Song „Watergun“ hat Startplatz 3. Erstaunlicherweise hat er bislang seine neue Tätowierung (den Song-Titel auf dem Arm) bisher noch nicht wieder in die Kamera gehalten. Ich bin ein bisschen enttäuscht.
Was wohl Barbara und ihre Entourage in der „NDR-Teeküche“ machen? Wahrscheinlich erzählt Sylvie Meis gerade, dass sie auch mal ein Sakko mit Netzeinsätzen hatte, genau wie der junge Schweizer, der „nicht mit echtem Blut spielen“ („I don’t wanna play with real blood“) will. Vielleicht sollte er es mal mit Glitzer versuchen?
Bis Lord of the Lost dran sind, dauert es übrigens noch: Startplatz 21 ist für um und bei 22.50 Uhr angesetzt.
ESC-Finale: Jetzt geht’s los!
21.26 Uhr: Knallrotes Tanzpersonal hat auch Portugal im Gepäck: Mimicats „Ai coração“ ist ansonsten gefällig, aber auch ein bisschen unauffällig. Wer sich in knapp zwei Stunden, wenn das Voting anfängt, noch dran erinnern kann, wie er/sie den Song findet, bekommt Bonuspunkte.
21.21 Uhr: Thematisch relevant (Ungleichbehandlung von Frauen und Männern), aber musikalisch eher.. naja. „Poe-Poe-Poe-Poe“, dazu Tänzerinnen mit Devo-Flair. Mehr als 0.003 Punkte darf man aber sicher erwarten.
21.19 Uhr: Nun aber: Die Österreicherinnen Teya & Salena haben den undankbaren ersten Startplatz gezogen. Aber gut, irgendwer muss halt anfangen…
21.18 Uhr: Das britisch-ukrainische Moderator:innen-Quartett sorgt für eine Durchatem-Pause, erklären noch einmal kurz, dass man anrufen muss, wenn man abstimmen möchte – und geben bekannt, dass Luxemburg sich entschlossen hat, im kommenden Jahr wieder teilzunehmen. Dass der Mini-Staat seit 1993 nicht mehr dabei war, ist zumindest mir kaum aufgefallen…
21.13 Uhr: Schnell-schneller-schnellst-Durchlauf: Vor lauter einlaufenden Künstler:innen, Moderator:innen und zwischengestreuten Musikeinlagen weiß ich jetzt schon kaum noch, wo mir der Kopf steht.
21.08 Uhr: „United By Music“ heißt das Motto des ESC 2023. Der Start ist schon mal gelungen. Kalush Orchestra, dann Chemical Brothers, die Eurythmics (ich musste mich auf keinen Fall stark konzentrieren, um den Bandnamen richtig zu schreiben), „S’Express“ von Mark Moore als Einlaufhymne für die 26 Finalist:innen. Kann man so anbieten. Besonders, weil Lord of the Lost „Song 2“ von Blur als Einlaufsong bekommen: Toooor am Millerntor!
21.01 Uhr: Spaß beiseite: Eröffnet wird der ESC 2023 vom Kalush Orchestra – aus der Ukraine. Dem Land, in dem der Wettbewerb eigentlich hätte stattfinden sollen. Unterstützt im Video-Einspieler anderem von Prinzessin Kate am Flügel. Dann geht der Blick auf die Bühne in Liverpool, wo die Rap-Crew „Stefania“ noch einmal performt.
21.00 Uhr: Bitte erheben Sie sich für die Eurovision-Hymne.
Max Mutzke wird „durchbenutzt“
20.56 Uhr: HUCH! Ein wildes „Wort zum Sonntag“ erscheint.
20.55 Uhr: „In jeder Show sollte es eine Grußbotschaft von Conchita geben“, sagt die Schöneberger. Und wer würde ihr widersprechen wollen? Jetzt darf/soll/muss Max Mutzke nochmal ran (er wird „durchbenutzt“, erklärt Barbara) – warum singen eigentlich die beiden anderen nix? Die sind doch dem Vernehmen nach auch Musiker. Könnte damit zusammenhängen, dass Luca Hänni laut eigener Aussage schon um halb 12 mit dem ersten Aperol angefangen hat. Obwohl das ja die Stimmen ölen soll. Na, auch egal: „All You Need Is Love“
20.52 Uhr: Falls Sie heute noch Termine haben: können Sie knicken. Ein Blick auf den Ablaufplan zeigt, dass von 21 Uhr bis 01.02 Uhr keine Zeit für garnix ist – außer ESC.
„Draußen ist die Hölle los“ – drinnen nicht
20.45 Uhr: „Draußen ist die Hölle los.“ – drinnen nicht.
20.40 Uhr: 25 Minuten sind vergangen und ich habe immer noch nicht verstanden, warum Sylvie Meis da auf dem Sofa sitzt. Jetzt gibt es auch noch ein Quiz. Puh, irgendwie muss man die Zeit bis 21 Uhr ja rumkriegen.
Echt? Luxemburg ist das Eurovision-Land, das am häufigsten Künstler:innen aus anderen Ländern zum ESC schickt? Danke, Captain Obvious.
Keine Party auf der Reeperbahn? Skandal!
20.29 Uhr: Zwingend zum ESC gehört ja dieses Internet. „Second screen“ heißt das auf Neudeutsch, früher sagte man einfach „lästern“. Jedenfalls ist Twitter auch aufgefallen, dass irgendwas anders ist als sonst:
Ebenfalls kritisiert wird, dass die Schöneberger zwar Warmup (und Aftershow), nicht aber die Punktevergabe moderieren darf:
Barbara Schöneberger live aus der „NDR-Teeküche“
20.21 Uhr: Vor das Finale haben die Fernsehgötter aber die Aufwärmparty gestellt: Barbara Schöneberger moderiert diesmal nicht von der Reeperbahn, sondern aus Liverpool. Und trägt ein ganz entzückendes Macaron-Kleid mit passenden knallgelben Ohrringen. Das Timing für die Verlegung der Party vom Spielbudenplatz in ein, äh, Wohnzimmer in Liverpool könnte natürlich nicht schlechter sein. Nicht nur, weil man direkt in der Heimat von Lord of the Lost hätte feiern können. Sondern auch, weil da ein paar mehr Leute dabei gewesen wären als jetzt.
Die „NDR-Teeküche“ hat sich mit Österreich und der Schweiz zusammengeschlossen und anscheinend eine Menge Fähnchen an die vier Handvoll Menschen verteilt, die demonstrativ gut gelaunt jubeln. Außerdem ist Sylvie Meis dabei – und erneut gilt: Warum? Wir wissen es doch auch nicht. Cesár Sampson und Luca Hänni bringen ESC-Kompetenz aufs Sofa: Beide haben es auf einstellige Plätze beim ESC gebracht – genau wie Max Mutzke, der ein ESC-Best-Of-Medley trällern darf.
Woke geht’s denn hier nach Liverpool?
20.15 Uhr: Wer Eurovisionen hat, sollte zum Arzt gehen. Aber man wird ja noch träumen dürfen: Ein Sieg für Lord of the Lost wäre natürlich eine riesige Überraschung – das war Lordis Triumph im Jahr 2006 aber auch … Und dass man auch ohne Monsterkostüme mit Gitarrenmusik gewinnen kann, haben die Italiener von Måneskin schließlich erst vor zwei Jahren bewiesen.
Und überhaupt muss man eine Band, bei der die nach rechts aus dem Bild gekippte Twitter-Bubble dermaßen Schnappatmung bekommt, einfach lieb haben. Kostprobe gefällig? Da ist die Rede von „krankhafter Perversion“ und „wokem Zirkusprogramm“, für die man sich schämen müsse, dazu gesellen sich noch weniger druckbare Beschreibungen. Janeeisklar.
ESC live: Also wir wären so weit
20.00 Uhr: Guten Abend, liebe Eurovisionisten! In genau einer Stunde beginnt das Finale des Eurovision Song Contests 2023 und wir haben schon mal eine gute Nachricht: Thomas Müller ist nicht dabei. Die Rolle des FC Bayern München dürfte in Liverpool Loreen übernehmen: Die Schwedin tritt nach ihrem Sieg vor elf Jahren noch einmal an. Und man muss zugeben: Es dürfte schwer, sehr schwer werden, „Tattoo“ zu schlagen.
Auf der Habenseite: 2012 war auch eines der Jahre, in denen wir Deutschen vergleichsweise gut abgeschnitten haben. Damals schaffte Roman Lob es auf Platz acht – kein Vergleich zu den (vor)letzten Plätzen der vergangenen Jahre.
Von uns aus kann es losgehen, Erfrischungen in fester und flüssiger Form liegen bereit. Fehlen nur noch zwölf Punkte, am liebsten nicht nur einmal.
Wie funktioniert das noch gleich?
Also eigentlich ganz einfach: Die 26 Finalisten singen nacheinander ihre Songs, dann wird abgestimmt, dann gibt es einen Sieger. Aus die Maus.
Der ESC wäre aber nicht der ESC, wenn es nicht doch noch deutlich mehr Drama gäbe: Erst einmal muss der Song tatsächlich live gesungen werden – das kann für Künstlerinnen und Künstler, die sonst eher im kleinen Club als vor internationalem Riesenpublikum spielen, durchaus einschüchternd wirken. Von der möglichen Erkältung wegen übertrieben enthusiastisch eingesetzter Windmaschinen mal ganz abgesehen.
Das mit der Abstimmung ist auch so eine Sache: Aus den „Douze points“ sind vor ein paar Jahren 24 geworden, als Jury- und Fanabstimmung auseinanderklamüsert und einzeln bekanntgegeben wurden (das hat Jendrik vor zwei Jahren übrigens davor bewahrt, ganz ohne Punkte nach Hause zu fahren: Seine drei Punkte kamen samt und sonders von der Jury). Neu in diesem Jahr ist, dass jetzt auch ESC-Fans aus Ländern, die gar nicht mitmachen, abstimmen können. Warum? Wissen wir auch nicht.
Jedenfalls können Stimmen für Lord of the Lost, Loreen, Tvorchi oder irgendjemand anderen per Online-Voting, SMS oder über die ESC-App abgegeben werden. Nein, jetzt noch nicht. Erst, wenn alle gesungen haben. Ja, wir finden das auch doof. Nein, wir können es auch nicht ändern.
Bis dahin kann, wer mag, die original ESC-Punktekarte ausdrucken (aber nicht online ausfüllen). Ein Service des NDR, der so laut „öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Jahr 2023“ schreit, dass wir hier schon mal nach der Faxmaschine suchen und einen Platz auf dem Fliesentisch zwischen Mettigel und Untersetzer freiräumen.
Peter Urban: Sein letzter ESC
Ein Eurovision Song Contest ohne Peter Urban – geht das überhaupt? Seit 25 Jahren kommentiert der Hamburger unermüdlich den ESC. Am Samstag allerdings zum letzten Mal. Warum er abtritt, was er als nächstes vor hat und wie sehr ihn Betrugsvorwürfe treffen, hat er im großen MOPO-Interview verraten.
Kalush Orchestra aus der Ukraine ist wieder dabei
Eigentlich hätte der Eurovision Song Contest 2023 in der Ukraine stattfinden sollen. Wie gesagt, eigentlich. Denn durch Russlands unprovozierten Angriffskrieg gegen den Staat ist die Austragung dort nicht möglich. Also wurde der ESC nach England verlegt: Sam Ryder hatte für Großbritannien den zweiten Platz geholt. Sowohl das Kalush Orchestra aus der Ukraine als auch der Brite werden am Samstag noch einmal live spielen.
Außerdem gibt es das „Liverpool Songbook“ – man kennt natürlich die eine, die alles überragende Band aus der englischen Stadt. Aber es gibt schließlich noch mehr als nur Gary & The Pacemakers. Für die bunte Liverpooler Tüte mit Lakritz gehen Mahmood (Italien), Netta (Israel), Daði Freyr (Island), Cornelia Jakobs (Schweden) und Duncan Laurence (Niederlande) zusammen auf die Bühne. Dazu kommt Special Guest Sonia. Die Liverpoolerin erreichte 1993 Platz zwei beim ESC, der damals noch Grandprix de la Chanson hieß und bei weitem nicht die bombastische Riesenangelegenheit von heute war.
Lord of the Lost: Fünf Jungs aus St. Pauli
Aus welchem Stadtteil kommen Lord of the Lost noch gleich? Ach ja: „Wir sind nicht Blankenese oder Wandsbek, wir sind St. Pauli.“
ESC und Deutschland – keine ganz leichte Angelegenheit
Seit Lena Meyer-Landrut 2010 den ESC gewonnen hat, haben deutsche Vertreter es nur noch dreimal auf einen Platz in den Top Ten des ESC geschafft:
2011: Lena Meyer-Landrut, Platz 10 mit 107 Punkten. Es gewannen Ell/Nikki aus Aserbaidschan mit 221 Punkten.
2012: Roman Lob, Platz 8 mit 110 Punkten. Es gewann Loreen aus Schweden mit 372 Punkten.
2018: Michael Schulte, Platz 4 340 Punkte. Es gewann Netta aus Israel mit 529 Punkten.
Häufiger als einstellige Platzierungen kamen in den vergangenen Jahren allerdings einstellige Punktzahlen vor: Auf weniger als zehn Punkte insgesamt kamen
2015: Ann-Sophie, 0 Punkte, Platz 27. Es gewann Måns Zelmerlöw aus Schweden mit 365 Punkten.
2017: Levina, 6 Punkte, Platz 25. Es gewann Salvador Sobral aus Portugal mit 758 Punkten.
2021: Jendrik, 3 Punkte, Platz 25. Es gewannen Måneskin aus Italien mit 524 Punkten.
2022: Malik Harris 6 Punkte, Platz 25. Es gewann das Kalush Orchestra aus der Ukraine mit 631 Punkten.