Prominenter Korruptionsermittler muss in den Knast – wegen Korruption
Er vergab Aufträge an Sachverständige und verdiente heimlich mit. Dass das zwölf Jahre lang keinem auffiel, habe sich die Justiz selbst zuzuschreiben, findet der Richter. Das ist nicht seine einzige Kritik.
Ein prominenter Korruptionsermittler ist in Frankfurt ausgerechnet wegen Korruption verurteilt worden: Das Landgericht verhängte am Freitag gegen den 55-jährigen Alexander Badle eine Haftstrafe von sechs Jahren – wegen gewerbsmäßiger Bestechlichkeit, schwerer Untreue und Steuerhinterziehung. Bei der Urteilsbegründung bekam auch die hessische Justiz ihr Fett ab.
Ermittlungen dauerten drei Jahre
Nach rund drei Jahren Ermittlung und vier Monaten Verhandlung stand für das Gericht fest: Der frühere Leiter einer bundesweiten Ermittlungsstelle gegen Korruption im Gesundheitswesen und Sprecher der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft ging „mit krimineller Energie“ vor, so der Vorsitzende Richter Werner Gröschel. Er sei sich der Illegalität seines Handelns voll bewusst gewesen. Am Ende habe er „seine gesamte bürgerliche Existenz zerstört“.
Zusammen mit einem alten Freund hatte Badle ein System etabliert, das ihm mehr als zwölf Jahre lang illegale zusätzliche Einnahmen sicherte, so Gröschel. Der Geschäftspartner wurde am Freitag wegen Bestechung und Subventionsbetrug zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Der Unternehmer bleibt auf freiem Fuß.
Das „System“ ging so: Als Korruptionsermittler im Gesundheitswesen vergab der Oberstaatsanwalt Gutachteraufträge an Sachverständige, die bei einer Firma angestellt waren, an der er heimlich beteiligt war. Zuerst bekam er 30, später 60 Prozent des Gewinns. Sein Geschäftspartner zahlte Geld auf ein Konto ein, Badle hob per Bankkarte monatlich Bargeld in vierstelliger Höhe ab. Allein im nicht verjährten Zeitraum strich er laut Urteil 277.000 Euro ein.
Schaden für das Land Hessen: rund eine halbe Million Euro
Zwar sei das nicht der ursprüngliche Plan gewesen, so der Richter. Bald aber habe Badle seine Amtsführung an den Interessen der Firma ausgerichtet. Mit seiner bundesweiten Bekanntheit sei er selbst die beste Werbung für die Firma gewesen. Die Zahl der Gutachten und die Höhe der Vergütung habe der Oberstaatsanwalt künstlich aufgebläht. Den Schaden für das Land Hessen bezifferte das Gericht auf rund eine halbe Million Euro.
Auch von einer weiteren Firma, die IT-Dienstleistungen erbrachte, erhielt Badle Geld im Gegenzug zur Vergabe von Aufträgen. B. forderte einen Euro für jede Arbeitsstunde auf Basis seiner Aufträge.
Das Gericht folgte in seinem Urteil weitgehend der Anklage – auch im Punkt Untreue, die die Verteidigung nicht als gegeben ansah. Gröschel argumentierte, als Dienststellenleiter hätte der Oberstaatsanwalt die Pflicht gehabt, die Kosten für Sachverständigengutachten so gering wie möglich zu halten. Stattdessen vergab er Aufträge im Volumen von rund einer Million pro Jahr. Wegen seiner hohen Stellung, des Vorsatzes und der hohen Summen sei es sogar schwere Untreue.
Kontrollversagen der Justiz
Begünstigt wurden die Taten durch ein „Kontrollversagen“ der Justiz „und zwar auf der ganzen Linie“, so der Richter. Das „ganz massive Organisations- und Überwachungsverschulden der Justiz“ wurde als strafmildernd gewertet. „Es gab überhaupt keine Kontrollmechanismen in der hessischen Justiz.“ Inzwischen gilt bei der Vergabe von Gutachten das Vier-Augen-Prinzip.
„Wenn Justiz gegen Justiz ermittelt, ist besondere Sorgfalt gefragt“, sagte Gröschel. Das sei sicher geschehen, allerdings war es aus seiner Sicht „eine katastrophale Entscheidung“, dass die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft Frankfurt geführt wurden, wo der Angeklagte früher selbst tätig war. Auch die Entscheidung, Badle in Frankfurt anzuklagen, sei „nicht unbedingt glücklich“ gewesen.
Verurteilung wegen Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung
Alexander B. wurde wegen Bestechlichkeit in 86 Fällen, Untreue in 54 Fällen und Steuerhinterziehung in 9 Fällen verurteilt. Neben der Haftstrafe wurde entschieden, dass rund eine halbe Million Euro eingezogen werden. Der ehemalige Top-Jurist habe glaubhaft „eine ganz problematische Kindheit und Jugend“ dargelegt, so Gröschel. Er habe die ersten zwei Jahre in einem Heim verbracht, der Vater sei Alkohol- und spielsüchtig gewesen und habe den Sohn sexuell missbraucht.
Ausgelöst wurden die Ermittlungen 2020 von seiner früheren Lebensgefährtin. In seinem Geständnis sagte Alexander Badle, mit den Schmiergeldern habe er die Frau, die nicht mit Geld habe umgehen können, finanziell unterstützt. Der Richter hielt das als Motiv für wenig glaubwürdig. Unter anderem habe Badle von dem Geld auch mehrere Eigentumswohnungen gekauft.
Staatsanwaltschaft forderte 7,5 Jahre Haft
Die Staatsanwaltschaft hatte in ihren Plädoyers siebeneinhalb Jahre Haft gefordert. Die Verteidigung hatte für maximal vier Jahre plädiert. In seinem Schlusswort hatte sich Badle am Mittwoch reumütig gezeigt: „Es tut mir leid. Ich bedauere die von mir begangenen Straftaten und übernehme die volle Verantwortung.“ Wie auch immer das Urteil ausfalle: „Dieses Stigma trage ich zu Recht“.
Ob die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil vorgeht, werde noch geprüft, sagte Oberstaatsanwalt Michael Loer: „Im Großen und Ganzen halte ich das Urteil für vertretbar.“ Der Verteidiger von Alexander Badle, Andreas Hohnel, kündigte an, er werde Revision einlegen. Er geht davon aus, dass Badle rechnerisch nach jetzigem Stand noch ungefähr zwei Jahre in Haft verbringen muss. „Das ist ein großes Licht im Tunnel.“
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„Der Fall ist und bleibt ein Tiefschlag für die hessische Justiz“, erklärte der hessische Justizminister Roman Poseck (CDU). Er wiederholte seine Entschuldigung für den Vertrauensverlust, der durch die Taten entstanden sei. Es müsse alles dafür getan werden, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Als bereits getroffenen Maßnahmen nannte Poseck unter anderem die Auflösung der von Badle geleiteten Zentralstelle für Medizinwirtschaftsstrafrecht und die Einrichtung einer neuen in Fulda sowie die Neuorganisation der Innenrevision im Ministerium. Das Land mache gegenüber Badle Regressansprüche geltend. Anlass für einen Generalverdacht gegen die hessische Justiz biete der Fall nicht.