• Friedhelm Funkel (l.) im Gespräch mit Kölns Trainer Markus Gisdol. Beim Derby vor gut zwei Wochen war Funkel als TV-Experte im Einsatz.
  • Foto: imago images/Jan Huebner

Friedhelm Funkel im Interview: Die Bundesliga hat nur eine Überlebens-Chance

Köln –

Friedhelm Funkel (66) hat mehrere Rekorde in seiner Vita stehen. Kein anderer hat so viele Einsätze als Spieler und Trainer in der Bundesliga absolviert, keiner ist so oft aufgestiegen. Solch eine Situation wie derzeit durch die Auswirkungen des Coronavirus bringt aber auch das Liga-Urgestein zum Nachdenken.

Die Frage steht derzeit immer zu Beginn: Wie geht es Ihnen?

Mir geht’s gut. Das wünsche ich auch Millionen von anderen Menschen. Ich kann derzeit nicht Tennis spielen, wollte in der kommenden Woche für acht Tage nach Marbella in ein Tennis-Camp. Das fällt jetzt flach. Aber solche Sorgen sind im Vergleich zu anderen lächerlich. Auch kann ich derzeit meine Töchter und Enkel nicht besuchen. Meine fast 90-jährige Mutter darf ich ebenfalls nicht sehen. Mein Bruder Wolfgang kauft für sie ein und stellt ihr die Sachen vor die Tür.

Sie waren vor gut zwei Wochen Zeuge eines historischen Ereignisses: das bis heute letzte Bundesliga-Spiel.

Ja, nach dem Geisterspiel zwischen Gladbach und Köln habe ich noch gesagt, dass es solche Spiele ohne Fans hoffentlich nie wieder geben sollte. Die Atmosphäre und das Spiel waren furchtbar. Aber damals wussten wir ja auch noch nicht, dass sich die Dinge so entwickeln. Jetzt sage ich: Wenn wir den Bundesliga-Fußball erhalten wollen, sind Geisterspiele unsere einzige Chance.

Inwiefern?

Im Moment kann ja keiner genau sagen, wann wieder gespielt werden kann. Ich denke nicht, dass das vor Juni wieder der Fall sein wird. Und dann muss uns allen klar sein, dass dann die Spiele vorerst nicht mehr in vollen Stadien stattfinden können. Das wird in dieser Saison nicht mehr möglich sein, vielleicht auch im ganzen Jahr nicht mehr. Aber ich wäre jetzt schon froh, wenn ich abends ein Geisterspiel im TV sehen könnte statt der ständigen Corona-Sondersendungen und der ganzen Wiederholungen von alten Highlights.

Geisterspiele bedeuten aber auch finanzielle Verluste für die Vereine.

Jeder Bundesligist ist in der Lage, auf vier, fünf Heimspieleinnahmen zu verzichten. Dann fehlen zwischen sieben und elf Millionen. Wird die Saison aber abgebrochen und die letzte Rate des TV-Geldes nicht bezahlt, dann wird es dramatisch. Geisterspiele sind eher ein Problem für die kleineren Vereine. Auf Klubs wie Preußen Münster, Rot-Weiss Essen etc. sehe ich durch diese Krise große Probleme zukommen.

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Friedhelm Funkel (r.) im Gespräch mit Gladbachs Trainer Marco Rose vor dem Geisterderby am 11. März.

Foto:

imago images/Jan Huebner

Derzeit ruht selbst der Trainingsbetrieb. Wie kommt ein Fußballer damit klar?

Das ist furchtbar. Training ohne Ball und ohne Gemeinschaft ist nichts. Die Spieler absolvieren zwar individuelle Übungen, aber die machst du alleine höchstens mit 60-70 Prozent des Engagements. Wenn das Training wieder erlaubt wird, brauchen die Teams zwei, drei Wochen, dann können sie wieder spielen. Die Grundlagen, die Automatismen sind ja nicht weg, die Kader nicht verändert.

Sie sagen aber selbst, dass wohl erst im Juni wieder gespielt werden kann. Wie sollen da die fehlenden Spiele, national wie international noch stattfinden?

Wo ist das Problem, fünf englische Wochen am Stück zu spielen? Ich musste 1986 mit Uerdingen mal 16 Spiele in 40 Tagen absolvieren, also alle zweieinhalb Tage ein Spiel. Heute sind die Kader viel größer, die medizinische Betreuung besser. Jetzt ist nicht mehr die Zeit, um zu Jammern. Jetzt geht es darum, die Vereine am Leben zu halten. Und eins ist klar: die nationalen Spiele haben Vorrang vor den internationalen. Wir brauchen eine klare Abschlusstabelle mit einem Meister und Absteigern. Zwar wird das Gefühl anders sein, wenn man im leeren Stadion den Titel gewinnt oder die Klasse sichert. Aber es herrscht Klarheit. Bei einem Saisonabbruch müsste die Liga eigentlich auf 22 Teams aufgestockt werden.

Wie beurteilen Sie die Spenden-Bereitschaft in der Liga?

Bis vor kurzem wurde ja noch viel über Profis geschimpft. Sie würden zu viel verdienen, wären Egoisten. Jetzt sieht man, dass sie sehr wohl an ihre Mitmenschen denken. Viele verzichten auf Gehalt, damit die Angestellten in den Vereinen weiter beschäftigt werden können. Ich bin selbst noch bis 30. Juni bei Fortuna Düsseldorf unter Vertrag. Wenn Trainer und Spieler sich dort entschließen, auf Teile ihres Gehalts zu verzichten, dann bin ich natürlich auch dabei und verzichte.

Hier lesen Sie mehr: So denkt Sky-Moderator Sebastian Hellmann über Geisterspiele

Welche Auswirkungen könnte die Corona-Krise insgesamt auf den Fußball haben?

Das wird Veränderungen nach sich ziehen, die gar nicht so schlecht sind. Bisher ging es immer nur um weitere Rekorde und Maximierung. Aber muss ein Profi wirklich 15 Millionen im Jahr verdienen? Reichen nicht auch fünf? Muss bei einem Wechsel eine Transfersumme von 100 Millionen fließen? Müssen die Kader so groß sein? Ich denke, dass der Profi-Fußball nach dieser Phase wieder ein Stück weit normaler wird. Da die Krise die ganze Welt umfasst, werden auch Vereine, die bisher mit Millionen nur so um sich geworfen haben, gezwungen, vernünftiger zu haushalten.

Die Liga hatte ja eigentlich auf einen neuen TV-Rekord-Vertrag gehofft.

Ich finde, da muss die Liga jetzt auch mal zurückstecken und ein wenig Dankbarkeit zeigen. Man sollte Sky die Stange halten und nicht nach dem höchsten Angebot suchen. Auch für die Sender ist die Situation schwierig und da sollte man sich in der Not daran erinnern, was beispielsweise Sky für die Entwicklung der Bundesliga abgeliefert hat.

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