Gemeinsam mit Schülern der Stadtteilschule Helmuth Hübener in Barmbek hat Ray de la Cruz (45) die Flure gestaltet.
  • Gemeinsam mit Schülern der Stadtteilschule Helmuth Hübener in Barmbek hat Ray de la Cruz (45) die Flure gestaltet.
  • Foto: Florian Quandt

Der Helfer von St. Pauli mit der Sprühdose

Ray weiß, was die Jungs von der Straße bewegt. Aufgewachsen mitten auf St. Pauli waren auch seine Vorbilder früher die Jugendgangs und Typen mit dicken Autos und teuren Uhren. Doch Ray de la Cruz (45) ist sich sicher: Man muss den Kindern nur eine Perspektive bieten. Seit knapp 20 Jahren kümmert sich der Graffiti-Künstler mit seinem Projekt „Graffiti-Kids“ ehrenamtlich um die Kinder vom Kiez. Und nicht nur die. Er engagiert sich auch im Flüchtlingsheim, in Schulen und bei Vereinen. 

Gemütlich schlendert Ray die Reeperbahn entlang. Er zieht eine mit Spraydosen beladene Sackkarre hinter sich her. Heute trifft sich der Mann, der mittlerweile in Steilshoop lebt und stolzer Vater eines knapp einjährigen Sohnes ist, mit Kindern, die in Frauenhäusern leben. „Mal rauskommen, die Probleme und Ängste vergessen – darum geht es. Da helfe ich natürlich gerne“, sagt der Künstler, der eigentlich Roberto Madlener heißt.

Graffiti-Künstler Ray de la Cruz: „Aber erst mal wird gemalt“

Er wird nicht nur mit den Kindern malen, sondern hat auch eine Überraschung organisiert. Sein Kumpel Steffen Riemann von „Elb-Limousine Hamburg“ ist mit seiner Mercedes-Limo vorgefahren und wird die Kinder über den Kiez chauffieren. „Krass“, kommentiert ein Mädchen, als es den schicken Wagen erblickt. Ray lacht. „Aber erst mal wird gemalt“, sagt er und drückt den Kindern die Spraydosen in die Hand. Hinter ihnen ein Bild, das sie bereits vergangene Woche gesprüht haben. Eine Erdkugel mit dem Schriftzug „Die Welt braucht mehr Umarmungen“.

Die Bessermacher – eine Aktion von MOPO und Haspa MOPO
Die Bessermacher – eine Aktion von MOPO und Haspa (Logo)
Die Bessermacher – eine Aktion von MOPO und Haspa

„Wenn ich sehe, wie glücklich die Kinder sind, macht mich das auch glücklich“, sagt Ray. Momentan engagiert er sich ebenfalls an der Stadtteilschule Helmuth Hübener in Barmbek und bringt gemeinsam mit Kindern der sechsten bis achten Klasse Farbe auf die Wände. Eine Elternsprecherin hatte ihn angeschrieben und um Hilfe gebeten. Die Flure sollen mit „Graffitis für Respekt und Toleranz und gegen Rassismus“ gestaltet werden. „Das ist ein wichtiges Thema. Da bin ich sofort dabei.“ Die Materialien bezahlt die Schule, Ray arbeitet ehrenamtlich. So auch in der Flüchtlingsunterkunft an der Niendorfer Schmiedekoppel. Dort sprayt er einmal die Woche mit knapp 30 Kindern zwischen zwölf und 18 Jahren. 

Ray liebt seine Heimat St. Pauli. Er wuchs mitten auf dem Kiez auf. Florian Quandt
Ray liebt seine Heimat St. Pauli. Er wuchs mitten auf dem Kiez auf.
Ray liebt seine Heimat St. Pauli. Er wuchs mitten auf dem Kiez auf.

„Das sind alles Sachen, die ich neben meinen Aufträgen als Graffiti-Künstler mache. Fast ein Drittel meiner Zeit arbeite ich freiwillig mit Kindern und Jugendlichen.“ Und das seit fast 20 Jahren. Sein erstes Projekt waren die „Graffiti-Kids“, mit denen er sich regelmäßig zum Sprayen auf St. Pauli traf und noch immer trifft. Kinder des Stadtteils, von denen viele einen Rucksack voller Probleme haben.

Angefangen hatte es mit Daniel. Seinem Nachbarsjungen. Wenn Ray zum Malen ging, wartete Daniel bereits vor der Tür. Er wollte bloß zuschauen. Irgendwann überzeugte der Künstler ihn mitzumachen. Daniel brachte einen Freund mit, der wieder zwei Freunde mitbrachte. „So entstand das erste Team. Jungs von der Straße, deren Eltern es völlig egal war, was ihre Kinder machen.“ 

Die Sprühdosen von Ray de la Cruz Florian Quandt
Die Sprühdosen von Ray de la Cruz
Die Sprühdosen von Ray de la Cruz

Ray wollte etwas Produktives mit den Kindern schaffen. Darüber hinaus half er, wenn es Probleme zu Hause oder in der Schule gab, und unterstützte die Schüler beim Lernen. Ab und an wurde er sogar schon von Lehrern kontaktiert, die ihn um Hilfe baten. „Ich helfe gerne und begleite die Kids, bis sie alleine stehen können.“ 

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Eine wichtige Arbeit, die vielen Kindern geholfen hat. Eine schon Jahre zurückliegende Geschichte rührt Ray noch heute. Er wurde gebeten, sich um einen aggressiven Jungen zu kümmern, der kurz davor stand, in der siebten Klasse von der Schule zu fliegen. Sieben Jahre lang begleitete der Künstler ihn. „Am Ende hat der Junge seinen Realschulabschluss gemacht, sein Abitur nachgeholt und studiert. Ich bin wahnsinnig stolz auf ihn.“ 

Fast alle seiner ehemaligen Kids haben es geschafft, ihren Weg zu gehen, und führen ein glückliches Leben. Für Ray die größte Anerkennung seiner Arbeit. Warum er sich engagiert? Der Mann mit dem Cap zuckt die Schultern. „Einfach nur so. Weil es Spaß macht.“ Er überlegt kurz und fügt lächelnd hinzu: „Und weil ich weiß, dass es nicht leicht ist, in einem Problemviertel aufzuwachsen und seinen eigenen Weg zu finden.“

Steckbrief von Ray de la Cruz (45), Graffiti-Künstler

Auto oder Fahrrad?   Fahrrad, ich habe gar keinen Führerschein. 

Bier oder Wein?   Bier, bei Wein werde ich redselig. 

Schnitzel oder Veggie-Burger?   Kalbsschnitzel. Ich darf kein Schwein essen, das vertrage ich nicht.

Kind oder Haustier?   Beides. Sohn und Hund.

Nordsee oder New York?   Nordsee. New York ist mir zu stressig. 

Kiez-Club oder Elphi?   Natürlich Kiez-Club. Das ist Heimat. 

Heavy Metal oder Klassik?   Heavy Metal. Das hat mehr Wumms. Aber Klassik höre ich auch. 

Yoga oder Fitnessstudio?   Ich habe eine Wette verloren und musste sechs Wochen Yoga machen. Das war total belebend. Das hätte ich nie gedacht. Ich habe vorher über Leute gelacht, die das machen. Aber Yoga ist Power.

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