Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina gehört zu den 750 Unterstützenden eines Briefs, der den Kurs der Grünen innerhalb der aktuellen Asylrechts-Debatte kritisiert. (Archivbild)
  • Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina gehört zu den 750 Unterstützenden eines Briefs, der den Kurs der Grünen innerhalb der aktuellen Asylrechts-Debatte kritisiert. (Archivbild)
  • Foto: dpa | Monika Skolimowska

Grüne streiten ums Asylrecht: Gallina stellt sich gegen Baerbock

Seit vielen Jahren kommen die EU-Staaten beim Thema Asyl nicht zueinander. Nun soll es einen neuen Anlauf geben. Doch vor allem bei den Grünen löst der Kurs der Bundesregierung – an der sie selbst beteiligt sind – Kritik aus. Hunderte Mitglieder üben offene Kritik an Plänen zur Reform des EU-Asylrechts und am Kurs des eigenen Spitzenpersonals in der Debatte – dazu gehört auch Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina.

Rund 730 Grünen-Mitglieder stehen hinter einem Brief an führende Politiker der eigenen Partei, über den zuerst der „Spiegel“ berichtete. Darin heißt es: „Auch wenn die Verhandlungssituation in Brüssel sicherlich schwierig ist und wir sicher sind, dass ihr für die Umsetzung des Koalitionsvertrags kämpft, so ist es doch schwer nachvollziehbar, warum die deutsche Verhandlungsposition nicht annähernd den Inhalten des Koalitionsvertrags entspricht.“

EU-Innenminister beraten über Asylrechtsreform

Die EU-Innenminister beraten am Donnerstag in Luxemburg über die seit Jahren strittige Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Es geht unter anderem um die Frage, ob es Vorprüfungen von Asylanträgen schon an den EU-Außengrenzen geben soll. Die Bundesregierung hat sich dafür offen gezeigt, will aber durchsetzen, dass Minderjährige unter 18 und Familien mit Kindern diese Verfahren nicht durchlaufen müssen.

Entsprechend hatten sich auch Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) geäußert. Baerbock sagte, Grenzverfahren seien hochproblematisch – der EU-Kommissionsvorschlag sei aber die einzige Chance, auf absehbare Zeit zu einem „geordneten und humanen Verteilungsverfahren“ zu kommen.

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Berichte über die Prioritäten der Bundesregierung hätten sie „erschüttert“, heißt es in dem Schreiben der Grünen. „Die Ausweitung sicherer Drittstaaten, schlechterer Rechtsschutz, verpflichtende Grenzverfahren in Haftlagern und eine massive Verschärfung des gescheiterten Dublin-Systems sind nur einige der Rechtsverschärfungen, die in der vorgeschlagenen Reform des Asylsystems angelegt sind.“

Die Angeschriebenen werden, wie bei Grünen üblich, mit den Vornamen angesprochen. Gemeint sind laut „Spiegel“ Baerbock, Habeck, Familienministerin Lisa Paus sowie die Parteivorsitzenden und die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion. „Nur mit einem mutigen, realistischen, pragmatischen und menschenrechtsorientierten Blick werden wir die Migrationspolitik in Deutschland und Europa so gestalten können, dass sie funktioniert“, heißt es in dem Brief. Unter den Unterzeichnern sind laut „Spiegel“ unter anderen die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina, die Fraktionsvorsitzende im thüringischen Landtag, Astrid Rothe-Beinlich, und Grüne-Jugend-Co-Chef Timon Dzienus.

Asylrecht: Hamburger Senatorin Gallina gegen Ampel-Kurs

Grünen-Chef Omid Nouripour hielt fest, dass es eine gemeinsame europäische Lösung „nicht um jeden Preis“ geben werde. „Der innerparteiliche Diskurs zeichnet uns als Partei aus“, sagte er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Mittwoch) weiter. Man werde sich daher das Schreiben sehr genau ansehen und weiterhin Gespräche dazu führen.

Obwohl die Grünen sich traditionell neben dem Klimaschutz auch für Asyl und Menschenrechte stark machen, war zu Letzterem von führenden Vertretern zuletzt wenig zu hören. Erst in den vergangenen Tagen verlangten Baerbock und Habeck, dass Familien mit Kindern von möglichen Vorprüfungen von Asylanträgen an den EU-Außengrenzen ausgenommen werden – über das Wochenende lief die Stimmensammlung für den Brief.

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Die Partei sieht sich in mehreren Bereichen unter Druck, allen voran beim Klimaschutz im Gebäudebereich, also dem viel diskutierten Heizungsgesetz. Zugleich versuchen die Grünen seit längerem, sich als soziale Kraft zu profilieren, Stichwort Kindergrundsicherung. Der Fokus lag für wichtige Grüne zuletzt zumindest öffentlich eher auf diesen Themen – eine Verengung, die offenbar auf Widerstand trifft.

Grüne Bundestagsabgeordnete gehören auch zu den zuletzt 31 Unterzeichnern eines anderen Schreibens, in dem vor einer Abschwächung des Rechts auf Asyl gewarnt wird – auch wenn die meisten Unterstützer der SPD angehören, wie auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Auch darüber berichtete der „Spiegel“. Auf den Weg gebracht hat es die Initiative Brand New Bundestag, die sich nach eigenen Worten für „eine progressive, zukunftsorientierte Politik“ einsetzt.

FDP rät Grünen, mögliche EU-Einigung nicht zu blockieren

Die Unterzeichner fürchten unter anderem „haftähnliche Zustände“ an den Außengrenzen und Abschiebungen noch während laufender Gerichtsverfahren. Hinter dem Brief stehen neben Bundestagsabgeordneten auch Landtagsabgeordnete aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, NRW und Berlin.

Die FDP appellierte an die Grünen, eine mögliche Einigung auf eine gemeinsame europäische Asylpolitik nicht zu blockieren. Die Chance für eine Reform diese Woche müsse unbedingt genutzt werden, sagte der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, der Mediengruppe Bayern. Jetzt, wo ein Kompromiss in Aussicht stehe, dürften die Grünen die Verhandlungen nicht mit unrealistischen Maximalforderungen blockieren. „Das Scheitern der Asylreform wäre eine schwere Hypothek für Deutschland und die gesamte Europäische Union.“

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