Kiels Porath im Quarantäne-Interview: Training von zu Hause: „Bin froh, wenn ich…“
Kiel/Köln –
Es sollte seine Saison werden: Mit 23 Jahren schien Holstein Kiels Finn Porath endlich im Profifußball angekommen, erzielte gegen den Karlsruher SC sein erstes Tor (20. Spieltag) in der Zweiten Liga. Mit der Ausbreitung des Coronavirus wurden Poraths Hoffnungen auf die Saison des endgültigen Durchbruchs jäh gestoppt.
Mitspieler Stefan Thesker (28) wurde positiv auf das neuartige Virus getestet, seitdem steht das gesamte Team unter Quarantäne.
Im Interview spricht das einstige HSV-Talent über die zweiwöchige Isolation, Lagerkoller in den heimischen vier Wänden und Verantwortungen einer Gesellschaft.
Hallo Finn, du befindest dich an deinem neunten Tag der Quarantäne, wie geht es dir?
Finn Porath: Mir geht es eigentlich ganz gut. Langsam fällt aber auch mir die Decke auf den Kopf. Ich bin froh, wenn ich das Fenster aufmachen und die Sonne genießen kann. Ich bin in meiner Wohnung in Kiel und bekomme jeden Tag einen Anruf vom Gesundheitsamt.
Wie trainierst du in dieser Zeit?
Ich habe mir vor drei Wochen einen Querfortsatz in der Lendenwirbelsäule gebrochen und muss meine Reha absolvieren. Das lässt sich auch in der Quarantäne von zu Hause aus gut durchziehen. Ich habe allerlei Trainingsgeräte hier und absolviere meine Reha in den heimischen vier Wänden. Ich mache morgens nach dem Frühstück Krafttraining und setze mich nach dem Mittagessen noch einmal für 50 Minuten auf das Spinningbike. Ansonsten schlafe ich viel, schaue Filme oder koche.
Wie kam die Quarantäne-Meldung innerhalb der Mannschaft an?
Schön war das natürlich nicht. Für die meisten aus dem Team ist es schwer, weil die sich auch um die Familie kümmern müssen oder Hunde haben, die raus müssen. Das war für mich deutlich einfacher, weil ich mich lediglich zwei Wochen alleine beschäftigen muss. In unserer Spieler-Whatsapp-Gruppe geht es dafür rund. Da alle zu Hause sitzen, ist da meist viel los, sobald sich einer meldet.
Wie geht es dem mit dem Coronavirus infizierten Stefan Thesker?
Stefan geht es gut. Er hatte für zwei, drei Tage die klassischen Grippe-Symptome, aber mittlerweile ist er wieder auf dem Damm.
Du bist im Sommer 2019 vom Hamburger SV nach Kiel gewechselt. Auch die Hamburger trainieren momentan von zu Hause aus. Hast du noch Kontakt zu ehemaligen Mitspielern beim Hamburger SV und redet ihr über diese Thematik?
Ich habe ab und an Kontakt mit Gideon Jung, aber nicht regelmäßig. Wir sehen uns, wenn wir gegeneinander spielen oder aber ich in Hamburg zu Besuch bin. Ich rede aber auch mit anderen Spielern, beispielsweise von Hannover, über die aktuelle Lage. Es kommen auch oft Nachfragen von anderen, da wir bei Holstein ja selber unter Quarantäne stehen. Das ist auch bei uns Spielern sehr präsent. Wir fragen uns auch, ob wir die Saison noch zu Ende spielen können.
Am 29. März ist die Zeit der Isolation vorbei, wie geht es dann bei euch weiter?
Man muss schauen, Wir waren zuvor schon relativ gut abgeschottet, Laufwege von Mitarbeitern, Jugendspielern und uns Profis wurden getrennt, damit wir vom Parkplatz bis zur Kabine keinem über den Weg laufen. Es ist natürlich schwer abzuschätzen, wie sich die Lage über die nächsten Wochen und Monate entwickeln wird, aber aktuell wird das Training wohl weiter sehr eingeschränkt ablaufen.
Wenn es nach DFL-Geschäfstführer Christian Seifert geht, soll es eine möglichst baldige Fortsetzung des Spielbetriebs mit Geisterspielen geben, andere Fordern den Abbruch der Saison. Wie sieht dein Team als direkt vom Coronavirus betroffene Mannschaft die Lage?
Grundsätzlich will jeder weiterspielen. Es wäre einfach unfair, die Saison abzubrechen. Teams wie Bielefeld würden ihrer Leistungen beraubt. Doch egal wie man es regelt, wird es eine große Herausforderung. Die dritte Liga würde durch Spiele ohne Zuschauer vor enorme Probleme gestellt werden, da sich die Vereine dort größtenteils über die Zuschauereinnahmen finanzieren. In der Zweiten Liga wären Partien unter Ausschluß der Öffentlichkeit meiner Meinung nach durchaus ein sinnvolles Szenario, auch wenn der Sport natürlich von der Atmosphäre lebt. Momentan gibt es aber sehr viel dringendere Probleme als Fußball.
Was beschäftigt dich stattdessen dieser Tage?
Ich wünsche mir, dass die Menschen weniger egoistisch handeln. Auch wenn die Sonne scheint und man etwas unternehmen könnte, muss man sich zurzeit einfach hinten anstellen. Das Virus gefährdet vorwiegend alte Menschen, deshalb müssen die jungen Menschen Rücksicht auf sie nehmen. Beim Klimawandel müssen sich dafür auch die Älteren einschränken, um den Jüngeren ein gutes Leben zu ermöglichen. So hat diese Krise vielleicht wenigstens ein Gutes, sie sorgt für ein respektvolleres Miteinander, bei der jeder lernt, mehr auf die Bedürfnisse des anderen einzugehen.