Hitzige Debatte: Sollen Hamburgs Groß-Vermieter enteignet werden?
Ist es gerechtfertig, große Wohnungskonzerne zu enteignen und in gesellschaftliche Hand zu übergeben? Auf jeden Fall, findet die Initiative „Hamburg enteignet“. Doch diese Forderung stößt in der Hamburger Politik bislang vor allem auf Skepsis und Ablehnung. Im MOPO-Talk mit Gastgeber und MOPO-Kolumnist Marco Carini diskutierte Initiativen-Sprecherin Maura Weigelt darüber mit Bausenatorin Karen Pein (SPD), der Linken-Politikerin Heike Sudmann und dem Chef des Hamburger Grundeigentümerverbandes Torsten Flomm – und erhielt vor allem von der Senatorin eine deutliche Ansage. Wie geht es jetzt weiter?
„Der Grund, warum die Mieten in Hamburg so hoch sind und noch höher werden ist die Art, wie private Konzerne ihre Wohnungen vermieten – nämlich zum reinen Profit“, sagt die Aktivistin am Montagabend im „Gausz“ in Ottensen. Ziel der Initiative ist es deshalb, Wohnungsgesellschaften mit mehr als 500 Wohnungen zu enteignen, um die Mieten dauerhaft günstig zu halten. Dazu übergaben sie im März mehr als 18.000 Unterschriften an den Senat.
MOPO-Talk: „Hamburg enteignet“ sammelte mehr als 18.000 Unterschriften
Ablehnung erhält Weigelt jedenfalls umgehend von Torsten Flomm, der das Mittel der Enteignung als „komplett ungeeignet“ bezeichnet. „Das geht eindeutig zu weit. Man kann den Konzernen auch anders beikommen und sie zwingen, die Gesetze einzuhalten. Das muss reichen.“
Linken-Wohnexpertin Heike Sudmann schüttelt bei diesen Aussagen aufgebracht den Kopf. „Natürlich gibt es seit Ewigkeiten die Gesetze, zum Beispiel den Wucherparagraphen. Aber die meisten Vermieter kümmert es nicht!“ Ihre Partei ist die einzige in der Bürgerschaft, die die Enteignungspläne der Initiative unterstützt. „Wir sprechen hier von etwa 120.000 Wohnungen, das ist noch weit von der Hälfte der Gesamtzahl entfernt“, setzt sie nach. „Es geht darum, den absurden Auswüchsen des Marktes beizukommen.“
Für Hamburgs Bausenatorin Karen Pein (SPD) läuft die Volksinitiative allerdings in die komplett falsche Richtung. „Es geht um Verhältnismäßigkeit. Enteignung ist ein sehr scharfes Schwert, das Existenzen auslöschen kann“, sagt sie. „Es gibt ja auch große Unternehmen, die fast nur Sozialwohnungen vermieten, wären die dann auch davon betroffen?“
Wäre eine Enteignung in Hamburg überhaupt rechtmäßig?
„Es geht nicht darum, einzelne Konzerne abzustrafen“, kontert Intiativen-Sprecherin Weigelt. „Aber es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass die günstigen Wohnungen vor allem bei der SAGA und den Genossenschaften liegen und nicht auf dem freien Markt.“
Streitigkeiten gibt es vor allem bei der Frage: Wäre so eine Enteignung überhaupt rechtmäßig? Weigelt und Sudmann argumentieren mit dem Artikel 15 des Grundgesetzes, der vorsieht, dass Produktionsmittel, Grund und Boden in Gemeingut überführt werden können – wenn es dafür eine Entschädigung gibt. Angewendet wurde dieser Paragraph bisher noch nie.
Wie hoch würden Konzerne bei Enteignung entschädigt?
Derzeit wird die Forderung der Initiative noch von Peins Behörde geprüft. „Ich gehe aber davon davon, dass das rechtlich nicht zulässig sein wird“, sagte die Senatorin, vor allem wegen der genannten Entschädigung, die dann an die Wohnungskonzerne abfiele. „Die Hamburger Verfassung besagt, dass ein Haushalt nicht übermäßig belastet werden darf“, sagt sie. Rechne man das am Beispiel Berlin für Hamburg aus, kämen um die 36 Milliarden Euro Entschädigung auf die Stadt zu. „Zum Vergleich: Der gesamte Hamburger Haushalt umfasst lediglich 18 Milliarden“, gibt die Politikerin zu bedenken.
Sie bezeichnet die Initiative als kontraproduktiv. „Das eigentliche Problem in Hamburg ist, dass wir zu wenig Wohnungen haben, deshalb müssen wir mehr bauen“, so Pein. „Wer soll aber noch investieren, wenn wir große Konzerne enteignen?“
Noch bis Mitte September hat die Bürgerschaft Zeit, ein solches Enteignungsgesetz der Volksinitiative entweder auf den Weg zu bringen oder die Forderung zurückzuweisen. Sollten sich die Abgeordneten dagegen entscheiden, will die Initiative ein Volksbegehren beantragen – und damit einen Volksentscheid herbeiführen.