Handball-EM: Ex-HSV-Star mit Ansage in Richtung Deutschland: „Sportlicher Krieg“
60 Minuten, 110 Prozent Einsatz, 1000 Emotionen und 10000 Zuschauer, die die Wiener Stadthalle in einen Hexenkessel verwandeln werden. Deutschland gegen Kroatien – viel mehr als nur das Schlüsselspiel im Kampf um das Halbfinale in der EM-Hauptrunde. Es ist ein echter Klassiker, großes Kino, oftmals Drama und eines der heißesten Duelle, die der Handball zu bieten hat.
Prime Time. Samstagabend 20.30 Uhr. Die große Bühne. Ein Millionen-Publikum vor den TV-Geräten. Mehr geht eigentlich nicht. Wer für dieses Spiel noch motiviert werden muss, der hat seinen Job verfehlt oder den Handball nie geliebt.
„Das wird ein Kracher“, weiß Deutschlands Torhüter-Riese Johannes Bitter. „Die Duelle gegen Kroatien sind immer heiß und intensiv“, sagt Bundestrainer Christian Prokop, der von seiner Mannschaft fordert, „mit einer mannschaftlichen Aggressivität, Geschlossenheit und Überzeugung den Kampf anzunehmen“. Rückraum-Kanonier Julius Kühn erwartet „ein Spiel mit vielen Emotionen – und ich kann mir vorstellen, dass das Hallendach wegfliegen wird“.
Handball-EM: Kroatien-Boss glaubt an „sportlichen Krieg“
Es ist nicht so leicht in Worte zu fassen, was dieses Duell ausmacht, wie stark die Emotionen im Spiel sind – und auch auf den Tribünen, wo die frenetischen kroatischen Fans die Überhand haben werden. „Das sind ganz besondere Spiele. Das wird ein sportlicher Krieg“, sagt der frühere Weltklasse-Kreisläufer und jetzige Teammanager der Kroaten, Igor Vori, im Gespräch mit der MOPO. „Eine Stunde lang sportlicher Krieg.“
Vori hat einige dieser Schlachten selbst geschlagen. Das WM-Finale gegen Deutschland 2003, das olympische Finale 2004. Beide Male triumphierten die Kroaten knapp und fügten den Deutschen schmerzhafte und beinahe traumatische Niederlagen zu.
Das letzte Duell ging an Deutschland
Es geht auch umgekehrt. Bei der WM 2019 besiegte die DHB-Auswahl die Kroaten in der Hauptrunde in einem umkämpften Thriller in der Kölner Arena mit 22:21. Deutschland löste damit das Ticket für das Halbfinale, während Kroatien es vorzeitig verpasste. Die Unterlegenen wüteten anschließend, fühlten sich in den Schlussminuten von den Schiedsrichtern betrogen. „Das ist Geschichte, abgehakt“, versichert Vori, der von 2009 bis 2013 für den HSV Handball spielte.
Und heute? Die Kroaten spielen bislang ein überragendes Turnier, die Deutschen haben nach einer schwachen Vorrunde mit dem 31:23 gegen Weißrussland gerade die Kurve gekriegt und ihr erstes überzeugendes EM-Spiel gemacht.
Ex-HSV-Keeper: „Kroatien ist Favorit“
„Kroatien ist Favorit“, sagt Bitter. „Deutschland ist Favorit“, sagt Domagoj Duvnjak, Superstar der Kroaten, der auf Nachfrage erklärt, kein Vorrundenspiel der schwächelnden DHB-Auswahl gesehen zu haben – was einiges erklärt.
Favorit? Ja, wer denn nun?! Für Vori ist diese Frage völlig unerheblich und unzulässig. „Das ist Kroatien gegen Deutschland!“, sagt er derart vehement, als bedürfe es keiner weiteren Erklärung. „Da spielt es keine Rolle, was in den Spielen vorher war.“
Die deutschen Spieler hoffen, dass der Sieg gegen Weißrussland ein echter „Neustart“ (Patrick Wiencek) ist, Kräfte freisetzt und beflügelt. Die Mannschaft muss heute mindestens eine Schippe drauflegen, denn „Kroatien ist natürlich eine andere Hausnummer“, weiß DHB-Vize Bob Hanning.
Duvnjak freut sich auf ein „geiles Spiel“ – und auf seinen alten Buddy Bitter, mit dem er wie auch Vori viele Jahre gemeinsam bei HSV Handball gespielt und Titel gefeiert hat. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich Jogi nochmal bei einem großen Turnier begegne“, sagt „Dule“ mit einem Lachen über den deutschen Keeper, der bei dieser EM mit 37 Jahren sein DHB-Comeback gibt. „Es freut mich für ihn. Er ist ein großartiger Torhüter und ein super Typ.“ Und Vori (39) scherzt: „Jogi ist ein junger Mann!“
Spieler gingen zusammen Kaffee trinken
Deutschland gegen Kroatien – hart, aber auch herzlich. Noch am Vortag des Spiels liefen sich die alten Gefährten mehrfach über den Weg. Die Mannschaften sind, wie im Handball üblich, im selben Hotel untergebracht, im Hilton Garden Inn im Süden von Wien. Duvnjak hatte sich vorgenommen, mit seinen Kieler Vereins-Kumpels Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler gemütlich einen Kaffee zu trinken und zu plaudern. Handballer halt.
Heute wird die Freundschaft 60 Minuten ruhen und jede Begegnung auf dem Spielfeld, wird mit Schmerzen verbunden sein. Die wahre Pein – für die eine oder die andere Seite – setzt aber mit der Schlusssirene ein.