Profi-Fußballer: Das hat die Corona-Pause mit der Psyche gemacht
„Die mentale Qualität jedes einzelnen Spielers wird extrem wichtig sein. Trotz der nicht vorhandenen Kulisse muss man sich absolut fokussieren und bis zur letzten Minute konzentriert sein.“ Sätze von St. Paulis Trainer Jos Luhukay vorm Nürnberg-Spiel. Die kann Thomas Stickroth nur bestätigen.
Er war ab 2014 für ein halbes Jahr am Millerntor Mentalcoach und ist jetzt klassischer Co-Trainer von Jens Keller beim „Club“. Keiner weiß besser als der 55-jährige Ex-Profi des VfL Bochum, wie wichtig der Kopf beim Fußball ist. Gerade in diesen turbulenten Corona-Zeiten.
Thomas Stickroth hat für den FC St. Pauli gearbeitet
Stickroth mag nicht mehr darüber reden, dass seine Arbeit beim Kiezklub aufgrund stillosen Umgangs mit seiner Person frühzeitig beendet war: „Es war trotzdem eine gute Erfahrung für mich, Hamburg bleibt für mich die schönste Stadt Deutschlands.“
Er hält Mentaltrainer nach wie vor für extrem wichtig: „Viele haben ein falsches Bild von dieser Arbeit und denken: Da liegt einer mit psychischen Problemen auf der Couch. Aber das ist Quatsch!“ Es gehe um Orientierung, Weiterentwicklung, um Stressresistenz, Widerstandsfähigkeit, sogar um Visualisierung: „Mit einer guten Vorstellungskraft kann man Bewegungsabläufe vorempfinden.“ Schließlich ginge es darum, die Leistung der Spieler zu optimieren. Deshalb habe man auch in Nürnberg mit Mathias Berthold, der auch Ski-Ass Felix Neureuther betreute, einen Mentalcoach, mit dem er sich intensiv austauschen würde.
Thomas Stickroth betont Bedeutung von Mentaltrainern
Stickroth wundert sich darüber, dass seit Jahrzehnten im Profi-Fußball immer wieder darauf hingewiesen werden würde, wie wichtig der Kopf sei. Deshalb versteht er nicht, dass der Job eines Mentaltrainers nicht die Anerkennung findet, die er verdient: „Es gibt mittlerweile bei allen Vereinen Spezialisten für die Torhüter, für die Athletik und für die Reha. Warum nicht also auch für den Kopf, der ja – wie alle betonen – so wichtig ist.“
Stickroth kennt die Psyche der Profis genau, weiß, wie sie in den vergangenen Wochen ohne Mannschaftstraining gelitten haben: „Jeder Fußballer hat normalerweise ein Ziel vor Augen. Sie brauchen Woche für Woche einen Spannungsaufbau. Aber all das hat durch die Spielunterbrechung gefehlt. Jetzt sind alle froh, dass es wieder losgeht.“
Stickroth glaubt, dass die Spieler die zurückliegende Phase trotz zuletzt widriger Bedingungen gut überstanden haben: „Sie sind zuversichtlich und haben keine Angst normal Fußball zu spielen – mit allem, was dazugehört.“ Und auch mit den leeren Rängen würden sie klarkommen: „Das ist für alle gleich. Alle werden sich daran erinnern, wie es für sie in der Jugend war, wo nur die Trainer, Ersatzspieler, Betreuer und Eltern draußen standen und reingerufen haben. Das ist Fußball pur.“