Irrer Karriere-Sprung!: Vom Schüler (17) zum Hamburger Zweitliga-Handballer
Im Handball ist er ein Spätstarter, beim Handball Sport Verein Hamburg der Senkrechtstarter. Von einem Tag auf den anderen ist aus einem Schüler, der sehr gut Handball spielt, ein Zweitliga-Handballer geworden, der noch zur Schule geht. Thore Feit kann diesen Karrieresprung noch immer nicht fassen. Mit zarten 17 Jahren stand er plötzlich im professionellen Handball am Kreis seinen Mann. Geplant war das alles nicht und auch nicht abzusehen.
Feit spricht von Glück und Zufall, sein Verein von einem Glücksfall. „Ich hätte nie gedacht, dass das passieren könnte“, sagt der Jungspund. Er hat keine Ahnung, wie es weitergeht. Garantien gibt es nicht, aber Chancen.
Es ist eine der schönsten Geschichten, die der Hamburger Sport in Corona-Zeiten schreibt. Und eine der verrücktesten. Diese Story hat eigentlich alles, was es braucht für das klassische Sportmärchen von einem Jungen, der plötzlich das lebt, was er sich immer erträumt hat. Was fehlt, ist der Traum. Gerade das macht die Geschichte so besonders.
Handball: Thore Veit wirft Tore für Hamburg
„Wenn ich ehrlich bin“, sagt Thore Feit im Gespräch mit der MOPO und er klingt dabei fast entschuldigend, „dann muss ich sagen, dass es nie mein Ziel war, richtiger Leistungssportler oder Handball-Profi zu werden. Das war vor kurzem noch alles so verdammt weit weg. Es schien unerreichbar.“
Bis zu jenem Mittwoch, dem 7. Oktober. Nach dem Training der U19 des HSVH nahm Trainer Stefan Schröder, ehemaliger Profi und Publikumsliebling des Vereins, Feit und seinen Teamkollegen Jan Möller beiseite. „Er hat uns ziemlich unverfänglich gefragt, ob wir nicht Lust hätten, am nächsten Tag bei den Herren mitzutrainieren. Ich hatte natürlich Bock und in den Ferien hat man ja eh nichts zu tun“, erzählt Feit.
Thore Feit geht zur Schule und ist auf Abitur-Kurs
Der Nachwuchs-Spieler wohnt in seinem Elternhaus in Pinneberg, geht dort zur Schule und steuert auf sein Abitur im kommenden Frühjahr zu. Das Telefonat mit der MOPO findet direkt nach Schulschluss statt. Er hat sich im Gebäude eine ruhige Ecke gesucht.
Was Schröder zunächst nicht erwähnte: Die Zweitliga-Mannschaft hatte vor dem anstehenden Heimspiel gegen Konstanz aufgrund von Verletzungen und Corona-Quarantäne akute Personalprobleme, auf der Kreisläuferposition fehlte ein zweiter Mann.
Wegen Corona: Feit in Zweitliga-Kader befördert
Nach der zweiten Trainingseinheit mit der ersten Mannschaft eröffnete Trainer Torsten Jansen, der zuletzt vor einem Comeback gestanden hatte, den beiden Talenten, dass sie gegen Konstanz im Kader stehen würden. Zwei Tage später feierten Feit und Möller ihr Zweitligadebüt und erhielten einige Minuten Spielzeit. „Allein das war schon der Wahnsinn“, so Feit.
Anders als gedacht und auch geplant, war dies jedoch nur der Anfang. Fünf Tage später beim Auswärtsspiel in Aue war Feit nach der Roten Karte gegen Stamm-Kreisläufer und Toptorjäger Niklas Weller schon kurz nach der Halbzeit richtig gefordert und steuerte zum Sieg sein erstes Tor in Liga zwei bei. „Da dachte ich, dass es besser nicht werden kann.“ Denkste.
Thore Feit sprang für Toptorjäger Niklas Weller ein
Die Corona-Pandemie macht vieles unmöglich in diesen Wochen, aber eben auch einiges möglich – oder nötig. Wiederum fünf Tage später mussten die Hamburger trotz eines Mini-Kaders aufgrund mehrerer Corona-Fälle in Großwallstadt antreten und Feit war plötzlich Kreisläufer Nummer eins in Angriff und Abwehr, weil Weller in Corona-Quarantäne geschickt worden war.
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Nach einem verkrampften Beginn spielte Feit sich frei, lieferte eine angesichts seines Alters und der Umstände beeindruckend stabile Leistung ab und stellte mit einem seiner beiden Tore kurz vor Schluss die Weichen auf Sieg. Er hatte seine Chance genutzt.
Hamburg-Trainer Torsten Jansen lobt Thore Feit
„Das war ein großer Sprung für Thore“, sagt Jansen und lobt: „Er hat die Herausforderung körperlich und auch mental gut gemeistert.“ Manchmal, sagt der Coach, „ist der Sprung ins kalte Wasser gut und beschleunigt die Entwicklung“.
Plötzlich Zweitliga-Handballer. „Das sind krasse Gefühle“, sagt Feit. „Ich bin sehr glücklich und auch stolz auf mich, was ich bis jetzt geschafft habe.“ Es klingt nicht angeberisch. Man muss vielmehr seinen Werdegang kennen. Sein Weg war nicht vorgezeichnet.
Feit spielt erst seit vier Jahren Handball
Vor gut drei Jahren hatte Feit ein Probetraining bei der B-Jugend des HSVH ergattert, durch ein paar glückliche Umstände, wie er sagt. Damals spielte er noch bei der HSG Pinnau. Er hatte erst im Alter von 13 Jahren mit Handball angefangen, weil er mit Fußball nicht ausgelastet war.
„Ich hatte zu viel Energie. Meine Mutter meinte, ich solle mir noch einen zweiten Sport suchen.“ Er probierte Handball aus. Feit hatte „gleich ein Händchen dafür“, erzählt er. Der Zweitsport wurde Lieblingssport und Feit schnell richtig gut.
HSVH-Talent Feit: Nie ein „Überflieger“
Er war jedoch „keiner dieser Überflieger“, wie er es nennt, die der HSVH üblicherweise für seinen Nachwuchs rekrutiert. „Es war schon ein Erfolg, überhaupt das Probetraining machen zu dürfen. Ich war mir sicher, dass ich abgelehnt werde.“ Doch Feit überzeugte, wurde angenommen.
Als es darauf ankam, hatte er abgeliefert und sich dabei gesteigert. Wie auch jetzt. „Es war aber auch oft Glück und Zufall dabei“, sagt er bescheiden. Andererseits ist es auch eine Qualität, die sich bietenden Chancen konsequent zu nutzen, zuzupacken, an Herausforderungen zu wachsen, dem Druck standzuhalten.
Hamburgs Handballer wollen Thore Feit Vertrag anbieten
Das Spiel in Großwallstadt sei „Thores Reifeprüfung“ gewesen, sagt HSVH-Geschäftsführer Sebastian Frecke. Feit habe sich für höhere Aufgaben empfohlen. „Der Notfall war ein Glücksfall, für ihn und auch für uns.“ Das Kreisläufer-Talent passe ohnehin perfekt „in unsere Vereinsphilosophie, junge Spieler aus den eigenen Reihen aufzubauen“, so Frecke.
Der HSVH will Feit längerfristig binden. „Wir wollen sein Talent fördern und werden uns in den nächsten zwei, drei Wochen zusammensetzen, um über vertragliche Dinge zu sprechen.“
Blut geleckt: Feit kann sich Handball-Karriere vorstellen
Erst vor kurzem hatte sich Jansen mit Feit und dessen Eltern zusammengesetzt. Auch für sie ist es eine völlig neue Situation, dass der Sohn plötzlich die realistische Option einer Sport-Karriere hat.
„Ich kann mir das mittlerweile vorstellen, diesen Weg zu gehen“, sagt Feit, der am 16. Dezember 18 Jahre alt wird. Ein stabiles Umfeld, das dahinter steht, ist wichtig. „Ich habe echt Blut geleckt, will dabei bleiben, Erfahrungen sammeln und lernen. Ich werde alles reinhauen. Keine Ahnung, was daraus wird.“
Torsten Jansen: „Thore weiß, dass noch viel zu tun ist“
Trainer Jansen, der sehr gut mit jungen Spielern umgehen kann, betont, dass Potenzial die Grundlage, aber keine Garantie ist. „Thore und ich wissen beide, dass noch viel zu tun ist.“ Andererseits hat der Frischling schon viel erreicht, viel mehr als er vor gut einem Monat zu träumen gewagt hätte.
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„Es ist immer noch ein weiter Weg für mich“, weiß Thore Feit. „Aber jetzt habe ich ein echtes Ziel.“