HSV-Abwehr, Integration, Taktik: Das sind Walters Baustellen in den Bergen
Ihm entwich ein breites Grinsen, als er am Donnerstagabend um 19.10 Uhr in Richtung des 4,8-Sterne-Hotels marschierte. Weil er 2019 – damals noch als Trainer des VfB Stuttgart – schon mal im „Kitzhof“ zu Gast war, wusste Tim Walter schon vor der Abreise nach Kitzbühel, was ihn vor Ort erwarten würde. Der HSV-Coach weiß aber auch, worauf es im Trainingslager neben dem nötigen Spaß noch ankommt: harte Arbeit. Denn der HSV hat am Fuße der Tiroler Berge mehrere Baustellen zu bearbeiten.
Welche die wohl größte ist, wurde schon vor dem ersten richtigen Härtetest der Vorbereitung – am Freitagabend (18 Uhr) gegen Viktoria Pilsen in Westendorf – deutlich: die Abwehr. Wenngleich das Ergebnis im Testspiel gegen Landesligist FC Verden (3:2) nach erst zwei absolvierten Trainingseinheiten nur sehr bedingt aussagekräftig war, so offenbarte schon das Gegentor zum 0:1 erneut ein großes Defizit der Vorsaison. Stichwort: Konterabsicherung.
Walter muss die HSV-Neuen integrieren und sensibilisieren
Die 45 Gegentore aus der vergangenen Spielzeit, nachdem es 2021/2022 noch zehn weniger waren, lagen freilich nicht nur, in vielen Fällen aber in einer schlechten Restverteidigung begründet. Weil Walter auch künftig kaum etwas an seiner Ballbesitz-orientierten Philosophie ändern wird, wird er seine Profis schon in Österreich sensibilisieren müssen, wann Risiko angebracht ist und wann nicht, wann Gegenpressing lohnenswert ist oder ein kollektives Zurückziehen doch besser.
Dass Guilherme Ramos (Schulter) bis zum Saisonstart nicht fit werden wird, macht die Sache nicht einfacher. Wie bei Neuverpflichtung Dennis Hadzikadunic sowie Immanuel Pherai und Levin Öztunali, der im vergangenen Jahr kaum spielte, geht es dennoch auch bei Ramos um eine schnellstmögliche Integration – Baustelle zwei.
Es geht natürlich um die Aufnahme der Neuzugänge in Walters „verschworenen Haufen“, in die Einheit aus Staff und Profis mithilfe von Teambuilding. Es geht aber auch und besonders um deren Eingliederung in Walters komplexe Spielidee – denn es sind nur noch drei Wochen bis zum Auftaktspiel der Zweiten Liga am 28. Juli.
Boldt will an „Identität“ festhalten
Mit welcher Ausrichtung Walter gegen Schalke 04 spielen lassen wird, ist offen. Das Vorbereiten taktischer Anpassungen wird ziemlich sicher aber auch in Kitzbühel ein Schwerpunkt sein, nachdem Walter schon in der Rückrunde teils variabler spielen ließ. „Wir sind definitiv flexibler geworden“, meint Jonas Boldt, sagt aber auch: „Wir haben eine Identität – und die wollen wir beibehalten.“
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Dass der HSV nicht alle Profis behalten wird, deutete der Sportvorstand aber ebenfalls an. Und Walter wird genau beobachten, wie sich seine (unzufriedenen) Spieler während des Camps präsentieren. Im Falle weiterer Neuzugänge sind die Talente Elijah Krahn, Valon Zumberi und William Mikelbrencis Kandidaten für eine Leihe, Filip Bilbija steht laut „Bild“ schon vor dem Abgang zum SC Paderborn und kam nicht mehr mit ins Trainingslager.
Und Ransford Königsdörffer wird nach nur 15 Startelf-Einsätzen in der Vorsaison verfolgen, welche Rolle Walter ihm künftig geben wird – wenn der Trainer nicht gerade mit einer anderen Baustelle beschäftigt ist.