Aufwind nach Coming-Out: Wie Shootingstar Lil Nas X das Rap-Milieu aufmischt
Los Angeles –
In seiner Branche gibt es bisher nicht viele seinesgleichen: Rapper Lil Nas X sticht heraus – und das nicht nur aufgrund seiner extravaganten Outfits. Der 21-Jährige ist nicht nur wahnsinnig erfolgreich, er hat sich im vergangenen Jahr auch öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt.
Dicke Autos, schwere Goldketten, nackte Frauen und Proll-Gehabe – damit verbinden wohl viele Menschen HipHop und Rap. Natürlich greift dieses Bild viel zu kurz. Wer einmal das Gangsterrap-Klischee hinter sich gelassen hat, weiß, wie politisch, sozialkritisch, witzig und klug HipHop sein kann. Doch egal welche Rap-Größe man heranzieht, ob Dr. Dre, Eminem, Nas oder Snoop Dogg, sie alle vereint das zur Schau stellen einer heterosexuellen Männlichkeit und Potenz.
Trotz heterosexueller Rap-Welt: Lil Nas X outet sich als schwul
Denn im Rap ist es ähnlich wie im Fußball: Man will hart sein, männlich, stark. Um sich in so einem Milieu zu bewegen und, wie der US-Rapper Lil Nas X, sich als schwul zu outen – dafür bedarf es an Mut und Selbstbewusstsein.
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Der Künstlername von Lil Nas X zeigt dieses Selbstbewusstsein bereits. Denn trotz des „Lil“ davor, stellt er sich in eine Linie mit dem berühmten US-Rapper „Nas“, der ein wirkliches Schwergewicht des amerikanischen HipHop ist – sein Debütalbum „Illmatic“ von 1994 gilt nach wie vor als Meilenstein.
Ein Schwergewicht ist Lil Nas X zwar noch nicht, mit seinem Country-Trap-Song „Old Town Road“ hat er letztes Jahr jedoch einen weltweiten und besonderen Hit gelandet. Insgesamt 19 Wochen stand der Song an der Spitze der „Billboard Hot 100“ und ist damit der erfolgreichste Titel in der Geschichte der US-Charts.
„Old Town Road“ ist das erfolgreichste Lied der US-Charts
In seinen Musikvideos tritt der Musiker in skurrilen Kostümen auf und erschafft abgedrehte Welten, durch die er sich rappend und tanzend bewegt. Er erinnert dabei von seinen Melodien her ein wenig an den Rapper Drake, während die Outfits an den Stil von Pop-Ikonen wie Michael Jackson oder Prince anzuknüpfen scheinen. Richtig einordnen lässt sich Lil Nas X jedoch nur schwer.
Er ist keiner dieser Rapper von der Straße und auch keiner, der die Musik von Anfang an ernst genommen hat. Er machte sie nur nebenbei, während er am College Informatik studierte, so berichtet es der Streatwear-Blog „Highsnobiety“. Dennoch wusste der junge Rapper von Beginn an, wie man sich gut vermarktet und in Szene setzt – vor allem auch in den sozialen Medien.
Für seinen Hit „Old Town Road“ mischte Lil Nas X, in Zusammenarbeit mit der Country-Legende Billy Ray Cyrus, Country-Musik und Rap zu einem neuen Stil, der es in sich hat. Der Text bewegt sich dabei ebenso zwischen den Welten, wie er sich selbst zwischen den Musikgenres: „Ich werde mein Pferd mitnehmen zur alten Stadtstraße. Ich werde reiten, bis ich nicht mehr kann.“
Rapper Lil Nas X dank Coming-Out so selbstsicher wie nie
Lil Nas X trifft mit seiner frischen und unkonventionellen Andersartigkeit den Nerv der Zeit. Sein Coming-Out scheint ihm dabei nicht geschadet zu haben – im Gegenteil. Anders als vielleicht erwartet, bekam er viele positive Reaktionen, über die er sich sehr gefreut habe. „Ich bin mittlerweile so selbstsicher wie nie zuvor. Es gibt zwar immer wieder Phasen, die schwer sind. Aber meistens habe ich eine breite Brust.“
Und er legt sogar noch einen drauf: „Was meine persönliche Entwicklung angeht, war es vermutlich das beste Jahr meines Lebens. Ich habe mich selbst besser kennengelernt und bin selbstbewusster geworden“, so der 21-Jährige.
Rapper Lil Nas X arbeitet während Corona-Krise an neuer Musik
Derzeit steht der zweifache Grammy-Gewinner mit der Single „Holiday“ in den Charts. Die Corona-Zeit nutze er für seine Musik, kommendes Jahr will er sein Debütalbum veröffentlichen. „Ich konnte durch die Corona-Auszeit endlich an neuer Musik arbeiten und musste nicht ständig auftreten und reisen. Das hat mir ganz gut getan“, so Lil Nas X.
Ob sich sein neues Selbstbewusstsein und sein Coming-Out auch auf seine Rap-Texte auswirkt wird man sehen. Mit seiner Erscheinung und seinem Auftreten mischt er die heterosexuell-männlich dominierte Rap-Szene jedoch bereits enorm auf.