St. Paulis Geister-Sieg: „Interessiert es überhaupt jemanden, was du hier machst“
Begeisterung und Entgeisterung am Millerntor. An das Resultat könnte man sich gewöhnen, an die Umstände nicht. Im ersten Geisterspiel nach der Corona-Pause hat der FC St. Pauli einen wichtigen Sieg für das Punktekonto und die Moral gefeiert. Die Kiezkicker bezwangen den 1. FC Nürnberg dank eines späten Tores glücklich mit 1:0 (0:0) und kletterten auf Tabellenplatz neun.
Nach dem Schlusspfiff, der viel lauter und schriller als üblich von den leeren Tribünen widerhallte, schrien die Kiezkicker ihre Freude heraus – und man konnte jeden Einzelnen von ihnen hören. Die Spieler beglückwünschten sich untereinander Corona-regelkonform, indem sie die Ellenbogen gegeneinanderstießen, und einige von ihnen machten dann noch mit einem Augenzwinkern die Welle vor der Haupttribüne, wo das Präsidium das Spiel verfolgt hatte und nun mit ein paar Pullen Astra auf den Sieg anstieß und „St. Pauli, St. Pauli!“ skandierte.
Siegen in Zeiten von Corona. Schrecklich schön. Nur an das Resultat kann man sich gewöhnen. Die Atmosphäre – zum Abgewöhnen!
Marvin Knoll: „Die Fans haben uns sehr gefehlt“
„Es war komisch“, befand Marvin Knoll nach dem Spiel. „Die Fans haben uns sehr gefehlt. Trotzdem haben wir die Situation gut angenommen.“ Torhüter Robin Himmelmann beschrieb die Szenerie als „skurril“ und gab zu: „Zwischendurch fragst du dich schon, ob es überhaupt jemanden interessiert, was du hier machst.“
Himmelmann hatte seine Sache jedenfalls gut gemacht und seinen Anteil daran, dass es zum Liga-Neustart einen Sieg gab.
Nürnberg erwischt den besseren Start
St. Paulis dritter Dreier in diesem Jahr war eine verdammt schwere Geburt. Die Gäste aus Nürnberg waren in der ersten Hälfte die bessere Mannschaft, spritziger, giftiger, wacher und hatten zahlreiche Chancen, die sie teilweise schlampig vergaben.
Spielerische Probleme beim FC St. Pauli
Die Kiezkicker bekamen keinen Zugriff auf das Spiel, hatten vor allem im Mittelfeld große Probleme, kamen schlecht in die Zweikämpfe, liefen viel hinterher und fanden bei Ballbesitz kaum Anspielstationen.
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Luhukay nimmt noch vor der Pause Diamantakos vom Feld
Kurz vor der Pause reagierte Trainer Jos Luhukay mit einem taktischen Wechsel, indem er mit Finn Ole Becker für Dimitrios Diamantakos einen zusätzlichen Spieler für die Zentrale brachte.
Nürnbergs Mathenia sieht nach Notbremse die Rote Karte
Knackpunkt der trotz der langen Spielpause temporeichen und durchaus ansehnlichen Partie war die 52. Minute: Becker schickte Henk Veerman mit einem Steilpass in Richtung Nürnberger Tor. Der 2,01-Meter-Riese legte den Ball am heranstürmenden Club-Keeper Christian Mathenia vorbei, der Veerman vor dem Sechzehner zu Fall brachte. Doch erst nach Videobeweis entschied Schiedsrichter Daniel Siebert auch tatsächlich auf Foul, Notbremse und Platzverweis für Mathenia.
Luhukay: „Es fehlte die Genauigkeit“
„Die Rote Karte hat uns das Leben deutlich einfacher gemacht“, wusste Kapitän Daniel Buballa um den Vorteil der Überzahl, die Nürnbergs Dominanz im Mittelfeld brach. Mit einem Mann mehr auf dem Platz lautete die Torschussbilanz 6:1 für St. Pauli, vor dem Platzverweis 7:13. Die Brau-Weißen agierten in der Folge druckvoller, aber „wenn es gefährlich wurde, fehlte die letzte Genauigkeit“, bemängelte Luhukay.
Viktor Gyökeres sorgt für die Erlösung
Es passte, dass eine feine Einzelaktion von Viktor Gyökeres die Erlösung brachte, der ein Solo auf der linken Seite mit einem trockenen, platzierten Distanzschuss ins lange untere Eck krönte.
„Wir sind am Ende der glückliche Gewinner“, wusste Luhukay. „Aber wenn man weiß, wie wichtig so ein erstes Spiel ist, freue ich mich für die Mannschaft.“
Ein wichtiger Sieg. Wertvoll. Aber ohne Fans, da waren sich alle einig, allenfalls halb so schön.