Angst vor Übergriffen: Die LGBTIQ+-Community auf dem CSD packt aus
Selten war ein CSD so politisch wie in diesem Jahr. Unter dem Motto „Selbstbestimmung jetzt! Verbündet gegen Trans*feindlichkeit” versammelten sich heute rund 250.000 Menschen. Doch was ist am diesjährigen CSD besonders und wie nimmt die LGBTIQ+-Community die Stimmung in der Bevölkerung wahr? Die MOPO hat sich auf der Demo umgehört.
Politische Stimmung gegen die Community, zunehmender Hass und Gewalt: In den letzten Wochen gab es immer wieder Berichte über Queer- und Transfeindlichkeit. Und die Zahlen steigen: Wo 2021 in Deutschland noch 870 Fälle von Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung angezeigt wurden, waren es 2022 schon 1005 Fälle, so das Bundesministeriums für Inneres und Heimat. Die Dunkelziffer schätzt das Ministerium aber weitaus höher ein.
Übergriffe, Angst, Zusammenhalt: Das erzählt die LGBTQI+-Community
„Dass queer- und transfeindliche Übergriffe zugenommen haben, ist Realität. Das kann man an den Zahlen sehen“, erzählt Jonas (26). Wenn er mit Regenbogen-Klamotten oder Nagellack aus dem Haus gehe, habe er schon Angst, verprügelt zu werden.
Erst letztes Jahr habe eine Gruppe „Halbstarker“ Jonas und seine Freunde in Saarbrücken angegriffen: „Sie haben sich zusammengerottet, mit Pfefferspray um sich gesprüht und uns herumgeschubst.“ Deshalb fühle er sich in größeren Gruppen wie auf dem CSD sicherer.
Doch auch in größeren Gruppen kann etwas passieren: Alex (37) war auf dem Dyke-Marsch in Köln, als plötzlich eine Gruppe TERFs (trans ausschließende Radikalfeministinnen) in die Versammelten hineingestürmt sei. Sie hätten wild herumgeschubst und transfeindliche Parolen geschrien, erzählt Alex. „Das hat mich schon schockiert und beschäftigt mich noch immer.“
Ähnlich ist die Stimmung in den USA. Vor einem LGBTIQ+-Center in Brooklyn, New York, hätten sich weiße Demonstrant:innen versammelt, erzählt James (47). Die Polizei hätte anrücken müssen, um die Community im Center zu beschützen.
„Selbstbestimmung jetzt!“ – Transfrau fordert gesetzliche Hürden abzubauen
Gwen (30) hingegen erlebe Diskriminierung und Schwierigkeiten eher von den Institutionen. „Ich wohne auf dem Campus und bewege mich nur dort und in der Uni, da sind alle sehr tolerant.“ Aber Gesetze und politische Regelungen würden trans Menschen noch immer viele Hürden in den Weg stellen, erzählt Gwen. Mit darunter falle das aktuelle Transsexuellengesetz (TSG), das viele transfeindliche Punkte enthalte, die wissenschaftlich gar nicht bewiesen seien.
Gerade steckt Gwen mitten in ihrer Umwandlung zur Frau und hofft, dass das Selbstbestimmungsgesetz bald beschlossen wird. Deshalb fordert sie heute mit ihrer Freundin Annabelle (24) auf der CSD-Demo, dass gesetzliche Hürden für die trans-Community abgebaut werden.
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Mehr Selbstbestimmung, keine Diskriminierung oder Hass
Zwischenfälle gebe es also immer wieder und auch die Politik solle sich mehr für die Community einsetzen, heißt es fast einheitlich. Deshalb machten sich heute alle Mitlaufenden mit dem Motto „Selbstbestimmung jetzt! Verbündet gegen Trans*feindlichkeit” nochmals für Toleranz und Akzeptanz stark. Akzeptanz, durch das neue Selbstbestimmungsgesetz und Akzeptanz in der gesamten Gesellschaft.