Schlagfertigkeitsqueen: „Männer finden sich naturgeil – das sollten Frauen auch lernen“
Köln –
Was Frauen mit Krabben zu tun haben? Und wie sie sich in Sachen Selbstliebe gehörig etwas von den Männern abschauen können? Genau darum geht es im neuen Werk von Schlagfertigkeitscoach und Bestseller-Autorin Nicole Staudinger, 37, die mit der Show zum Buch nun auf Deutschland-Tournee geht.
Nach „Brüste umständehalber abzugeben“, in dem sie über ihre Brustkrebs-Erkrankung als junge Mutter schreibt, ihrer „Schlagfertigkeitsqueen“ mit Tipps für mehr Eloquenz im Alltag und ihrem humorvollen Abnehmbuch „Ich nehm schon zu, wenn andere essen“, legt sie nun ihr fünftes Buch vor.
Anders als der Titel „Männer sind auch nur Menschen“ suggeriert, ist dies aber kein Läster-Werk geworden, sondern vielmehr eine Solidaritäts-Aufforderung: Frauen dieser Welt, vereinigt euch! Und schaut euch dabei ab und zu sogar mal etwas von der Männerwelt ab…
Der Krabbenkorb-Effekt: Wenn Frauen sich gegenseitig runterziehen
Um das zu verdeutlichen beschreibt Staudinger unter anderem den sogenannten Krabbenkorb-Effekt. „Wenn man Krabben zusammen in einen Korb packt, dann braucht dieser keinen Deckel“, erklärt die Autorin. Sobald sich nämlich eine Krabbe versuche, herauszumogeln, den Korb zu verlassen, würde sie sogleich zurückgezogen, hinuntergeholt. Da soll bloß keine ausbrechen! Bloß keine einen Schritt weiter machen!
Auch Staudinger selbst sei mal so eine Krabbe gewesen, gibt sie zu. Wir Frauen müssten da schon auch selbstkritisch sein. Gönnen wir anderen Frauen den Erfolg? Sind wir alle frei von Lästereien? Sie selbst könne sich an zwei Situationen erinnern, auf die sie heute nicht mehr stolz sei.
Staudinger: „Ich war selbst nicht immer frauensolidarisch“
Einmal habe sie, die direkt nach der Geburt des ersten Kindes wieder arbeiten gegangen sei, auf die Frage einer anderen Mutter im Babykurs, wie sie das denn alles schaffe, geantwortet: „Tja, ist halt alles eine Sache der Organisation.“ Beim zweiten Beispiel ging es um Angelina Jolie. Als der Hollywood-Star bekannt gegeben habe, sie würde sich vorsorglich die Brüste entfernen lassen, um keinen Krebs zu bekommen, hatte sie nur den Kopf geschüttelt. Wie kann man nur?
„Urteile niemals über jemanden, in dessen Schuhen du noch nicht gegangen bist“, sagt Staudinger dazu heute. Sie hat sich mittlerweile selbst beide Brüste entfernen lassen, weil sie, wie sie sagt, gern ihre Kinder aufwachsen sehen will. „Aber unser Kopf ist ja zum Glück rund, da kann sich die Richtung der Gedanken ja auch mal ändern“, schmunzelt sie.
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Traut euch! Helft und ermutigt euch! Glaubt aneinander!
Und wenn eine Krabbe in ihrer Umgebung heute den Korb verlassen will? Dann helfe sie ihr mit einer Räuberleiter nicht nur hoch hinaus. Nein, sie versichere ihr auch noch, dass sie sie auffangen wird, falls sie abrutschen oder fallen sollte. „Man muss auch gönnen können, würde der Kölner dazu sagen“, erklärt Staudinger.
Es ist ihr wichtig, zu unterstreichen: Wir haben nicht alles in der Hand, aber den Umgang mit unserer Umwelt, den könnten wir ganz allein und selbstbestimmt steuern. Es liege an uns, ob wir unsere Kumpel-Krabben auf ihrem Weg raus aus dem Korb unterstützten oder ob wir sie immer wieder runterziehen. Ob wir alle zusammen von der Welt da draußen träumen oder schon mal ein paar weiterziehen lassen, um dann vielleicht später sogar selbst nachzukommen.
Frauen brauchen Unterstützung statt Neid
Kein Neid, nein, Unterstützung! Das bräuchten wir Frauen untereinander. Denn wenn eins klar sei: Während im weiblichen Krabbenkorb Krabbe 1 Krabbe 2 wieder runterzieht, zieht ganz bestimmt ein männliches Wesen an uns vorbei und ist als Erstes am Gipfel. Wir brauchen Frauensolidarität!
Und die Autorin bringt weitere Beispiele an, bei denen wir uns etwas von den Männern abschauen können. Beim Thema Selbstliebe um Beispiel. „Die meisten Männer schauen an sich runter und finden sich naturgeil“, sagt sie.
„Stellt euch mal vor, es ginge Frauen ebenso!“ Wir schauten einfach in den Spiegel und würden denken: Wow! Alle Drogeriemärkte dieser Welt könnten schließen. Kein Concealer mehr, keine Anti-Cellulite-Creme, keine Abnehmpülverchen. „Sagt mal ehrlich, da gäbe es am Ende nur noch Klosteine im Regal.“
Warum trauen sich Männer mehr als Frauen?
Sie erzählt auch vom Rosenmontagszug in Köln, den sie vom zweiten Stock aus mit ihren Kindern anschaute. Sie konnte auf die Karnevalswagen schauen – und stellte massive Unterschiede zwischen den weiblichen und männlichen Karnevalisten fest.
Wenn sie lauthals „Kamelle“schrie, um ein paar Bonbons oder Pralinen abzukriegen, war für die Männer die Challenge eröffnet. „Sie krempelten die Arme hoch, warfen, trafen 18 km daneben und fühlten sich trotzdem wie die Superhelden.“ Und die Frauen? „Hehe, nee sorry“, signalisierten die, „das ist mir zu weit oben.“ Warum nicht einfach mal versuchen?
Seid mutig! Unterstützt euch gegenseitig! Seid loyal miteinander!
Das ist auch die Kernaussage ihres neuen Buches. Dafür hat sie mit der ersten deutschen Schiedsrichterin gesprochen („Hörten die Männer auf Sie?“ „Ja!“ „Wie funktionierte das?“ „Na, ich hatte doch eine Pfeife!“), sie hat mit Anwältin Nina Strassner über die Unsäglichkeit des Ehegattensplittings gesprochen („Mädels, Eheverträge kann man auch später noch machen, die sind IMMER gut!“), mit einer Frau, die ihr eigenes Leben für ihren Mann zurückstellte – und dann verlassen wurde.
Es ist kein Männerhasser-Buch geworden. Kein feministisches Pamphlet. Es ist ein Aufruf zum Mutigsein, zum Heiterscheitern, zum Erkennen der eigenen Stärken (und Schwächen!), zum Überdenken des weiblichen Selbstbildes. Zum Erkennen, dass einige Dinge nicht zu ändern sind und wie wir uns mit viel Toleranz davon trotzdem nicht die Laune verderben lassen müssen.
Staudinger führt dabei das wunderbare Bild eines Lehrers an, der sie am Vorstellungsabend der Waldorfschule ihres Örtchens beeindruckt hatte. Sie, die sie vorurteilsbehaftet dachte, hier würden doch eh nur Namen getanzt (ihre Kinder gehen mittlerweile beide auf diese Schule – seit Jahren), hatte da nämlich einen absoluten Schlüsselmoment.
Schlüsselmoment in der Waldorfschule: Vorurteile abbauen
Der Mathelehrer, der sie an Professor Dumbledore erinnerte, schrieb stumm folgende Aufgabe an die Tafel: „4 + 4 = …“ Staudinger sagte zu ihrem Mann noch: „Wenn der jetzt Neun schreib, gehen wir aber, okay?“ Aber dazu kam es nicht.
„Vier und vier ist acht“, startete Dumbledore. „In jeder pädagogischen Form. Überall auf der Welt. Das bekommen wir hier auch nicht weggetanzt.“ Ach, guck an, dachte sie, der Mann hat Humor.
„Wenn wir die Aufgaben – des Lebens – aber so stellen, dann ist die Chance, dass die Kinder falsch liegen, relativ groß. Neun ist falsch, sieben ist falsch, nur acht ist richtig. Es gibt nur eine einzige richtige Lösung. Wir versuchen hier, die Aufgaben ein bisschen anders zu stellen.“
Und dann drehte er sich wieder zur Tafel um und schrieb: „8 = 10 – 2 oder 16 : 2 oder 2 + 2 + 2 + 2 oder 400 – 392 …“ Dumbledore schrieb schließlich fünfzig verschiedene Möglichkeiten auf, um zur Acht zu kommen.
Offen sein für Neues! Verschiedene Modelle akzeptieren
Und da, sagt Staudinger, war genau der Punkt gekommen, an dem die voreingenommene Kwien (so nennt sie sich nach ihren Büchern Schlagfertigkeitsqueen und Stehaufqueen selbst) ihre gesamte bisherige Lebensweise hinterfragte.
„Wenn wir die Acht jetzt mal mit Lebensglück gleichsetzen, dann ist es also uns überlassen, wie wir dazu kommen. Ob mit Plus, Mal, Minus, Geteilt oder was auch immer. Vielleicht möchten wir auch montags Plus und donnerstags Mal.
Fakt ist, die Wege zur Acht sind so vielfältig, wie wir Menschen es sind. Es gibt nicht den einen richtigen Weg, der für alle gilt. Im Prinzip ist das die Kernaussage all meiner Bücher: Es gibt eben nicht DEN Weg, der aus einer Krise führt. Jeder braucht etwas anderes.“
Aber gegenseitige Unterstützung. Die bräuchten wir alle. Darum sagt sie es noch einmal deutlich: „Haltet zusammen Ladys und pusht euch. Denn dann, erst dann können wir beginnen, zu fliegen.“
Buchtipp: Nicole Staudinger: „Männer sind auch nur Menschen“, Knaur-Verlag, März 2020