Coronavirus: Nicht nur Tröpfcheninfektion – Ansteckung auch über Oberflächen möglich?
Köln –
Händeschütteln und Umarmungen sind tabu. Dass das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 über die Tröpfcheninfektion, also Husten- und Niessekrete übertragen wird, hat sich mittlerweile in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung verankert. Allerdings wird auch immer wieder vor Türklinken und anderen Dingen, die viele Menschen anfassen, gewarnt. Kann man sich also auch über Oberflächen anstecken? Auch über importierte Waren und sogar Lebensmittel?
Nicht sehr stabil auf trockenen Oberflächen
Viren brauchen bestimmte Voraussetzungen zum Überleben. Gesprochen wird dabei von der Stabilität der Viren in der Umwelt. Diese hängt von verschiedenen Faktoren ab: Temperatur, Luftfeuchtigkeit, die Beschaffenheit der jeweiligen Oberfläche und die Konzentration der Viren auf einem Punkt. Auf trockenen Oberflächen sind Coronaviren – allgemein, nicht explizit das neuartige Sars-CoV-2 – nicht sehr stabil. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erfolge die Inaktivierung in getrocknetem Zustand in der Regel innerhalb von Stunden bis einigen Tagen.
Bis es speziell für das Sars-CoV-2 gesicherte Erkenntnisse über die Überlebensdauer und die Zeit, in der das Virus noch ansteckend ist, gibt, wird es wohl noch etwas dauern. Im Februar veröffentlichten die Universität Greifswald und die Ruhr-Universität Bochum eine Untersuchung, in der die damalige Studienlage über die Überlebensdauer von Coronaviren ausgewertet wurde. Auf Oberflächen aus Metall, Glas oder Kunststoff würden sich diese demnach bis zu neun Tage halten. Eine erste Untersuchung eines Forschungsteams des US-Gesundheitsinstituts NIH und der Seuchenschutzbehörde CDC, die sich konkret mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 beschäftigt, kommt allerdings zu anderen Ergebnissen.
Bis zu drei Tage auf Edelstahl und Plastik
Zwar wurde die Studie noch nicht per Peer-Review, einem in der Wissenschaft üblichen Prozedere, bei dem unabhängige Wissenschaftler die Studie überprüfen, bestätigt. Trotzdem wurde sie bereits vorab veröffentlicht, um mögliche Erkenntnisse schnell der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Laut dieser Studie halten sich die Viren als Aerosol, also als kleine Teilchen in der Luft, die beispielsweise beim Niesen oder Husten entstehen, bis zu drei Stunden. Auf Kupfer seien es bis zu vier Stunden, auf Papier und Pappe bis zu 24 Stunden, auf Edelstahl und Plastik könne die Halbwertszeit der Viren zwei bis drei Tage betragen.
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Für diesen Zeitraum konnten jeweils noch lebensfähige Viren nachgewiesen werden, ihre Menge hatte sich aber deutlich reduziert. Wie infektiös die Viren nach dieser Zeit noch sind, ob sie es überhaupt sind, ist allerdings noch unklar. Zudem könnten sich die Zeiträume bei kalten Temperaturen durchaus in die Länge ziehen, die Versuche wurden allesamt bei Raumtemperatur durchgeführt.
Übertragung über Gegenstände „nicht ausgeschlossen“
Bislang ist keine Infektion bekannt, bei der sich ein Mensch durch den Kontakt mit einer mit Viren kontaminierten Oberfläche ansteckte. „Der Hauptübertragungsweg scheint die Tröpfcheninfektion zu sein“, schreibt das Robert-Koch-Institut. Einen Umkehrschluss bedeutet das jedoch nicht. Die Übertragung über Schmierinfektionen und kontaminierte Oberflächen sei „nicht ausgeschlossen“, so das RKI. Allerdings ist dies aufgrund der geringen Umweltstabilität der Viren wohl nur in einem kurzen Zeitraum möglich. Und auch dieser Schmierinfektion kann mit guter Hygiene vorgebeugt werden. Wer eine kontaminierte Oberfläche, beispielsweise eine Türklinke, anfasst, ist natürlich nicht sofort infiziert. Erst wenn die mit der Hand aufgenommenen Viren auf die Schleimhäute in Mund und Nase oder die Bindehaut im Auge treffen, können diese sich in Hals und Rachen ausbreiten.
Der beste Schutz gegen eine Schmierinfektion, über die zwar noch kein neuer Corona-Fall dokumentiert ist, deren Möglichkeit aber auch nicht ganz ausgeschlossen werden kann, sind also die üblichen Regeln der Handhygiene und die Vorgabe, sich nicht mit der Hand ins Gesicht zu fassen.
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Infektion durch Importware unwahrscheinlich
Dementsprechend gibt es nach aktuellem Kenntnisstand auch keine Gefahr, sich durch Importware, zum Beispiel einem Handy oder Kleidungsstücken, zu infizieren. Laut Quarks und Co. halten Experten diesen Übertragungsweg für unwahrscheinlich. Auch die schlechte Umweltstabilität der Viren spricht gegen diese Möglichkeit der Infektion. In ihrer aus dem Februar stammenden Zusammenfassung aller bislang entstandenen Studien zu Coronaviren kommen Universitäten in Greifswald und Bochum zu dem gleichen Schluss.
Für eine Infektion mit auf einer Oberfläche sitzenden Viren müsste ein bereits Infizierter also Husten-, Nies- oder andere Sekrete auf einer Oberfläche verteilen und ausreichend Viren müssten dort überleben. Jemand anderes müsste diese Oberfläche berühren und sich danach ins Gesicht fassen. Dies kann durchaus passieren, da Menschen Alltagsgegenstände, vor allem aber ihr eigenes Gesicht oft völlig unbemerkt anfassen. Deshalb ist es wichtig, bewusst darauf zu achten, was man im Laufe des Tages alles so anfasst. Trotzdem gilt: Nach bisherigem Kenntnisstand geht die größte Ansteckungsgefahr von Hustenden und Niesenden aus, nicht von Gegenständen. (tli)