Nackt bis aufs Geschlechtsteil: Radikale Performance in Hamburger Theater
Gut zweieinhalb Stunden zeigen sich zwölf nackte Frauen zu Wasser, auf dem Bühnenboden und in der Luft. Das Publikum reagiert auf „Ophelia’s Got Talent“, das aktuelle Tanzstück der preisgekrönten Choreografin Florentina Holzinger, mit Standing Ovations. Klar, Nacktheit ist auch ein Kostüm. Aber was wäre diese Show mit bekleideten Darstellerinnen – außer: einfach zu lang?
Was wird hier eigentlich beklatscht? Der Mut, Geschlechtsteile auszustellen? Oder die spektakuläre Ausstattung aus schwebendem Hubschrauber und drei Wasserbassins? Vielleicht auch das von der gehypten Choreografin Holzinger gewählte Thema „Meerjungfrau“, in das allerlei geheimnisvolle Wassermythen hineininterpretiert werden können?
„Internationales Sommerfestival“: Bis 27.8. auf Kampnagel
Es beginnt wie eine jener unzähligen und unsäglichen Talentshows, die natürlich hier als Karikatur zu verstehen ist, mit der Präsentation der dreiköpfigen, bis auf die Schuhe nackten Jury. Dann treten Poletänzerin, Schwertschluckerin und Entfesselungskünstlerin an, bis der Buzzer blökt. Im großen verbleibenden Rest der Show reihen sich gehüpfte Seemannstänze mit waberndem Busen, Schamlippenpräsentationen im Spagat oder unter Wasser sowie schwimmende, tauchende, angelnde und erzählende Frauenfiguren aneinander. Erzählt wird von Essstörungen, einer Vergewaltigung und dem „ozeanischen Gefühl“.
Wie auch bei früheren Holzinger-Abenden, gibt es erneut ihre Lieblingsmotive zu sehen: gynäkologisches Handanlegen und blutendes Piercing-Durchstechen. Und mitunter überraschen spezielle Kleidungsstücke: Eine filmende Frau trägt Anglerstiefel und ihre Kamera, hin und wieder werden Matrosenhemden angelegt. Zum herabgelassenen Helikopter (!) schweben fünf Frauen an Bungee-Seilen empor, um das Fluggerät mit Beckenbewegungen pseudo zu, na ja, f*cken.
„Ophelia’s Got Talent“: Noch an zwei Abenden live
Das ist sicher als kritischer Kommentar zur Instrumentalisierung weiblicher Sexualität gedacht, ebenso wie die Tatsache, dass am Ende alle Frauen einen Fischschwanz tragen. Das Motiv der sich verweigernden Meerjungfrau ist ähnlich frisch wie die Idee, mit der Sensationslüsternheit und dem Voyeurismus des Publikums zu rechnen. Viele sind begeistert, sehen emanzipatorische Statements. Aber vielleicht ist es nur so wie bei des Kaisers neuen Kleidern: Die Kaiserin ist einfach nackt.
Kampnagel: 18./19.8., je 19.30 Uhr, Internationales Sommerfestival, ausverkauft; hier gibt’s das komplette Programm des Festivals