Nicht mehr der HSV: So wurde Hertha BSC zum größten Chaos-Klub
Ein Hauch von großer Fußballwelt weht am Samstagabend (20.30 Uhr, Liveticker auf MOPO.de) durch das Volksparkstadion, die Alte Dame ist schließlich zu Gast. Jene aus dem geschichtsträchtigen Berliner Westend, die Hertha. Zum ersten Mal überhaupt treffen die beiden Klubs aus Deutschlands größten Städten im Unterhaus aufeinander. Es ist auch das Duell der Klubs, die für außersportliche Schlagzeilen stehen – wobei jenes Pendel deutlich Richtung Hauptstadt ausschlug, seitdem beide das letzte Mal aufeinander trafen.
Im Mai 2022 spielte die Hertha für den HSV in der Relegation (0:1/2:0) Schicksal, der Ausgang ist hinlänglich bekannt. Dass beide sich nun, knapp 15 Monate später, in Liga zwei wieder treffen, spricht dafür, dass beide ihre sportlichen Ziele verfehlt haben. Während es für den HSV mit der besten Zweitliga-Ausbeute (66 Punkte) erneut nur für die Relegation reichte, scheiterte die Hertha weitaus krachender an ihren Ambitionen.
Nach der Relegation gegen den HSV stürzte Hertha völllig ab
Letzter, nur 29 Punkte, der Abstieg durch ein Eckengegentor in der Nachspielzeit besiegelt. Das logische Ende einer Chaos-Saison, vielmehr einer Chaos-Entwicklung, die die Hertha durchgemacht hat. Fredi Bobic, im Sommer 2021 als neuer starker Mann von Eintracht Frankfurt geholt, war da schon gar nicht mehr da. Der Ex-Nationalspieler, für dessen Verpflichtung die Berliner vor zwei Jahren noch Schulterklopfer bekommen hatten, wurde Ende Januar geschasst, weil er einem Reporter eine Ohrfeige angedroht hatte.
Der von Bobic installierte Trainer Sandro Schwarz ging kurz darauf ebenfalls, Pal Dardai kehrte zum zweiten Mal zurück. Der Ungar, der trotz des Abstiegs blieb und dessen drei Söhne Palko, Bence und Marton allesamt im Kader stehen dürften, hat im übrigen fünf seiner sieben Duelle als Trainer mit dem HSV gewonnen.
Ungarische Fleißarbeit statt „Big City Club“. Das von Investor Lars Windhorst mit knapp 374 Euro Millionen bezuschusste Projekt, es fiel in den vergangenen Monaten endgültig in sich zusammen. Windhorst soll Geheimdienste damit beauftragt haben, Ex-Präsidenten Werner Gegenbauer aus dem Amt zu drängen, seine Anteile verkaufte Windhorst später an die US-Amerikanische Investorengruppe 777 Partners – und trat dem Verein wieder aus. Nein, Geld machte die Hertha nicht glücklich.
Hertha-Boss Bernstein: Doch ein Sponsoren-Deal mit Wettanbeiter
Und nach dem Abstieg schien plötzlich sogar die Lizenz kurzzeitig in Gefahr. Da werden kurz auch mal die eigenen Werte beiseite geschoben. Präsident Kay Bernstein, ein Ex-Ultra, hatte in seinem Wahlprogramm 2022 verkündet, man werde kein Geld von Wettanbietern nehmen. Mit dem roten B der Firma „Crazybuzzer“ prangt seit zwei Wochen genau ein solches Logo von der Berliner Brust…
Der sportliche Neuaufbau im Unterhaus lief mit zwei Pleiten in Düsseldorf (0:1) und gegen Aufsteiger Wiesbaden (0:1) auch holprig an, aus der Relegationsmannschaft von 2022 sind mit Suat Serdar, Marc-Oliver Kempf und Marco Richter noch drei dabei, beim HSV ist der Kern der Mannschaft (sowie Trainer Tim Walter) geblieben. Ein XXL-Umbruch als Konsequenz aus jahrelangem Missmanagement.
Der schickte sich zunächst gut an: Als neues Gesicht für die Mannschaft wurde Marius Gersbeck zurückgeholt. Der 28-Jährige hatte sich seine Sporen als sicherer Rückhalt beim KSC verdient, stammt zudem aus der Hertha-Jugend. Im Trainingslager in Österreich soll sich Gersbeck dann aber einen folgenschweren Faustschlag gegen einen Einheimischen geleistet haben. Er ist vom Klub suspendiert. Gegen den HSV wird Tjark Ernst (20) sein Zweitligadebüt geben, denn Oliver Christensen wurde gerade wie so viele andere Profis verkauft.
Es wird nicht langweilig beim Chaos-Klub Hertha, dessen ohnehin stark angespannte Fans, die auch mal nach einer Derbyniederlage Profis zum Ausziehen der Trikots gezwungen haben, es zudem noch ertragen müssen, dass Stadtrivale Union seine Champions-League-Duelle im Olympiastadion austragen wird.