Marokko
  • Mehr als 2000 Menschen sind bei dem schrecklichen Erdbeben in Marokko gestorben.
  • Foto: dpa

Marokko: Zeit rennt für Beben-Überlebende – deutsche Helfer fahren wieder nach Hause

Nach dem schweren Erdbeben in Marokko mit mehreren Tausend Toten werden noch Hunderte Menschen vermisst. Aus einigen Ländern reisten Suchteams zur Unterstützung an. Deutsche Helfer brachen ihre Vorbereitungen dagegen ab.

Es war das schlimmste Erdbeben seit Jahrzehnten in Marokko: Mehr als 2000 Menschen sind in dem nordwestafrikanischen Land ums Leben gekommen, Hunderte gelten noch als vermisst. Rettungs- und Bergungskräfte in den Unglücksgebieten setzten die Suche nach Überlebenden auch am Sonntag fort, die Helfer kamen allerdings in den teils abgelegenen Bergregionen nur mit Mühe voran. Zudem bestand weiter die Gefahr von Nachbeben, wodurch beschädigte Gebäude vollends einstürzen könnten. Das Beben der Stärke 6,8 hatte Marokko in der Nacht zu Samstag erschüttert. In der Bevölkerung brach Panik aus.

Das ganze Ausmaß der Katastrophe war auch am Sonntag noch nicht abzusehen, Einsatzkräfte hatten Schwierigkeiten, entlegene Regionen zu erreichen. Nach amtlichen Angaben wurden bis zum Sonntagnachmittag 2012 Tote gezählt. Mindestens 2059 weitere Menschen wurden verletzt, mehr als die Hälfte davon schwer, wie lokale Medien unter Berufung auf das Innenministerium berichteten. Es wurde befürchtet, dass die Zahl der Opfer weiter steigt. König Mohammed VI. ordnete eine dreitägige Staatstrauer an.

Vermissten-Suche: Zeitfenster von 72 Stunden

Bei der Suche nach Verschütteten in Folge eines Erdbebens sprechen Experten in etwa von einem Zeitfenster von 72 Stunden. Dies gilt als Richtwert, die ein Mensch längstens ohne Wasser auskommen kann. Das Beben ereignete sich am Freitagabend um 23.11 Uhr Ortszeit. Es sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen, sagte Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP. Es dauerte mehrere Sekunden an. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS ereignete sich das Beben in einer Tiefe von 18,5 Kilometern.

Das Epizentrum lag gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch im Atlasgebirge. Dort liegen Ortschaften entlang steiler und kurvenreicher Serpentinen. Da Erdbeben in Nordafrika relativ selten auftreten, sind Gebäude nach Einschätzung von Experten nicht robust genug gebaut, um solchen starken Erschütterungen standzuhalten.

Menschen in der Region berichteten dpa-Reportern am Sonntag, allein in dem Dorf Moulay Brahim, 50 Kilometer südlich von Marrakesch, sei die Hälfte der 84 Einwohner ums Leben gekommen. Ein kleines Bergdorf in der Provinz Chichaoua wurde nahezu vollständig zerstört, wie der staatliche Sender TV 2M berichtete. Es wurden Drohnen eingesetzt, um den Einsatzkräften bei der Suche nach Leichen zu helfen.

Ein Überlebender in der Stadt Imintanoute schilderte der Nachrichtenseite „Hespress“: „Meine Frau, meine Kinder und ich versuchten, das Haus zu verlassen, aber meine kleine Tochter und mein Vater, der 102 Jahre alt ist, blieben. Ich habe versucht, zurückzugehen, um sie herauszuholen, aber vergeblich, mein Vater und meine Tochter sind dort gestorben.“ In Gebieten vom Atlasgebirge bis zur Altstadt von Marrakesch wurden Gebäude und berühmte Kulturdenkmäler teils schwer beschädigt. An der Stadtmauer von Marrakesch und den Toren sind teilweise Risse zu sehen.

Marokko: Mehr als 300.000 Menschen betroffen

Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sind mehr als 300.000 Menschen in Marrakesch und umliegenden Gebieten von dem Unglück betroffen. Die meisten Menschen in den vom Beben betroffenen Gebieten zogen es vor, auch die Nacht zum Sonntag im Freien zu verbringen. Mehrere Nachbeben erschütterten das Land seitdem. Ein stärkeres Beben gab es am Sonntagmorgen gegen 9.00 Uhr Ortszeit, nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS hatte es eine Stärke von 3,9. Das Epizentrum des Nachbebens lag laut Hespress etwa 80 Kilometer südwestlich von Marrakesch, ähnlich wie das erste Beben.

Aus aller Welt trafen Beileidsbekundungen ein. Auch die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union boten in einem Brief an den König ihre Hilfe an und drückten ihre Anteilnahme aus. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Sonntagmittag, es lägen keine Kenntnisse darüber vor, ob sich auch Deutsche unter den Opfern befänden. Die deutsche Botschaft in Rabat richtete eine Notrufnummer für betroffene Deutsche ein.

Eine Spezialeinheit des spanischen Militärs mit Suchhunden flog am Sonntag nach Marokko. Mitglieder der Feuerwehr ohne Grenzen aus Spanien und weitere Berufsfeuerwehren waren ebenfalls unterwegs. Das Golf-Emirat Katar habe ein Rettungs- und Suchteam geschickt, berichtete die katarische Nachrichtenagentur QNA. Auch aus Tunesien machte sich bereits am Samstagabend ein Hilfsteam auf den Weg.

THW-Helfer fahren wieder nach Hause

Auch in Deutschland und anderen Ländern standen Hilfskräfte einsatzbereit, sie rechneten jedoch am Sonntagnachmittag teils nicht mehr mit einem Einsatz. „Es gab bisher kein Hilfeersuchen von Marokko“, sagte ein Sprecher der beiden Organisationen Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany und des Bundesverbands Rettungshunde der dpa. „Wir fahren jetzt alles zurück, räumen unser Lager wieder und packen unsere Rucksäcke aus.“ Auch das Technische Hilfswerk (THW) schickte seine für einen möglichen Rettungseinsatz in Marokko nahe dem Flughafen Köln/Bonn bereits versammelten Helfer vorerst wieder nach Hause. Das Team bleibe aber einsatzbereit, hieß es.

Das nordwestafrikanische Land hat etwa 37 Millionen Einwohner und ist circa 446 000 Quadratkilometer groß. Es liegt auf der sogenannten Afrikanischen Platte, weltweit eine der größten Kontinentalplatten. Beim Erdbeben haben sich dem Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) zufolge Schollen der Afrikanischen und der Eurasischen Platte, die nördlich davon liegt, ruckartig gegeneinander bewegt.

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