„Ein riesiger Kraftakt“: Schauspielhaus-Chefin gibt Einblicke in ihre Antiken-Serie
Was für ein Kraftakt! Schauspielhaus-Intendantin Karin Beier führt bei allen fünf Uraufführungen von „Anthropolis“ Regie. Die Stücke-Reihe mit Neufassungen antiker griechischer Tragödien bestimmt das Herbst-Programm an der Kirchenallee – alle zwei Wochen gibt’s eine Premiere. Der MOPO erzählt Beier, wie es zu der Idee kam und warum die Stücke heute noch aktuell sind.
MOPO: Was war die Initialzündung für „Anthropolis“?
Karin Beier: Das war Corona. Die Idee wurde vor ungefähr drei Jahren während des Lockdowns geboren. Damals stand die Stadt ja quasi still, und wir alle mussten plötzlich unsere gesellschaftliche Situation und unseren gewohnten Kulturraum neu überdenken. In einem Treffen mit meinem Kreativteam entstand die Idee, sich mit dem Thema „Stadtgründung“ zu beschäftigen. So kamen wir ziemlich schnell auf die berühmten Zivilisationsmythen von Theben. Es ist verblüffend, wie die gesellschaftlichen Konflikte, die uns heute so umtreiben, schon in diesen Erzählungen verhandelt werden.
„Anthropolis“: Die Idee wurde im Lockdown geboren
War die treibende Kraft die Regisseurin oder die Intendantin Karin Beier?
Während des Lockdowns habe ich als Regisseurin eine ganz neue Arbeitsweise kennengelernt. Das Proben einer Inszenierung auf Halde mit einer sehr viel später stattfindenden Premiere hätte ich vorher nie für möglich gehalten. Doch damals wurde ich durch die Theaterschließung dazu gezwungen. Und es funktionierte. Das hat mich schließlich auf das Konzept der Serie gebracht. Ich probe nun seit fast zwei Jahren fünf Stücke, die wir in 14-tägigem Rhythmus herausbringen werden. Da musste die Intendantin sehr viel Geduld für die Regisseurin Karin Beier aufbringen. (lacht)
Vor welche Herausforderungen stellt das Mammutprojekt Ihr Haus – künstlerisch, logistisch, wirtschaftlich?
Vor große! Wir haben die fünf Stücke während der beiden letzten Spielzeiten zusätzlich zum normalen Pensum erarbeitet und geprobt. Das war ein riesiger Kraftakt, aber auch eine tolle Erfahrung durch die große Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses.
Auf welche Themen legen Sie und Roland Schimmelpfennig besonderes Augenmerk?
Die Konflikte in den griechischen Tragödien sind immer politisch gemeint und zeigen Positionen, die eigentlich nicht miteinander vereinbar sind. Und trotzdem sind sie alle Teil der Gesellschaft – und damit müssen wir umgehen. Das ist doch die Grundlage der Demokratie. Ausgrenzung führt nur in die Katastrophe, wie diese Tragödien zeigen.
Werden Gegenwartsbezüge dabei explizit benannt?
Diese herzustellen überlasse ich lieber dem Publikum selbst. Ich finde es wichtig, dass eine Inszenierung Deutungsspielräume zulässt, die alle Zuschauer:innen mit ihren eigenen Gedanken füllen können. Das bedeutet aber nicht, dass ich die Stoffe nicht nahe an unsere Gegenwart heranhole.
Karin Beier führt bei allen fünf Stücken Regie
Können die Stücke auch einzeln verstanden werden oder wirken sie nur als Gesamtkunstwerk?
Am eindrücklichsten ist es natürlich, wenn Sie alle fünf Folgen der Serie anschauen. Dann entdecken Sie bestimmte inhaltliche Bezüge und sehen die Entwicklung, die die Stadt Theben von ihrer Gründung bis zu ihrem Ende nimmt. Die Tragödien zeigen verschiedene Generationen der Herrscherfamilie von Theben – Ödipus und seine Tochter Antigone sind wahrscheinlich die bekanntesten Protagonisten. Aber jeder Abend erzählt eine in sich abgeschlossene Geschichte. (ans)
Hier gibt’s alle Informationen zu den Stücken, Terminen und Karten