Keine Doping-Tests seit Februar: Nutzen Sportler die Corona-Krise jetzt schamlos aus?
Köln –
Die Corona-Pandemie hat auch weitreichende Folgen für den Anti-Doping-Kampf im Sport. Momentan sind nahezu alle Test- und Kontrollverfahren ausgesetzt. Zum einen, weil in zahlreichen Ländern wie China, Italien und Spanien Ausgangssperren verhängt wurden, zum anderen aber auch, weil bei Bluttests das Risiko einer Infizierung mit dem Virus gegeben ist.
Zahlreiche Aktive und Funktionäre fürchten nun, dass die Situation von Betrügern im Sport schamlos ausgenutzt wird. „Dass jetzt nicht kontrolliert wird, birgt Gefahren. Es bietet die Möglichkeit für kriminelle Energie im Sport“, sagte beispielsweise der Moderne Fünfkämpfer Marvin Dogue (24) aus Potsdam.
Keine Anti-Doping-Tests mehr seit Februar
Viele Olympia-Athleten wurden zuletzt Anfang Februar kontrolliert, normal sind aber Kontrollen mindestens einmal im Monat. Die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) will nun mit einem neuen Bluttest und einer Video-Überwachung des Athleten bei Kontrollen schnell zur Normalität zurückkehren. Die NADA ist diesbezüglich in engem Austausch mit dem Anti-Doping-Labor an der Deutschen Sporthochschule in Köln.
Wir sprachen über die Thematik mit dem Leiter des Instituts, Professor Dr. Mario Thevis (46).
Momentan wird wegen der Corona-Pandemie das Kontrollsystem ausgesetzt. Welche Gefahren sehen Sie? Öffnet das Tür und Tor für Betrüger?
Thevis: „Die derzeitige Situation schränkt die Möglichkeiten, den Einsatz verbotener Substanzen im üblicherweise gestalteten Rahmen zu testen, enorm ein. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die ein oder andere Person die stark reduzierte Testfrequenz zu Dopingzwecken nutzt, da die Wahrscheinlichkeit eines positiven Befundes nach Wiederaufnahme der regulären Kontrollen anzunehmenderweise gering sein wird.“
Ist es denkbar, trotz Corona-Krise Athleten zu testen?
„Die Optionen zur Dopingkontrolle sind zum jetzigen Zeitpunkt sehr limitiert, sowohl aufgrund der zu wahrenden Sicherheitsvorgaben als auch durch die Richtlinien, welche eine Dopingkontroll-Probe definieren. Nicht jede Probe beziehungsweise jeder Test kann als Dopingkontrolle fungieren.“
Die NADA hat den Dried Blood Spot Test und eine Videoüberwachung des Sportlers beim Test ins Spiel gebracht – worum handelt es sich und wie soll das gestaltet werden?
„Dried Blood Spots sind seit nahezu einem halben Jahrhundert im klinischen Bereich im Einsatz, und im Zuge der deutlichen Verbesserung der analytischen Möglichkeiten auch seit ungefähr zehn Jahren Gegenstand der Forschung und Entwicklung im Anti-Doping Kontext. Erst vor wenigen Monaten hat die Welt Anti-Doping-Agentur (WADA) das Potential der DBS-Analytik unterstrichen und weitere Investitionen in dieser Richtung bestätigt. Ein großes Spektrum an verschiedenen dopingrelevanten Substanzen kann aus Blutstropfen bestimmt werden, so dass die Idee des Einsatzes dieser Technik in der derzeitigen Situation nahe liegt.“
Wie könnte der Dried Blood Spot Test momentan eingesetzt werden, wie funktioniert er und welche Erfahrungen gibt es?
„Ein charmanter Aspekt der DBS-Tests ist zum einen der minimalinvasive Charakter, das heißt mittels kleinster Nadeln kann nahezu schmerzfrei das erforderliche Volumen an Blut gewonnen werden, bevor es auf einem entsprechenden Material trocknet. Der trockene Zustand des Testmaterials stabilisiert zum einen die zu analysierenden Substanzen, zum anderen reduziert er signifikant das Infektionsrisiko, das von einer regulären Blutprobe ausgehen kann. Erfahrungen mit dieser Teststrategie gibt es aus der Klinik zum Beispiel im Neugeborenen-Screening, und auch Pilotstudien zur Anwendung in der Dopingkontrolle wurden bereits vor der Pandemie-Situation durchgeführt.“
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Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat die momentane Situation für wissenschaftliche Labore wie das in Köln? Fehlen viele Einnahmen, wenn keine Tests durchgeführt werden?
„Der deutliche Rückgang an Routinekontrollen hat selbstverständlich auch umfangreiche negative Auswirkungen auf die Budgetplanung und Beschäftigung der Mitarbeiter eines Anti-Doping-Labors wie das hier ansässige Labor in Köln. Zur Zeit ist die Funktionalität nach wie vor gegeben und die Situation wird momentan konstruktiv mit Optimierung von Prozessabläufen und Methodenverbesserungen überbrückt. Wie sich das mittel- und langfristig gestalten lässt ist allerdings offen.“