„Ertrinke in meinen Tränen“: Moderatorin Andrea Kiewel berichtet aus Israel
Im farbenfrohen gelben Anzug war Moderatorin Andrea Kiewel am Sonntag im ZDF-Fernsehgarten aus Hamburg zu sehen: „Ahoi Hamburg!“, rief sie zu Beginn in die Kamera. Doch die Sendung wurde vorab aufgezeichnet. Tatsächlich befindet sich die Moderatorin gerade in einem Schutzraum in Tel Aviv, inmitten des Kriegs in Israel. Für die „Jüdische Allgemeine“ schildert sie von dort ihre bestürzenden Erfahrungen in einem Live-Ticker.
Um 7 Uhr morgens am Samstag erreicht Kiewel die erste Nachricht auf ihrem Handy. Rina, ihre Schwiegermutter in spe, schreibt: „Are you good – geht es dir gut?“. Kurz wundert sich die 58-Jährige, dann hört sie die Sirenen. Drei Minuten später sitzt Kiewel mit ihrem Hund in dem kleinen Schutzraum ihrer Wohnung: Der Ton der Sirenen gehe ihr durch Mark und Bein. „Und er öffnet alle Schleusen. Ich weine“, schreibt sie.
TV-Moderatorin Andrea Kiewel berichtet aus Tel Aviv von den Raketenangriffen
Erst am 1. Oktober war die Moderatorin aus Berlin zurück in ihre Wahlheimat Israel geflogen, wo sie mit ihrem Partner lebt. Hinter den geschlossenen Metallfensterläden des Schutzraumes beginnt Kiewel im Internet die Nachrichten zu lesen. SMS von Familie und Freunden in Israel erreichen sie. Langsam begreift Kiewel das Ausmaß der Geschehnisse: „Ich finde keine Worte, die auch nur annähernd beschreiben können, was ich fühle. Mein Magen ist ein einziger Krampf. Ich zittere. Innerlich. Äußerlich. Ich weine.“
Um 9 Uhr erreichen sie dann die ersten besorgten Nachrichten aus Deutschland. Die Anteilnahme sei überwältigend. Sie beginnt die Hintergründe der Attacke selbst einzuschätzen: Seit Monaten gebe es Auseinandersetzungen im Westjordanland. „Araber gegen Siedler. Siedler gegen Araber. Terror. Mord. Tote Verletzte. Es wird gezündelt und Öl ins Feuer gegossen“, schreibt Kiewel um 10.30 Uhr. Doch die israelische Regierung hätte nichts gegen ihre „gewaltbereiten“ Siedler unternommen. Wie auch, wo ihre Partei selbst Teil der Regierung ist, fragt sich Kiewel.
Kiewels Partner wird als Soldat einberufen: „Ich winke und winke.“
Und noch etwas fragt sie sich: Wie kann es sein, dass die Grenze zu Gaza so vernachlässigt wurde? Ganz Tel Aviv sei von Kameras überwacht. „Wenn es einen Ort gibt, an dem man die Nadel im Heuhaufen finden kann, dann hier“, schreibt Kiewel gegen 12 Uhr. Warum sei Israel also so unvorbereitet gewesen?
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Kiewels „Fels in der Brandung“ in diesem Ausnahmezustand: Ihr Partner, der durch seine 25 Jahre als Elite-Soldat bereits „viele schlimme Ereignisse erleben und überleben lassen.“ Gegen 14 Uhr kommt jedoch ein folgenschwerer Anruf: Kiewels Partner wird als Soldat einberufen. Der Abschied ist emotional: „Ich stehe auf der Straße und winke seinem Auto nach. Ich winke auch noch, als er längst abgebogen ist. Ich winke und winke. Und ertrinke in meinen Tränen.“
Trotz Gefahr: Kiewel möchte in Israel bleiben
Kiewel wagt sich anschließend vor die Haustür, kauft die nötigsten Lebensmittel ein und hebt Geld ab. Um 17:30 Uhr schreibt sie: „Ich weine. Um die Toten, die Verletzten. All das Leid. Aus Sorge um meinen Liebsten. Wie lange werde ich nichts von ihm hören?“ Um 19 Uhr endete ihr Live-Ticker.
Ob sie daran denkt, Israel zu verlassen? Zur „Bild am Sonntag“ sagt Kiewel dazu: „Natürlich habe ich Angst, aber ich denke nicht daran, wegzurennen. Als ich 2017 mit meinem jüngsten Sohn nach Israel gekommen bin, habe ich hier mein Herz in die Erde gepflanzt. Ich bin selbst jüdisch und liebe dieses Land so sehr, dass es zu meiner Heimat geworden ist.“ (mwi)