Die Hamburger Ärztin Barbara Held an Bord der „Sea Eye 4“
  • Die Hamburger Ärztin Barbara Held an Bord der „Sea Eye 4“
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Drama im Mittelmeer: Wie diese Hamburger Ärztin 51 Menschen das Leben rettete

Als Notärztin hat Barbara Held schon einiges in ihrem Leben gesehen: Ohnmächtige, Schwerstverletzte, Tote. Doch das, was sie am vergangenen Mittwoch im Mittelmeer erlebte, ist ganz anders als ihre Arbeit als Medizinerin in Hamburg. Zusammen mit ihren Crew-Kollegen von der „Sea-Eye 4“ rettete sie 51 Menschen vor dem Ertrinken.

Es ist nicht die erste Seenotrettung, die Barbara Held im Mittelmeer erlebt hat. Bei weitem nicht. Zusammengerechnet war sie schon an der Rettung von etwa 12.000 Menschen beteiligt. Und doch geht ihr jeder Einsatz immer wieder nahe.

SOS im Mittelmeer: „Sea Eye 4“ rettet 51 Menschen aus einem klapprigen Boot

„Die Menschen hatten zwei Tage auf dem kleinen Boot verbracht, ohne sich bewegen zu können und waren sehr erschöpft“, berichtet die 56-Jährige. Es waren zwölf Kinder dabei und ein Baby. Jugendliche, Frauen und Männer. Die meisten waren dehydriert – und ausgehungert. Zu essen gab es nichts an Bord des kleinen, klapprigen Bootes, zu dem die „Sea-Eye 4“ geeilt war, nachdem ein Flugzeug der europäischen Grenz- und Küstenwache Frontex es entdeckt und die Seenotretter informiert hatte.

Die „Sea-Eye 4“ rettet Menschen im Mittelmeer aus Seenot. Gordon Isler/Sea-Eye
Die „Sea-Eye 4“
Die „Sea-Eye 4“ rettet Menschen im Mittelmeer in Seenot.

Kaum hatte die Crew der „Sea-Eye 4“ die Menschen zu sich an Bord geholt, begann der Einsatz der Ärztin aus Hamburg. „Wir versorgten einige Verbrennungen, die durch das ätzende Gemisch aus Salzwasser und Benzin verursacht wurden“, sagt Barbara Held. Viele Menschen hätten starke Kopf- und Körperschmerzen gehabt. Hinter ihnen lag eine wochen-, manchmal auch monatelange Fluchtgeschichte.

Hamburger Ärztin gab Praxis auf. Jetzt arbeitet sie in der Seenotrettung

„Traurig machten mich die Berichte über die Folter in den libyschen Gefängnissen. Die Familien, die auseinandergerissen worden waren“, erzählt Barbara Held. „Und die beiden Waisenkinder aus dem Tschad. Sie sind erst zehn und zwölf Jahre alt.“ Zwar kennt sie inzwischen viele solcher Schicksale. Doch Alltag oder Routine wird das für die Medizinerin nie werden.

Nächtlicher Einsatz: Helfer der Seenotrettungsorganisation „Sea Eye“ helfen Menschen am Mittwoch aus einem kleinen Boot von Bord. Nils Kohstall/Sea Eye 4
Geflüchtete an Bord eines Bootes
Nächtlicher Einsatz: Helfer der Seenotrettungsorganisation „Sea Eye“ helfen Menschen am vergangenen Mittwoch aus einem kleinen Boot von Bord.

Bis 2014 hatte Barbara Held eine eigene Praxis in Hamburg-Ottensen. Die gab sie auf, um Ärztin auf einem Kreuzfahrtschiff zu werden. Dort kam sie das erste Mal mit dem Flüchtlingsdrama im Mittelmeer in Kontakt. Der Luxus auf dem Kreuzfahrtschiff auf der einen Seite, die Armut und Verzweiflung auf der anderen – das hielt sie nicht länger aus.

„Ich habe auf den Kreuzfahrtschiffen erlebt, was möglich ist, wenn es einen Notfall unter den Passagieren gibt. Da wird alles aufgefahren, keine Hilfe ist zu kompliziert“, sagt sie. Die Seenotretter dagegen bekommen oft nicht mal eine Bestätigung, wenn sie einen Notruf absetzen. 2016 wechselte Barbara Held die Planken.

Hamburger Ärztin: „Wenn wir nicht hier wären, würden noch mehr Menschen sterben“

Seitdem ist die Ärztin unermüdlich für die Hilfsorganisationen „Sea-Eye“ und „German Doctors“ im Einsatz. „Diese Organisationen stehen für Respekt und Menschenwürde. Und das ist genau das, was für mich auch zählt“, betont sie. Dass eben diese Hilfsorganisationen und andere für ihren Einsatz im Mittelmeer kritisiert und besonders von rechten Kräften als „Schleuser-Gehilfen“ bezeichnet werden, macht Barbara Held fassungslos.

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„Die Menschen fliehen nicht, weil wir hier sind. Aber wenn wir nicht wären, würden noch mehr Menschen sterben.“ Nicht auszudenken, was passiert wäre, wäre die „Sea Eye 4“ nicht in der Nähe des Kutters mit den 51 Menschen an Bord gewesen.

Nach der Erstversorgung machten Barbara Held und ihre Crew-Kollegen sich mit den Geretteten auf den Weg nach Italien. Dort wollten sie am Freitagabend in Brindisi anlegen, um die Menschen an Land zu bringen – in einen sicheren Hafen.  

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