• Neben der Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim diskutierten auch „Welt“-Journalist Robin Alexander und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) mit Markus Lanz (von rechts).
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Journalistin bei „Markus Lanz“: „Die Regierung hat leider das Wichtigste vergessen“

Hamburg –

Die Entscheidung im Kampf gegen Corona ist gefallen: Bund und Länder haben die Kontaktsperren verlängert – gleichzeitig wird es Lockerungen geben. Einzelnen Läden werden unter Auflagen wieder öffnen können, das öffentliche Leben soll schrittweise wieder hochgefahren werden.

Doch kommen die Maßnahmen zu früh? Darüber diskutierten am Donnerstagabend neben der Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), „Welt“-Journalist Robin Alexander, Journalist Elmar Theveßen sowie Bundesministerin Julia Klöckner (CDU).

Die Journalistin Mai Thi Nguyen-Kim meint: Die Lockerungen könnten zu einem völlig falschen Zeitpunkt kommen. Das Wort „Lockerung“ könnte zu einem Missverständnis führen – nämlich, dass wir es geschafft hätten. Die Epidemie aber ist noch nicht überstanden.

Kritik bei „Markus Lanz”: „Ich vermisse die Kommunikation des epidemiologischen Ziels”

Sie kritisiert die fehlende Zielsetzung der Bundesregierung: „Ich habe schon beim Lockdown die Kommunikation des epidemiologischen Ziels vermisst“, sagt die Chemikerin. Die Regierung habe das Wichtigste vergessen. „Die Antwort auf die Frage: Was möchten wir genau erreichen?“

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Anschließend kommt sie auf die den Reproduktionsrate zu sprechen. Ein wichtiges Kriterium, wie auch Angela Merkel bei ihrer Pressekonferenz am Mittwoch betont hatte. Die Rate liegt am Freitag bereits bei 0,7 – das heißt, statistisch gesehen steckt eine infizierte Person weniger als einen weiteren Menschen an.

Kritik an Corona-Maßnahmen: „Für Eindämmung muss Alltag eingeschränkt bleiben”

„Aktuell könnten wir es noch schaffen, die Epidemie einzudämmen“, meint Nguyen-Kim, „die Reproduktionszahl pendelt sich in Deutschland gerade bei etwa eins ein.“ Wichtig sei es dafür aber, dass im Durchschnitt weniger als ein weiterer Mensch infiziert werde. Um diese sogenannte „Containment“-Phase zu erreichen – also eine Eindämmung – müsste der Alltag aber eingeschränkt bleiben.

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Die Journalistin Mai Thi Nguyen-Kim diskutiert bei „Markus Lanz” über die aktuellen Corona-Maßnahmen der Bundesregierung.

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ZDF (Screenshot)

„Ich verstehe nicht, wie wir mit den aktuellen Maßnahmen auf weniger als eins kommen wollen“, gibt sie zu bedenken. Dies sei aber ein wichtiges Ziel, auf das man sich bundesweit einigen sollte. „Dann kommen wir aus dem Dilemma heraus, unter dem wir alle leiden.“ Das habe die Regierung noch nicht richtig kommunizieren können.

Helmholtz-Institut: Jede Lockerung ist eine Verzögerung des Normalzustands

Das Helmholtz-Institut hat in seinen Modellierungen Ähnliches berechnet. In Wahrheit müsste Deutschland zu einem Szenario kommen, in dem Maßnahmen nicht gelockert werden, sondern im Gegenteil: Sie sollten etwas länger erhalten bleiben, damit am Ende schneller eine Art von Normalität einkehren kann. Jede Lockerung ist demnach eine Verzögerung des Normalzustands.

Der „Welt“-Journalist gibt zu bedenken, dass niemand einen Masterplan für solche eine Pandemie habe. Man müsse die schwierigen Abwägungen der Politiker ernst nehmen. Er sieht zwei Philosophien in der Politik: „Merkel lässt sich wissenschaftlich top beraten, anschließend versucht sie, der Bevölkerung dieses Wissen zu vermitteln und hofft, dass die Menschen mitziehen.“

Journalist: „Laschet ist optimistisch, Merkel ist skeptisch”

Die wissenschaftliche Debatte findet dort hinter den Kulissen statt. Laschets Philosophie sei eine andere: „Er hat den Ansatz: Die Menschen sollen sehen, dass wir in diesen Widersprüchen ringen. Und nur so sehen sie, dass wir gute Politik machen.“ Laschets Bild sei etwas optimistischer, Merkel sei skeptischer.

Am Ende müsse die Politik für einen gesellschaftlichen Konsens sorgen. Sie müsse am Ende die Maßnahmen durchsetzen, das könnten Naturwissenschaftler nicht tun. Bestimmte politische Fragen ließen sich eben nicht mit einem wissenschaftlichen Gutachten klären. Und das gehe in der Krise nur in einem Diskurs, so Alexander. Und mit „Trial and Error“. Man müsse also bestimmte Maßnahmen auch ausprobieren dürfen, ohne das Ergebnis zu kennen.

Corona-Maßnahmen in NRW: „Ich sehe den Optimismus von Laschet mit Sorge”

Zwar stimmt Mai Thi Nguyen-Kim dem zu, doch: „Trotz allem liegt dem Ganzen die Epidemie zugrunde“, sagt sie. „Und den Optimismus von Laschet sehe ich mit Sorge. Denn wenn wir zu optimistisch sind, passiert das, wovor wir Angst haben: Wir erreichen keine Eindämmung.“

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Wichtig sei jetzt die richtige Kommunikation der Regierung: „Die Leute dürfen nicht denken, wir sind am Höhepunkt. Wir sind erst am Anfang. Wir sind erst aus dem Schneider, wenn der Impfstoff da ist.“ Wenn die Menschen begreifen, dass wir einen langen Atem beweisen müssen, „dann sind am Ende auch mehr Menschen an Bord, wenn wir sagen: Wir müssen die Zähne zusammenbeißen.“

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