Wer seine Kinder ständig überwacht und vor Gefahren schützen will, schadet ihnen im Zweifel.
  • Wer seine Kinder ständig überwacht und vor Gefahren schützen will, schadet ihnen im Zweifel.
  • Foto: picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte

Wie Eltern die Bewegungslust ihrer Kinder bremsen – und warum das gefährlich ist

Auf Spielplätzen gibt es zwei Extremtypen von Eltern. Den einen ist es egal, ob ihre Kinder anderen die Schaufel mopsen, die anderen wachen mit Argusaugen über ihren Nachwuchs und halten ständig eine Hand ans kletternde Kind. Der Großteil der Eltern befindet sich sicherlich zwischen diesen Extremen. Doch Fachleute haben den Eindruck, dass es heute tendenziell mehr übervorsichtige Eltern gibt als früher – das könnte Folgen für die Bewegungslust der Kinder haben.

Hinweise dazu fanden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer australischen Studie, für die sie 645 Erziehungsberechtigte mit Kindern im Grundschulalter zu ihrer Einstellung hinsichtlich Risiko und Verletzungen beim Spielen befragten.

Dabei zeigten 78 Prozent der Eltern eine geringe Risikotoleranz bei bestimmten Spielszenarien wie dem Klettern auf Bäumen. Gleichzeitig stellt das Autorenteam im Fachmagazin „Psychology of Sport and Exercise“ fest, dass Kinder von vorsichtigeren Eltern sich eher weniger bewegten als täglich empfohlen und seltener abenteuerlustig spielten.

Berliner Kinderarzt: „Die meisten Kinder bewegen sich nicht einmal 30 Minuten am Tag“

Nach Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollten sich Kinder und Jugendliche mindestens eine Stunde am Tag bewegen. Nach Erfahrungen des Berliner Kinderarztes Jakob Maske erreichen das hierzulande nur wenige: „Bei den meisten Kindern sind es nicht einmal 30 Minuten am Tag.“ Dafür verantwortlich ist seiner Ansicht nach unser Lebenswandel – und teilweise auch die Eltern. „Es wird vielmehr Auto gefahren. Und dieses Bewegungsverhalten der Eltern färbt auf die Kinder ab.“

Doch nicht nur aus Bequemlichkeit, sondern auch aus Sorge, dass etwas passieren könnte, fahren manche Eltern ihre Kinder zur Schule, zum Fußballtraining oder Musikunterricht. Helikopter-Eltern werden solche Eltern genannt, die überfürsorglich sind, ihre Kinder rund um die Uhr behüten und vor allen Gefahren und schlechten Erfahrungen schützen wollen.

„Wir leben nicht mehr in Zeiten, wo Eltern ihre Kinder nebenbei erzogen haben, fünf, sechs gleichzeitig“, erläutert Claudia Neumann vom Deutschen Kinderhilfswerk. „Jetzt ist es oft das einzige Kind, auf das man ganz besonders aufpasst und bei dem man alles richtig machen will.“

Expertin: Zu stark behütete Kinder werden unsicher

So trifft man auf Spielplätzen auf Eltern, die ihre Kinder nicht im Gebüsch spielen lassen aus Angst vor Zeckenstichen oder die panisch angerannt kommen, sobald sich das Kind etwas höher aufs Klettergerüst wagt. Neumann hält das für falsch: „Das, was sich Kinder allein zutrauen, sollte man zulassen – natürlich anfangs mit den Augen dabei, aber nicht mit einer gefühlten Sicherheitsmatte darunter.“

Doch welche Folgen hat es für die Kinder, wenn ihre Eltern sie ständig umsorgen und behüten? „Das macht Kinder ängstlich und unsicher“, sagt Neumann. Außerdem könne es dazu führen, dass Kinder sich komplett auf ihre Eltern verließen. „Sie passen dann selbst nicht so gut auf und finden zum Beispiel nicht den Weg allein nach Hause.“

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Beulen, blutige Lippen oder aufgeschürfte Knie – auch das gehöre zu einer Kindheit dazu, meint die Expertin. Der Körper müsse selbst erfahren, wie hoch er klettern und wie schnell er laufen könne oder wie er sich bei einem Sturz am besten abrolle. (dpa/vd)

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