Italien setzt Rettungsschiff Sea-Eye 4 fest – Jura-Prof: Verstoß gegen Völkerrecht
Das Rettungsschiff Sea-Eye 4 wird erneut mit einer Verwaltungshaft von 20 Tagen und einer Geldstrafe von rund 3000 Euro bestraft: Die italienische Küstenwache wirft der Besatzung vor, den Anweisungen der libyschen Küstenwache keine Folge geleistet zu haben. Ein Jura-Professor von der Leuphana Universität in Lüneburg sieht darin einen Verstoß gegen das Völkerrecht. Laut der Hilfsorganisation Sea-Eye waren bei der jüngsten Rettungsaktion vier Menschen ertrunken, woran die libysche Küstenwache Schuld sei.
Die „sogenannte libysche Küstenwache“ habe die Sea-Eye 4 unter der Androhung von Gewalt in internationalen Gewässern dazu aufgefordert, den Kurs zu ändern und das Seegebiet Richtung Norden zu verlassen, so die Darstellung der Retter. Die Küstenwache habe außerdem ein Schlauchboot mit rund 50 Menschen so sehr bedrängt, dass Panik ausbrach und Menschen ins Wasser stürzten.
Libysche Küstenwache soll Schlauchboot bedrängt haben
Videomaterial von dem Manöver zeige, dass die Libyer gefährliche Manöver in der unmittelbaren Nähe des Schlauchboots vollzogen. Jan Ribbeck, Einsatzleiter von Sea-Eye e.V. dazu: „Der Kapitän des libyschen Küstenwachenschiffs bedrängte das Schlauchboot auf gefährliche Weise, während seine Besatzung gleichzeitig Zigarette rauchend und mit dem Handy filmend an der Reling stand. Dies hat mit Seenotrettung rein gar nichts zu tun!” Mindestens vier Menschen hätten ihr Leben verloren. „Hätte die Sea-Eye 4 das Seegebiet verlassen, wären noch mehr Menschen ums Leben gekommen und niemand hätte von dieser Tragödie erfahren”, sagt Ribbeck weiter.
Jura-Professor: „Keine völkerrechtliche Grundlage“
Prof. Dr. Valentin Schatz, Juniorprofessor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Leuphana Universität Lüneburg, ordnet die Verfügung der italienischen Behörden ein: „Die Festhalteverfügung und das Bußgeld entbehren jeder völkerrechtlichen Grundlage und verletzen die Bundesrepublik Deutschland in ihren Rechten als Flaggenstaat der Sea-Eye 4.“ Heimathafen des Schiffes ist Rostock.
Das könnte Sie auch interessieren: Drama im Mittelmeer: Wie diese Hamburger Ärztin 51 Menschen das Leben rettete
Das Internationale Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See (SAR-Übereinkommen), auf das sich Italien beruft, übertrage Küstenstaaten kein Recht, das Verhalten ausländischer Schiffe in internationalen Gewässern zu sanktionieren. Das dürfe nur der Flaggenstaat. Bereits im Jahr 2019 wurde Italien vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg wegen eines ähnlichen Verstoßes verurteilt.
Sea-Eye übergibt 48 Gerettete und vier Leichen
Die Sea-Eye 4 hat am Samstag 48 Menschen, darunter 32 Männer, 13 Frauen, ein Kind und zwei Babys, in Vibo Valentia (Kalabrien) an Land gelassen. Außerdem wurden den italienischen Behörden vier Leichen übergeben, darunter ein zwölfjähriges Mädchen, identifiziert von seiner Mutter, und eine Frau, identifiziert von ihrem Mann.
Zuletzt hatte Italien das Schiff im Juni 2023 festgesetzt, weil es nicht direkt den zugewiesenen Hafen angesteuert, sondern auf dem Weg weitere Notrufe „abgearbeitet“ und weitere Menschen gerettet hatte.