Nervenkrieg am Hamburg Airport beendet: Vater lässt Tochter frei
Großeinsatz am Hamburger Flughafen: Ein Mann ist am Samstagabend mit seinem Auto durchs Nordtor des Airport-Geländes in Fuhlsbüttel aufs Rollfeld gefahren. Dort gab er Schüsse ab und warf Molotowcocktails. Mit im Auto war nach MOPO-Informationen seine vierjährige Tochter. Die Polizei verhandelte mit dem Mann mehr als 16 Stunden lang, ehe er aufgab.
„Die Geisellage ist beendet“, sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün gegen 14.30 Uhr am Sonntagnachmittag, rund 18 Stunden nach Einsatzbeginn. „Der Tatverdächtige hat zusammen mit seiner Tochter das Auto verlassen. Er wurde widerstandslos von den Einsatzkräften festgenommen. Das Kind scheint unverletzt zu sein.“
Mit einem Audi ohne Kennzeichen hatte der Mann am Samstagabend um kurz nach 20 Uhr Schranken am besagten Tor durchbrochen. Er fuhr aufs Rollfeld und „schoss zweimal in die Luft“, wie ein Bundespolizeisprecher bestätigte. Der 35-Jährige warf dabei auch zwei sogenannte Molotowcocktails – brennende Flaschen – aus dem Auto; die Brände wurden durch die Feuerwehr umgehend gelöscht.
Flughafen Hamburg: Mann schießt in die Luft
Der Mann hielt im weiteren Verlauf an einem der Gates an und parkte unterhalb eines Flugzeuges, das von Polizisten geräumt wurde. Mit seiner eigenen Tochter (4) verschanzte er sich im Auto.
Bundes- und Landespolizisten umzingelten daraufhin den Audi, Spezialeinheiten und ein Verhandlungsführer wurden angefordert. Kräfte, die beim HSV-Spiel eingesetzt waren, wurden ebenfalls abgezogen. Startende Flieger blieben auf dem Rollfeld stehen, Terminals wurden geschlossen. Schwer bewaffnete Bundespolizisten räumten den gesamten Flughafen.
Geiselnahme am Flughafen: Polizei verhandelt stundenlang mit Mann
Den Einsatz leitete die Hamburger Polizei, der Fall wurde als Geiselnahme eingestuft. Seit 22.30 Uhr waren die Beamten mit dem Mann in Kontakt. Die Verhandlungen wurden auf Wunsch des Mannes mit einem Dolmetscher auf Türkisch geführt.
Zwischenzeitlich kreisten Helikopter am Himmel, Piloten gaben Lagemeldungen aus der Luft ab. Der 35-Jährige soll kurzzeitig erneut mehrere Meter mit dem Auto gefahren sein.
Um kurz vor 2 Uhr ein erstes Zwischenfazit der Polizei: Man sei in gutem Kontakt mit dem Geiselnehmer, hieß es. Im Einsatz seien auch Kriminalpsychologen. Levgrün dazu: „Wir setzen hier auf eine Verhandlungslösung.“ Der Mann sei den Ermittlern zugewandt. Dazu sei es ein „absolut gutes Zeichen“, dass der Mann schon so lange mit den Einsatzkräften in Kontakt stehe: „Er will mit uns sprechen und das bewerten wir erst einmal als sehr positiv.“
Das erschwerte die Verhandlungen
Die Verhandlungen zogen sich die komplette Nacht hin; es soll wiederholt Momente gegeben haben, in denen der Mann Andeutungen gemacht haben soll, seine Tochter freizulassen. Was die Situation erschwerte, war die Vermutung, dass der 35-Jährige möglicherweise Sprengstoff im Auto haben könnte.
Auch den Sonntag über war die Polizei intensiv im Gespräch mit dem Geiselnehmer, der zunächst weiter in dem Audi sitzen blieb. Genaue Forderungen seinerseits waren unbekannt. Klar ist nach MOPO-Informationen dagegen aber, dass es ihm offenbar nicht um Geld ging. Derartiges habe er nicht verlangt, bestätigte auch die Polizei.
Für die Beamten war die oberste Priorität, das vierjährige Mädchen unversehrt aus der Situation zu befreien. Sie waren davon ausgegangen, dass es dem Kind gut ging. Das hätten die Blickkontakte verraten, die man hatte, und die Telefonate mit dem Täter, so Levgrün. „Das war das Kind im Hintergrund zu hören.“ Wie es dem Mädchen seelisch gehe, darüber mochte die Sprecherin nicht spekulieren.
- picture alliance/dpa | Jonas Walzberg Bewaffnete Polizisten bereiten sich mit Spezialausrüstung auf den Einsatz am Flughafen vor.
- picture alliance/dpa | Jonas Walzberg Ein Polizist ist am Flughafen im Laufschritt im Einsatz.
- picture alliance/dpa | Jonas Walzberg Fahrzeuge der Feuerwehr und ein Krankenwagen stehen am Hamburg Airport vor einem Flugzeug.
- dpa Spezialkräfte der Polizei bereiten sich auf den Einsatz vor.
- dpa Der Mann nahm diesen Eingang und durchbrach eine Schranke mit seinem Fahrzeug.
„Wir gehen von einer Beziehungstat aus“
Die Ehefrau des Mannes aus dem Raum Stade soll sich bei der Polizei gemeldet und gesagt haben, dass ihre Tochter entführt worden sei. Der Vater sei mit dem Kind zusammen in Richtung Hamburger Flughafen gefahren. Hintergrund soll ein Sorgerechtsstreit sein. Einen politischen Hintergrund schließt die Polizei aus. „Wir gehen von einer Beziehungstat aus“, so Levgrün.
Zunächst hieß es, dass möglicherweise zwei Kinder entführt worden seien und sich im Auto befinden könnten. Dies wurde von der Polizei später korrigiert. Das hatte die Mutter in der Zwischenzeit bestätigt. Sie verfolgte das Geschehen in der Nähe des Airports und wurde vom Kriseninterventionsteam des DRK Hamburg betreut. „Die Mutter möchte natürlich so schnell es geht zu ihrem Kind“, hatte der KIT-Leiter, Malte Stüben, am Sonntagmittag gesagt. Ein direkter Kontakt war zunächst allerdings nicht möglich.
Zwischen den Ex-Partnern soll es bereits in der Vergangenheit zu Auseinandersetzungen und Konflikten gekommen sein. Auch die Polizei wurde nach MOPO-Informationen mehrfach informiert und nahm Ermittlungen auf.
Flughafen-Sperrung sorgt für Ausfälle am Sonntag
Airport-Angaben zufolge wurde der Flugbetrieb am Samstagabend um exakt 20.24 Uhr eingestellt. Betroffen waren demnach sechs Abflüge und 21 Landungen mit rund 3200 Passagieren. Teils mussten Betroffene bis spät in die Nacht hinein in Flugzeugen ausharren. Sie wurden anschließend in nahen Hotels untergebracht. Eine Passagierin: „Ich habe ein Feuer gesehen und erst gedacht, dass das schnell wieder gelöscht wird. Dann habe ich gehört, dass es ein Amoklauf gebe. Das war schon alles sehr gruselig.“
Am Sonntag wurden 213 Flüge – darunter 119 Abflüge und 94 Ankünfte – gestrichen worden. Fluggäste und Abholer wurden dringend gebeten, nicht zum Airport zu kommen. Erst am Abend wurde der Flugbetrieb wieder aufgenommen. Es komme aber weiterhin zu Verzögerungen, teilte der Airport mit.