120 Seiten Verbrechen – die spektakulärsten Fälle des MOPO-Reporters
Am 1. Juni 1977 habe ich, Thomas Hirschbiegel, als 17-jähriger Reporter bei der MOPO angefangen und seitdem fast drei Viertel meines Lebens hier verbracht. Mit 64 Jahren ist es Zeit, zurückzuschauen – vor allem auf die „wilden“ ersten 25 Jahre. In dieser Zeit war ich an Hunderten Tatorten, habe Abertausende Bilder geschossen. Die spannendsten sind nun im Bildband „Tatort Hamburg“ beim Junius-Verlag erschienen, dazu meine Texte aus der MOPO. Hier eine kleine Auswahl.
Zwei Tote vor Gangstertreff
Der „Club 77“ an der Holstenstraße 77 war die übelste Kaschemme der Stadt. Hier trafen sich Zuhälter, Hehler oder Waffenhändler. Am 17. Oktober 1988 stürmen vier Kurden aus Frankfurt das Lokal und fangen einen Streit um eine Prostituierte an. Die Männer werfen mit Barhockern, stürmen schließlich aus dem Gangstertreff. Dann fallen Schüsse, zwei Täter feuern zwölfmal. Sie gehören vermutlich zum Personal des „Club 77“. Einer der Angreifer (23) wird von einer Kugel ins Auge getroffen und ist sofort tot. Ein 24-jähriger stirbt nach einem Schuss ins Herz. Ein dritter Mann (23) überlebt knapp mit einem Bauchschuss. Die Tat wird nie aufgeklärt.
Todesschüsse im Bahnhof
Am 28. Februar 1991 fielen frühmorgens im U-Bahnhof Osterstraße Schüsse. Am Ende waren zwei Menschen tot. Diesen Fall werde ich nie vergessen. Ich befand mich um 6.30 Uhr im Kiosk am Bahnhof Schlump und kaufte die Zeitungen der Konkurrenz. Neben mir stand ein Mitarbeiter der Hochbahn-Sicherheit und aus seinem Funkgerät kam die Meldung über die Schüsse. Ich stieg sofort in die U-Bahn, fuhr die drei Stationen bis Osterstraße und war als erster Reporter am Tatort. Dort hatte ein 55-Jähriger seine Ex-Partnerin (51) erschossen und dann den Revolver gegen sich selbst gerichtet und abgedrückt.
Todesschütze ganz in Weiß
Weiße Stiefel, weiße Jeans und weit aufgeknöpftes weißes Muskel-Shirt: Das Zuhälter-Outfit von Sadettin T. war echt filmreif. 1984 galten solche Klamotten im Hamburger Rotlicht-Milieu als schick. Ich war damals jedenfalls begeistert, als ich den festgenommenen 25-Jährigen beim Verlassen der Polizeiwache 18 an der Kirchenallee fotografieren konnte. Im Streit um den „Stammplatz“ einer Prostituierten am Steintorweg in St. Georg hatte der 25-Jährige einen anderen Zuhälter im Lokal „Astra Pott“ an der Bremer Reihe vom Barhocker geschossen. Von drei großkalibrigen Revolver-Geschossen getroffen starb das Opfer (23) noch im Lokal.
Tankwart gefesselt und ermordet
Zwei blutverschmierte Hände, an einer Hand befindet sich noch eine Handschelle. Das Foto symbolisiert die Brutalität der Verbrecher in den 1980er Jahren. Der Mann, dessen Hände hier gezeigt werden, musste für 8500 Mark (4250 Euro) sterben. Joachim Laubisch (55) war Tankwart der Avia-Tankstelle im Alstertal Einkaufszentrum (AEZ) in Poppenbüttel. Am 16. April 1983 ging er mit den Tageseinnahmen in die Tiefgarage des AEZ, wollte mit seinem VW Golf zur Bank fahren. Doch in der Garage wartete sein Mörder. Der Räuber bedrohte Laubisch mit einer Pistole, fesselte ihn mit der Handschelle ans Lenkrad des VW Golfs und erschoss dann den wehrlosen Mann. Der Täter, der vermutlich weitere Raubmorde begangen hat, wurde nie gefasst.
V-Frau mit Hammer erschlagen
Die Szene wirkt brutal, fast unwirklich. Ja, dort liegt keine Puppe, nein, das ist ein Mensch. Und drum herum stehen Leute der Kripo, der Spurensicherung und ein Gerichtsmediziner. Am 13. Juli 1986 wurde die Leiche der 40-jährigen Annelie K. auf einem Schulhof an der Straße Brekelbaums Park in Borgfelde entdeckt. Das Opfer war mit einem Hammer erschlagen worden. Der Täter konnte nie gefasst werden. Das Ungewöhnliche bei diesem Fall: Die Ermordete war sehr erfolgreich als V-Frau für das Rauschgiftdezernat tätig. Sie lockte als angeblich zahlungskräftige Kundin gezielt Dealer in die Falle. Eine extrem risikoreiche Tätigkeit.
Hoheluft: Sekten-Guru erschießt Promi-Wirt
Der Täter gehörte einer dubiosen Sekte an und der Tatort war ein Promi-Treff in bester Lage. Der Mord an Helmar Prelle, dem Wirt des Disco-Dampfers „Marieville“, welcher an der Hoheluftbrücke im Isebekkanal dümpelte, bewegte 1981 die Hansestadt. Am 8. Oktober feiert der Gastronom mit ganz viel Alkohol in seinen 41. Geburtstag rein. Dabei sind Angehörige der Sekte „Sri Vaishnava Zeugen“. Es kommt zum Streit mit Helmar Prelle. Sektenchef Johannes R., der sich von seinen „Jüngern“ mit „Erleuchtete Autorität“ ansprechen lässt, zieht einen kleinkalibrigen Revolver und schießt dreimal auf den Wirt. Der „Guru“ flüchtet zu den nahegelegenen Falkenried-Terrassen und wird dort zusammen mit drei weiteren Sektenmitgliedern festgenommen.
„Tatort Hamburg“ – jetzt als Buch!
„Tatort Hamburg“ ist der Titel eines Bildbands von MOPO-Reporter Thomas Hirschbiegel, der im Junius-Verlag erschienen ist. ISBN: 978-3-96060-579-9, Preis: 24,90 Euro.