NDR-Journalist vom Kreml bezahlt? Der tiefe Fall des Putin-Verstehers
Es wäre ein Paradebeispiel für „gekaufte“ Berichterstattung: Dem preisgekrönten Journalisten Hubert Seipel wird vorgeworfen, Hunderttausende Euro von einem russischen Oligarchen bekommen zu haben – für Buchprojekte, in denen es um Wladimir Putin geht. Nun gibt es Konsequenzen: Der Verlag stoppte den Buchverkauf, Sender prüfen rechtliche Schritte. Über den Fall eines angeblich großen Mannes.
Hubert Seipel galt als der Russland-Versteher in Deutschland. Er wurde in Talkshows eingeladen, schrieb Artikel für zahlreiche Medien und kam so nah an Putin heran wie sonst niemand. Für seine Berichterstattung, seine Beiträge und Interviews wurde er mit zahlreichen Preisen bedacht: So ist Seipel unter anderem Grimme-Preisträger und hat den Deutschen Fernsehpreis erhalten. Spiegel und ZDF deckten nun mithilfe geheimer Dokumente auf, dass er für die Nähe zu Putin offenbar bezahlt wurde: Etwa 600.000 Euro soll er für ein Buch bekommen haben, in dem er den Deutschen Putins Sicht sanft näher bringt.
Buchverkauf gestoppt, Sender prüft rechtliche Schritte
Der Hamburger Verlag Hoffmann und Campe stoppte als Reaktion auf die Anschuldigungen sofort den Verkauf von Seipels Büchern über Wladimir Putin. Man habe keine Kenntnis von dem geschilderten Sachverhalt gehabt. In den vergangenen Jahren waren zwei Sachbücher des Autors und Journalisten über den russischen Präsidenten Putin erschienen.
Der NDR teilte am Dienstagabend zugleich mit, dass er rechtliche Schritte prüfe. Für den ARD-Sender hatte der anerkannte Journalist den Angaben zufolge 2012 eine Dokumentation über Putin produziert und 2014 Interviews mit dem russischen Präsidenten sowie dem aus den USA geflüchteten Whistleblower Edward Snowden geführt.
Zuvor hatten Spiegel und das ZDF über angebliche Zahlungen von Hunderttausenden Euro an den Journalisten berichtet, die für Buchprojekte gedacht gewesen sein sollen. Die Medien beriefen sich auf vertrauliche Unterlagen zyprischer Finanzdienstleister. Gemeinsam mit dem Konsortium „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ) seien entsprechende Datenleaks ausgewertet worden.
So reagierte Hubert Seipel auf die Anschuldigungen
Spiegel und ZDF berichteten, dass sich der Journalist ihnen gegenüber geäußert habe. Laut einem YouTube-Beitrag von ZDF „frontal“ soll er mitgeteilt haben, dass er zu keinem Zeitpunkt Geld für Filme oder Fernsehinterviews von Dritten bekommen habe. Zugleich soll er laut Spiegel Unterstützung mit Blick auf Buchprojekte eingeräumt haben. Der betreffende Vertrag lege demnach fest, dass der Autor keine Verpflichtungen gegenüber dem Sponsor in Bezug auf das Projekt habe – „…(weder in Bezug auf den Inhalt oder die Zusammensetzung des Buches noch in anderer Hinsicht) oder dessen Fertigstellung“, zitiert das Magazin.
In der NDR-Mitteilung hieß es, der Sender habe mit dem Autor sowie Verantwortlichen der Produktionsfirma Kontakt aufgenommen. „Seipel hat dabei dem NDR gegenüber eingeräumt, er habe über zwei „Sponsoring-Verträge“ 2013 und 2018 Geld von Alexey Mordashov erhalten und erklärt, es sei für zwei Buchprojekte gewesen.“ Mordaschow galt lange als „guter“ russischer Oligarch. Er war langjähriger TUI-Großaktionär und unterstützte das Unternehmen während des Pandemie-Lockdowns finanziell. Dann die Wende: Ende Februar 2022 nahm die EU Mordaschow auf ihre Sanktionsliste.
Der NDR teilte weiter mit: „Den Abschluss der Verträge hatte Seipel dem NDR gegenüber damals nicht offengelegt. Der Sender sieht hierin einen erheblichen Interessenskonflikt, der Seipels journalistische Unabhängigkeit in Zweifel zieht.“ Den Abschluss hätte der Journalist demnach der Produktionsfirma und dem Sender gegenüber offenlegen müssen. Seipel sei zuletzt 2019 für den öffentlich-rechtlichen NDR tätig gewesen.
Der Fall des Hubert Seipel: So geht es jetzt weiter
NDR-Intendant Joachim Knuth wurde in der Mitteilung so zitiert: „Es besteht der Verdacht, dass wir und damit auch unser Publikum vorsätzlich getäuscht worden sind. Dem gehen wir jetzt nach und prüfen rechtliche Schritte.“ Die Vorgänge um die Beauftragung und Umsetzung der Filme, die Seipel für den NDR realisiert habe, werde man gründlich überprüfen. Dafür sei der ehemalige „Spiegel“-Chefredakteur Steffen Klusmann gewonnen worden.
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Der NDR verlange in Produktionsverträgen und Compliance-Regeln, dass mögliche Interessenkonflikte offengelegt werden und die journalistische Arbeit frei vom Einfluss Dritter durchgeführt wird, hieß es weiter. Keiner der Filme Seipels befinde sich aktuell in der ARD-Mediathek. (prei/usch/dpa)