Klimaforscher Latif: „Bei den Zahlen überwiegt Hoffnungslosigkeit”
Mojib Latif (68) ist einer der renommiertesten Meteorologen. Seit Jahrzehnten forscht der gebürtige Hamburger zum Klimawandel und klärt darüber auf. Doch trotz seiner Mühen spitzt sich die Krise immer weiter zu. Ob er noch kann und was ihn durchhalten lässt.
Herr Latif, wie erleben Sie den Klimawandel in Ihrem Alltag?
Ich bin 1954 in Hamburg geboren und spüre selbst, wie sich unser Klima über die Jahre verändert hat. Aber auch mein Alltag hat sich geändert. Es gibt immer mehr extreme Wetterereignisse und die Medienanfragen nehmen zu. Ich war gerade dort, wo die Brände in Mecklenburg-Vorpommern getobt haben. Diese Bilder von verbranntem Land vergessen Sie nicht. Da fehlen einem die Worte. Ich bekomme auch viele Zuschriften – von Menschen, die Angst um die Zukunft haben, aber auch jede Menge Hass-Emails.
Wie beeinflusst der Klimawandel Ihr Leben? Können Sie noch?
Ich habe mich schon früh entschieden, Auskunft über die Ergebnisse der Forschung zu geben und kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Ich bin niemandem verpflichtet, weder der Wirtschaft noch der Politik. Ich finde, es ist die Aufgabe eines Wissenschaftlers, die Dinge so darzustellen, wie sie sind. Wir stecken mitten im Klimawandel, aber die Politik tut weltweit viel zu wenig. Das ist frustrierend, aber man kann die Flinte nicht ins Korn werfen. Dazu ist das Thema viel zu wichtig.
„Immerhin: Die Erneuerbaren nehmen weltweit zu“
Also ja, solange es gesundheitlich geht, kann ich noch. Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust: Das des Wissenschaftlers, das schaut auf die Zahlen und Fakten und da überwiegt die Hoffnungslosigkeit. Das andere Herz sieht aber auch positive Entwicklungen, zum Beispiel nehmen die erneuerbaren Energien weltweit zu. Wenn man das beschleunigen würde, könnten wir zumindest das 2-Grad-Ziel noch einhalten. Ich bin hin- und hergerissen.
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Welche Maßnahmen wünschen Sie sich?
Wir leben im falschen System. Bioprodukte sind zum Beispiel unglaublich teuer, dabei müssten nachhaltig gefertigte Produkte doch billiger sein als die, die die Umwelt belasten. Dasselbe gilt für Energie. Die Politik muss die Rahmenbedingungen so setzten, dass nicht mehr Umweltzerstörung belohnt wird, sondern wenn man sie nicht belastet.
Subventionen für konventionelle Energien müssen abgebaut werden. Und die öffentliche Debatte müsste sich ändern: Wir reden immer über Verzicht und nicht darüber, was wir gewinnen können. Ich habe zum Beispiel schon lange mein persönliches Tempolimit bei 100 km/h auf der Autobahn und spare so Geld und schütze die Umwelt. Das müsste doch eigentlich jeder wollen.