Am Strand der Helden des D-Days
Ich erinnere mich noch genau daran, als wir zum ersten Mal über den Soldatenfriedhof von Colleville-sur-Mer spazierten, obwohl es viele Jahre her ist. Es war früher Morgen im Sommer, der Wind kam über das Meer, es war so still und friedlich und so verstörend.
Jedes weiße Kreuz, jeder weiße Stern in den langen Reihen steht für ein Leben, das hier geopfert wurde, um Europa von Hitlers Deutschland zu befreien. Kreuze und Sterne, so weit das Auge sieht, auf diesem Rasen, der so dicht gewachsen ist wie ein grüner Teppich.
Beklemmendes Gefühl auf der Düne oberhalb von Omaha Beach
Noch beklemmender wurde das Gefühl, als wir während des Spaziergangs in einer Stellung der Nazi-Deutschen ankamen, auf einer großen Düne oberhalb von Omaha Beach. Wer durch die Schießscharte sieht wie einst der Schütze mit seinem Maschinengewehr, der begreift sofort, welches Gemetzel sich zutrug.
Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
Alle aktuellen Folgen dieser Kolumne finden Sie hier.
Freies Schussfeld. Kein Ort, Schutz zu suchen. Jedem Soldaten, der in den ersten Landungswellen den weiten Strand ohne jede Deckung betrat, musste der eigene Tod bewusst sein. Es gab gar keine Chance. Tausende starben in den ersten Stunden.
Mich hat der Besuch von Omaha Beach lange beschäftigt. Der Mut und die Opferbereitschaft der Alliierten, die an kaum einem anderen Ort so offensichtlich wird. In diesen Tagen denke ich wieder daran: 80 Jahre D-Day, der „längste Tag“, der Tag der Landung in der Normandie.
Gemälde von Soldaten schmücken Hauswände
Der Krieg ist auch abseits der Gedenkfeiern noch immer so präsent in den Dörfern entlang der Küste der Normandie. Gemälde von Soldaten schmücken Hauswände. Auf dem Schaufenster einer Bäckerei steht in großen Buchstaben „Thank you“. Die Tür eines Supermarkts zeigt ein Graffito mit einer Kriegsszene, Soldaten in einem Jeep.
In Arromanches-les-Bains, einem Ort etwas weiter östlich, liegen die Erinnerungen an den Krieg noch immer auf dem Sand. Man hat die schweren Betonteile von „Mulberry B“, einem wichtigen Nachschubhafen, nie gesprengt. Bis zum 12. Juni landeten bei der „Operation Overlord“ 326.000 Soldaten mit 104.000 Tonnen Material und 54.000 Tonnen Fahrzeugen. Mehr als 6400 Boote waren im Einsatz.
Das könnte Sie auch interessieren: Lost Place im Norden: Was verbirgt sich hinter diesem geheimnisvollen Schild?
Die Generation der Veteranen stirbt, nur wenige Hundert sind übrig. Es ist an uns, die Erinnerung an ihren Mut lebendig zu halten. Ich wundere mich, dass der 6. Juni bei uns kaum eine Rolle spielt. Obwohl das so wichtig ist in einer Zeit, in der Politiker in Deutschland wieder NS-Parolen über Marktplätze rufen, über millionenfache Remigration fabulieren und das monumentale Verbrechen für einen „Vogelschiss“ halten.