Kolumne: Putins Schattenflotte greift nun aktiv an
Ich weiß nicht, wer sich den Begriff „Schattenflotte“ ausdachte, aber er umschreibt ziemlich gut, um was es geht. Das russische Regime kaufte nach dem Überfall auf die Ukraine alte Tanker auf, um westliche Sanktionen zu umfahren. Mehr als tausend Schiffe sollen es inzwischen sein, die unter falscher Flagge russisches Öl im Wert vielen Milliarden US-Dollar transportieren, unglaubliche 17 Prozent der globalen Öltankerflotte.
Darunter sind Hunderte schwimmende Zeitbomben: uralte, rostige Kähne, die bei Sturm schnell in Schwierigkeiten geraten. Vor wenigen Tagen sank in der Straße von Kertsch ein 50 Jahre alter russischer Tanker und löste eine Ölpest aus.
Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
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Für Russlands Diktator Putin ist seine Schattenflotte in mehrfacher Hinsicht ein Trumpf: Er finanziert damit seinen Krieg und verunsichert die Ostsee-Anrainerstaaten. Was, wenn ein solcher Tanker eine Umweltkatastrophe auslöst, vor Helsinki, vor Stockholm oder vor Rostock?
Der Öltanker „Eagle S.“ durchtrennte wohl Stromkabel
Und nun gibt es die ersten Beweise, dass die Rosteimer auch zur Attacke auf kritische Infrastruktur eingesetzt werden. Der Öltanker „Eagle S.“ hat mit großer Wahrscheinlichkeit ein Stromkabel zwischen Finnland und Estland durchtrennt. Ermittler entdeckten eine kilometerlange Schleifspur auf dem Grund der Ostsee und sie veröffentlichten Fotos, die Schäden am Rumpf zeigen, verursacht durch die Ankerkette.
Vor Kurzem war es der chinesische Frachter „Xi Peng 3“ mit russischem Kapitän, der absichtlich ein Ostseekabel vor Schweden beschädigt hatte. Weil die Einsatzkräfte viele Stunden brauchten, konnte der Frachter in internationale Gewässer entkommen; das Seerecht verbietet es, dort an Bord zu gehen, sogar im Falle eines Verbrechens.
Im Falle der „Eagle S.“ dauerte es nur zwei Stunden, bis sich schwer bewaffnete Einheiten von Polizei und Grenzschutz aus Hubschraubern über dem Schiff abseilten. Sie nahmen das Schiff in Gewahrsam und verhörten die Crewmitglieder. An Bord fanden sie nach Informationen des Online-Mediums „Lloyd’s List“ auch Sende- und Empfangsgeräte, die zur Spionage eingesetzt werden können.
Die Reparatur des finnischen Kabels kostet Millionen
Die „Eagle S.“ fährt unter der Flagge der Cookinseln, wird von einer Firma mit Sitz in Indien verwaltet und gehört einer Reederei, die als Adresse ein Luxushotel in den Vereinigten Arabischen Emiraten angibt. Im Sommer war sie bei Kontrollen mit schweren Mängeln aufgefallen. Ein perfekt getarntes Schmuggelschiff, das nun auch Attacken in einem hybriden Krieg fährt.
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Es wird mehr als ein halbes Jahr dauern und einen zweistelligen Millionenbetrag kosten, um das zerstörte Stromkabel zu reparieren. Finnlands Versorgung ist nicht beeinträchtig. In Estland aber werden wohl die Strompreise steigen.