Gesunkenes Schiff mit gefährlicher Ladung: Das „Doomsday Wreck“ von London
Nach der Explosion könnte eine drei Kilometer hohe Wassersäule aufsteigen und ein Tsunami Richtung London rollen. Fünf Meter hoch, mit brennendem Phosphor an der Oberfläche. Eines der Gebiete, die getroffen würden, ist die „Isle of Grain“. Also eines der größten Terminals für Flüssiggas in Großbritannien.
Was nach dem Endspiel einer neuen James-Bond-Episode klingt, steht in einem Debattenpapier für das britische Parlament aus dem Jahr 2019. Bereits 1970 wurde das Szenario wissenschaftlich vom „Royal Military College of Science“ skizziert.
Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
Alle aktuellen Folgen dieser Kolumne finden Sie hier.
Das Problem heißt „SS Richard Montgomery“ und liegt seit dem 20. August 1944 in der Mündung der Themse. Nicht nur britische Boulevardblätter nennen es „Doomsday Wreck“ (übersetzt: „Weltuntergangswrack“), sondern auch Experten wie Professor David Alexander vom „University College London“ (UCL) warnen seit Jahren eindrücklich.
Der Frachter war voller Munition
Der Frachter, vollbeladen mit Munition, sollte sich einem Konvoi nach Cherbourg in der Normandie anschließen, um die Truppen im Kampf gegen Hitler zu versorgen. Doch die Anker hielten das Schiff nicht auf Position; es trieb auf eine Sandbank und brach auseinander.
Knapp 5600 Tonnen hochexplosive Ladung wurden nach der Strandung eilig gesichert. 1400 Tonnen aber sanken mit dem Schiff, darunter Tausende Bomben unterschiedlicher Größe, 18 Tonnen Streu- und Splitterbomben und – besonders unangenehm – 65 Tonnen Phosphor-Brandbomben.
Schiffswrack sorgt immer wieder für gefährliche Situationen
Wie mahnende Finger ragen drei Masten der „SS Richard Montgomery“ seither aus dem Wasser. Die Sperrzone, die eingerichtet wurde, ist kaum 200 Meter entfernt von einer wichtigen Route für Großcontainerfrachter und Flüssiggastanker. Mehrfach kamen Schiffe dem Wrack bereits gefährlich nahe wie die „MV Fletching“, die es um nur 15 Meter verfehlte.
Seit Jahrzehnten wird diese tickende Zeitbombe auf dem Meeresgrund nun vom Verkehrsministerium vermessen und gescannt – aber nicht entschärft. Ein Beispiel, wie man ein gewaltiges Problem erfolgreich der nächsten Generation überlässt.
Das Schiffswrack droht zu zerbrechen
Im neuesten Jahresreport steht nun, dass sich ein Riss entlang des Frachtraums deutlich vergrößert hat und der Bugbereich in zwei Teile zu brechen droht. Was nach Ansicht von Professor Alexander im besten Fall dazu führt, dass die Bergung des Sprengstoffs komplizierter und noch teurer wird, weil sich die explosive Ladung auf dem Meeresboden ausbreitet.
Das könnte Sie auch interessieren: Der Tod und die Schlaumeier
Aus dem Wrack steigt schon jetzt knapp vierzig Mal pro Jahr leicht entzündlicher Phosphor auf. Das zuständige Ministerium beruhigt derweil die Öffentlichkeit. Man beobachte weiter aufmerksam die Lage. Auch von Bergungsarbeiten war schon die Rede, es ging um die Masten. Die Ankündigung ist drei Jahre her.