Strand von Formentor
  • Der Strand von Formentor auf Mallorca.
  • Foto: hfr

Mallorca: Der Strandstress einer Influencerin

Die Julisonne ließ sich im Schatten der hohen Pinien gut aushalten, das Meer schimmerte türkis, und in der Bucht lag eine wirklich schöne alte Yacht vor Anker. Eine Kaltgetränksituation in Formentor, ganz im Norden von Mallorca.

Ich beobachtete von meiner Liege ein junges Paar, das sich am Spülsaum näherte. Die Frau bewegte sich seltsam, irgendwie ging sie unrund, seltsam staksig, mit einem weit abgespreizten Arm und durchgedrücktem Kreuz. Nun erkannte ich auch den Grund: Sie filmte sich und jeden ihrer Schritte fortwährend mit einem Handy, das sie ihrem Partner übergab.

Sie tapste ins Meer. Wieder und wieder, fünf Mal, zehn Mal, denn nach Qualitätskontrolle der Aufnahme war sie nicht mit ihrem Hintern einverstanden. So lief das weiter: Der junge Mann filmte, sie schüttelte den Kopf. Er knipste, bekam aber die Yacht nicht mit drauf oder die Pinien oder ihren Bikini oder was auch immer.

Urlaubsstress für Influencer

Anscheinend gab es nun ein drängendes Problem mit ihrer Frisur. „Streng dich an!“, schnauzte sie ihn auf Englisch an. „Du weißt doch, wie wichtig das hier ist!“ Der Kerl, er trug Bart, Sonnenbrille und Shorts, murmelte irgendwann „It’s so annoying“, es ist so nervig. Sie verlegte sich fortan auf Selfies: Schmollmund, gezuppelter Pony, jedes Mal, wenn ich in den nächsten Stunden hinschaute, fotografierte sie sich selbst.

Es muss stressig sein, als Influencerin Urlaub zu simulieren. Nichts ist mehr privat. Alles taugt als Bühne, als Laufsteg, als Kulisse für die nächste Eitelkeit. Soziale Medien greifen tief in unser Leben ein. „Sofern wir es zulassen“, mag jetzt mancher denken, aber das stimmt nicht ganz.


Stefan Kruecken hfr
Stefan Krücken

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.

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Als es Abend wurde, fuhren wir mit den Kindern zu einem Leuchtturm. Ein weißer Turm auf einer hohen Klippe vor blauem Meer am Ende einer kurvenreichen Straße. Wir wunderten uns über zahlreiche Teenager und junge Erwachsene, die mit Selfie-Sticks unterwegs waren. Eine Drohne surrte in der Luft. Sonnenuntergangsromantik? Es wirkte eher wie ein Foto-Workshop mit vielen Pubertierenden.

Reichweite und Follower – die neuen Währungen unserer Zeit

Die Erklärung für den Trubel fanden unsere Kinder schnell heraus. Hashtags auf TikTok und anderen Plattformen, Zehntausende Fotos und „Reels“ (Videos). Und damit verbunden der Drang, der Nächste zu sein, der mit der Aufmerksamkeit für einen schönen Ort Reichweite erzielt. Reichweiten, „Gefällt mir“ und Follower, die neuen Währungen unserer Zeit.

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Ob jemand auch die Magie des Moments einfing? Oder das Gefühl davon mitnahm? Mir fiel ein Song von „Deichkind“ ein: „Like mich am Arsch“.

Den Kerl, der die Influencerin von Formentor fotografierte, traf ich später in einer Strandbar wieder. Alleine. Er wirkte nicht wie jemand, der schöne Erinnerungen mit nach Hause nahm.

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