Seenotretter im Wasser
  • Sie fragen nicht, sie retten: niederländische Seenotretter der KNRM in der Nordsee-Brandung.
  • Foto: Martijn Bustin

Der Tod und die Schlaumeier

Ein deutscher Urlauber ist in der niederländischen Nordsee vor Bergen aan Zee ertrunken. Sein Sohn wurde von Kitesurfern gerettet. Der Familienvater starb am Strand, im Alter von nur 42 Jahren. Wie die Seenotretter der KNRM – die mit einem Großaufgebot vor Ort waren – berichten, herrschte zum Zeitpunkt des Unglücks starke Strömung und es war ziemlich windig.

Die Zeit der Ferien hat begonnen und damit auch die Zeit solcher Tragödien. Viele Touristen aus dem Binnenland unterschätzen die Gefahren von Nordsee und Ostsee; sie wissen wenig von Riptides oder übersehen rote Flaggen. Manche ignorieren die Gefahren leider auch.


Stefan Kruecken hfr
Stefan Krücken

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.

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Die See ist ein Ort der Entspannung. Ein großes, salziges Planschbecken. Dass es eine lebensfeindliche Umgebung ist, die innerhalb weniger Minuten töten kann? Ist nicht allen bewusst.

Mutter wollte im Dunkeln von Rügen nach Hiddensee rudern

Manche Nachrichten machen sprachlos wie der Fall einer Mutter aus Sachsen, die am späten Abend mit zwei Kindern auf einem Stand-up-Paddling-Board von Rügen nach Hiddensee rudern wollte. Ohne Rettungswesten, in der Dunkelheit, auf einer Strecke von mehreren Kilometern. Seenotretter und ein Schiff der Marine waren zum Glück zur Stelle.

Was mich anwidert, sind manche Reaktionen auf den Tod des Vaters in Bergen aan Zee. „Null Mitleid“, tippt eine Dame mit Chihuahua im Profilbild, „selbst schuld“ urteilt ein Herr hinter einer eng sitzenden Sonnenbrille. Einer reißt Witze über den „Gewinner des Darwin-Awards“ und eine Frau fabuliert mit gespielter Wut über „unsere Küstenjungs, die von Leichtsinn unnötig in Gefahr gebracht werden“.

Was bringt es irgendwem, einem Toten Häme und Klugscheiß hinterherzuwerfen? Was ist, wenn ein Angehöriger oder ein Freund der Familie diese Beiträge liest?

Seenotretter fragen nicht, sie helfen

Die „Küstenjungs“, also die Seenotretter, sind übrigens Profis, die für genau solche Einsätze ausgebildet sind. Sie haben ein großes Herz. Sie fragen nicht, sie retten.

Vor einigen Monaten schrieb ich hier in meiner Kolumne über ein Unglück auf der Insel Ameland. Eine deutsche Familie war spät angereist und in die Wellen gegangen. Sie wussten nichts von der Warnung vor einer starken Unterströmung. Ein Mädchen (14) ertrank vor den Augen von Vater und Schwester.

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Ein Fischer hörte vom Unglück. Er organisierte auf WhatsApp eine Suchaktion, um der Familie den Leichnam zurückzubringen. Dutzende Kutter schlossen sich an. Der Fischer heißt Robin Bouma. Ich habe ihm das Schlusskapitel meines Buchs „Das muss das Boot abkönnen“ gewidmet, als Beispiel für Mitgefühl auf See. Er nutzte die sozialen Medien, um menschlich zu handeln.

Wollen wir sein wie Robin Bouma? Oder wie ein Social-Media-Nutzer, der sich ein wenig besser fühlt, hämische Kommentare auf Kosten Toter zu tippen. Jeder von uns hat die Wahl.

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