Russisches Schiff Eventin

Der russische Öltanker „Eventin“ auf der Ostsee. (Foto: Hafenkommando)

Unglaubliche Leistung der Seeleute verhindert Ölpest: Die Helden von Rügen

Zwei Wochen ist es her, dass ich meine Kolumne über Putins „Schattenflotte“ schrieb. Verbunden mit der Frage, was geschieht, wenn ein solcher Tanker eine Ölpest auslöst, „vor Helsinki, vor Stockholm oder vor Rostock“? Wenige Tage später kam es beinahe so.

Fast 100.000 Tonnen Öl sind an Bord der „Eventin“, eines 274 Meter langen Schiffs, das auf dem Weg von Russland nach Ägypten einen „Blackout“ meldete, also einen Ausfall aller Systeme. Nichts funktionierte mehr an Bord – und ein Wintersturm aus Norden zog auf. Alles wie in einem Katastrophenfilm mit erwartbarem Drehbuch. Das Schiff trieb Seemeile um Seemeile auf Rügen zu.

Unglaubliche Leistung der Seeleute verhinderte Ölpest

Dem Können und Mut der Rettungskräfte ist zu verdanken, dass die Insel und der Abschnitt der Küste von einer Verschmutzung verschont blieben, von der sich Natur und Tourismus jahrelang  nicht erholt hätten. Zum Vergleich: Die „Exxon Valdez“, die im März 1989 in Alaska auf Grund lief und bis heute als Inbegriff einer Ölkatastrophe gilt, hatte 160.000 Tonnen Öl an Bord.

Eine unglaubliche Leistung der Seeleute verhinderte die Ölpest. Unter anderem von Kapitänin Marlin Schek und ihrer Crew an Bord des Meerzweckschiffs „Arkona“. Sie musste in den vier Meter hohen Wellen nahe an den Havaristen heranmanövrieren, weil nur noch Sprechfunkgeräte funktionierten – und fungierte dann als „Brücke“ zwischen der Einsatzzentrale im Havariekommando Cuxhaven, den Schleppern und dem Kapitän der „Eventin“.

Drei Tage Stress, jede Menge Adrenalin, wenig Schlaf. Ein Einsatzteam seilte sich in Dunkelheit und Sturm an Bord des Tankers ab, um die Leinenverbindungen herzustellen und die gewaltigen Lasten gleichmäßig zu verteilen. Die Bundespolizei half der Crew der „Eventin“, die ohne Strom und Heizung auf der kalten Ostsee bitterlich fror. Man brachte Heizlüfter an Bord. Mehrere asiatische Seeleute klagten auch über Bauchschmerzen, weil sie statt Reis Brot essen mussten und dies nicht vertrugen.


Stefan Kruecken hfr
Stefan Krücken

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.

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Während ich die Kolumne schreibe, liegt die „Eventin“ noch immer vor dem Stadthafen von Sassnitz auf Reede. Wegen des Embargos gegen Russland darf sie nicht in den nahen Hafen. Sie soll nach Dänemark geschleppt werden, heißt es. Doch es gibt anscheinend Probleme.

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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußert scharfe Kritik an Russlands Regime. Mit dem „ruchlosen Einsatz einer Flotte von rostigen Tankern“ umgehe Putin nicht nur die Sanktionen, sondern nehme billigend in Kauf, dass der Tourismus an der Ostsee zum Erliegen kommt – im Baltikum, in Polen oder bei uns.

Diesmal ist es gut gegangen.

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