„Fremantle Highway“: Eine Beinahe-Katastrophe mit wenig Folgen
Der Ölteppich erreicht zuerst die niederländischen Inseln und treibt schließlich an den Stränden von Borkum an. 1,6 Millionen Liter Schweröl sind ausgetreten, nachdem der brennende Autofrachter „Fremantle Highway“ in der Nordsee sank.
In den News laufen Bilder von Umweltschützern, die versuchen, ölverklebte Seevögel zu retten. Urlauber reisen ab. Hoteliers und Restaurantbesitzer, fast alle, die auf den Inseln vom Tourismus leben, sorgen sich um ihre wirtschaftliche Existenz. Das Wrack des großen Autofrachters ist in zwei Teile zerbrochen; im sensiblen Ökosystem, dem UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer, liegen nun knapp 4000 Autos auf dem Grund der See.
Klingt richtig übel? War ein realistisches Szenario, Anfang August 2023. Niederländische Bergungsprofis verhinderten mit ihrem Mut und Können eine Katastrophe. Und war es nicht einfach auch großes Glück, dass der Stahlmantel der „Fremantle Highway“ standhielt?
Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
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Die extreme Hitze hat Schiff und Autowracks in einigen Abschnitten regelrecht verschmelzen lassen, was es den Experten bis heute schwierig macht, die Ursache des Feuers zu ermitteln. E-Autos waren entgegen allem Geschrei in den Tagen nach der Havarie eher nicht der Grund. Sie parkten auf einem ganz anderen Deck.
Welche Lehren wurden aus dem Unglück gezogen?
Das Wrack der „Fremantle Highway“, das aussah wie ein ramponierter Sternenkreuzer aus „Star Wars“, wird derzeit in den Docks von Rotterdam repariert und dann nach China geschleppt. Autofrachter sind rar, mit ihnen lässt sich viel Geld verdienen.
Doch welche Lehren wurden aus dem Unglück gezogen, das einen Seemann das Leben kostete?
Seit mehr als fünf Jahren – seit der Havarie des Großcontainerfrachters „MSC Zoe“, der Hunderte Container im Sturm vor Ameland verlor – haben das niedersächsische Umweltministerium, die Inselbürgermeister und Umweltschützer eine Forderung: dass große Schiffe oder Frachter mit gefährlicher Ladung eine Route weiter vor der Küste nehmen müssen. Um den Rettern im Notfall mehr Zeit zum Reagieren zu geben.
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Nachfrage beim zuständigen Bundesverkehrsministerium: Zuerst kommt eine dünne Mail, dann ruft ein Sprecher an. Also: Werden die Forderungen geprüft? „Nein.“ Warum nicht? Der Sprecher verweist auf die für Verkehrswege zuständige Internationale Seeschifffahrts-Organisation. Änderungen für das „Verkehrstrennungsgebiet“ durchzubringen, sei extrem schwierig. Immerhin: Deutschland, Dänemark und die Niederlande schicken bei schlechtem Wetter seit Ende 2019 eine Warnmeldung an die Kapitäne, damit sie das weiter nördliche Verkehrstrennungsgebiet „German Bight Western Approach“ nehmen.
Weil die Reedereien Sorge haben, dass ihre Versicherungen im Falle eines Schadens Probleme machen, funktioniert die Warnmeldung anscheinend ziemlich gut.